30. April 2011

Syrien: Solidaritätsdemonstrationen mit Daraa und weiteres Blutvergießen am Freitag. Lage in Daraa dramatisch.

Am Freitag sah Syrien erneut Demonstrationen mit bis zu Tausenden an Teilnehmern, allen Aufmärschen der gar nicht mehr so geheim agierenden Geheimdienste und der Armee zu Trotz. Und wieder waren Städte dabei, aus denen man vorher nichts gehört hatte. In Damaskus konzentrierten sich die Sicherheitskräfte darauf, größere Demonstrationen dadurch zu verhindern, in dem sie die einzelne Stadtteile und die Vorstädte von einander abriegelten. Das gelang zwar, aber so gab es mehr Demonstrationen als zuvor in und bei der Hauptstadt, auch in den Altstadtbezirken. Die Proteste standen ganz im Zeichen der Solidarität mit der besetzten Stadt Daraa. Es gab keine Demonstration, auf der nicht Bezug auf den Ausgangsort der Proteste genommen wurde.

Und das Regime schoss wieder. 62 Tote sind bekannt. In Rastan, einer Stadt mit 60.000 Einwohnern in Gouvernement Homs, sind die Schergen des Regimes wohl völlig durchgedreht. Berichten zufolge wurde hier auf die Demonstranten mit schwerem Maschinengewehren geschossen. Ergebnis: über zwei Dutzend Tote. Um Daraa versammelten sich Menschen, um die besetzte Stadt zu erreichen, und so die Belagerung zu durchbrechen. Auch sie wurden mit Waffengewalt daran gehindert.

Die wenigen Nachrichten, die uns aus Daraa erreichen, sind dramatisch. Alle Kommunikationskanäle sind vom Regime gekappt, ja auch die Mobilfunknetze des nahen Jordanien werden gestört, damit keine Berichte aus Daraa dringen. Einzig Satellitentelefone funktionieren noch. Strom und Wasser sind nun seit 6 Tagen abgestellt. Seitdem kommen auch keine Lebensmittel in die Stadt. Das Krankenhaus ist von der Armee besetzt und nur für Angehörige der Sicherheitskräfte zugänglich. Täglich gibt es Schießereien. Auch die Panzer sollen dabei zum Einsatz kommen. Einige Häuser sollen schwer beschädigt sein. Es gab Berichte von einem Ort, an dem Dutzende tote Zivilisten entdeckt worden sein sollen. Gestern ist dann ein Video aufgetaucht, das diesen Ort wohl zeigen soll. Leichen, aufbewahrt in einem Container. 300 Soldaten sollen desertiert sein und sich den Aufständischen angeschlossen haben. Etwa jeden zweiten Tag schickt das Regime Verstärkungen nach Daraa, auch in Form weiterer Panzer.

Seit Tagen präsentiert das staatliche Fernsehen die "Geständnisse" von Leuten, die angeblich Terroristen sind und "bezeugen" aus Daraa mit Waffen versorgt worden zu sein. Dabei wurde der Imam der Omari-Moschee in Daraa als einer der Lieferanten benannt. Die Moschee war ein zentraler Treffpunkt der Demonstranten. Heute soll die Omari-Moschee von Panzern beschossen und gestürmt worden sein. Die Schergen des Regimes sollen bei ihrer Suche nach dem Imam dessen Sohn erschossen haben, weil er sich weigerte, den Aufenthaltsort seines Vaters zu nennen. Und das ist nur einer von vielen Berichten, die von der Anwendung von Sippenhaft bei der Niederschlagung der Oppositionsbewegung erzählen.

28. April 2011

Bahrain: Vier Todesurteile verkündet. "Geständnis" eines Toten im TV ausgestrahlt.

Heute  wurde von den bahrainischen Behörden mitgeteilt, dass vier junge Männer in einem nicht öffentlichen Prozess wegen angeblichen vorsätzlichen Mordes an zwei Polizeibeamten zum Tode veruteilt wurden. Die Angeklagten hatten auf "nicht schuldig" plädiert.

Die Namen der Veruteilten lauten: Ali Singace, Abdulaziz Hussain, Qasim Matar und Said Abduljalil. Drei weitere Angeklagte des Prozesses wurden zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt. Andere Angeklagte gab es nicht. Alle Angeklagten sind 20 bzw. 21 Jahre alt.

Der Prozess erfüllte nicht mal die minimalen Voraussetzungen, die in einem Rechtsstaat üblich sind.
Recht auf einen fairen Prozess: Seit der Verhängung des Ausnahmezustandes läuft eine regelrechte Kampagne gegen Aktivisten der überwiegend schiitischen Opposition. In den staatlichen Medien werden sie als "Verräter" bezeichnet, mit denen man nicht mehr zusammen leben könne. Aufrufe zur Gewalt gegen die schiitische Mehrheit Bahrains seitens königstreuer "Bürger" werden vom Staat geduldet.
Recht auf ein ordentliches Verfahren: Unter den Regeln des Ausnahmezustandes können Verhaftungen ohne gerichtliche Anordnung und Überprüfung durchgeführt werden. Dies war auch hier der Fall.
Recht auf ein ordentliches Gericht: Die Angeklagten wurden durch ein außerordentliches Militärgericht verurteilt. Bei den Angeklagten handelt es sich um Zivilisten. Auch die Anklagevertretung lag bei der Militärstaatsanwaltschaft, und nicht bei der ordentlichen Justiz.
Recht auf ein öffentliches Verfahren: Zu dem Verfahren war die Öffentlichkeit nicht zugelassen, weder die Angehörigen noch Beobachter internationaler Menschenrechtsorganisationen durften den Prozess verfolgen.
Recht auf ausreichende Verteidigung: Die Anwälte der Angeklagten haben kritisiert, dass ihnen nicht genügend Zeit zur Prozessvorbereitung eingeräumt wurde. Mitte März wurden die Angeklagten verhaftet. Am 19. April wurde der Prozess eröffnet. Es folgten nur zwei weitere Verhandlungstage bis zum heutigen Tag der Urteilsverkündigung.

Zudem besteht der Verdacht, dass die Angeklagten in der Haft gefoltert wurden. Während der ersten Tage ihrer Haft hatten sie keinerlei Kontakt, weder zu Angehörigen noch zu Anwälten. Den Angeklagten ist es möglich, Berufung einzulegen. Allerdings wird die Berufung ebenfalls vor einem extra-legalen Militärgericht verhandelt.

Das bahrainische Fernsehen hat heute das "Geständnis" eines Toten ausgestrahlt, in dem er sich zu einem Polizistenmord "bekennt". Bei dem Toten handelt es sich um Ali Isa Saqer, der in Polizeihaft starb und dessen Leiche deutliche Folterspuren aufwies. Hier ein BBC2-Bericht zu dem Tod von Ali Isa Saqer und dem politischen Klima in Bahrain seit dem Ausnahmezustand:

26. April 2011

Syrien: Auch das Assad-Regime führt Krieg gegen das Volk

Am Sonntag ging es weiter mit den Beerdigungen und den Angriffen auf die Trauerzüge. Insbesondere die Stadt Jablah wurde von den Schergen des Regimes heimgesucht: rund ein Dutzend Tote. Gleichzeitig meldeten Menschenrechtler massive Verhaftungen. Seit Sonnabend sind um die 500 Menschen verhaftet worden.

Gestern ging das Regime einen Schritt weiter. Panzer rückten in die Stadt Daraa ein, wo der Aufstand begann. Auch Jablah ist vom Militär besetzt. In beiden Städten herrscht seitdem eine unausgesprochene Ausgangssperre. Gleichzeitig gab und gibt es größere Aktionen von Militär und Geheimdienste in Duma, Homs und anderen Städten. Wieder wurde geschossen, wohl auch mit schweren Maschinengewehren und in Daraa vielleicht sogar mit den Panzern. Und immer wieder ist von Scharfschützen auf Dächern die Rede. Mindestens 35 Menschen sind am Montag dabei umgekommen. Die Schießereien hielten auch am Dienstag an.

Alle Grenzübergänge zu Jordanien wurden geschlossen. Erst wurde dies dementiert, dann bestätigt, mit der Begründung, über die Übergänge seien Waffen geschmuggelt worden.

In Daraa sind das Internet, die Telefonleitungen, Mobilfunk, Strom und die Wasserversorgung(!) gekappt worden. Viele Beobachter sind der Meinung, dass insbesondere an Daraa ein Exempel statuiert werden soll. Hier haben die Proteste begonnen, und hier sollen sie nach dem Willen des Regimes auch enden.

In Banyas, Qamishli, Latakia, Al Tal, Saqba, Darayya und Zabadani kam es heute zu Solidaritätsdemonstrationen für Daraa und die anderen Städte. In Banyas soll die Demonstration heute 10.000 Teilnehmer gehabt haben. Gleichzeitig gibt es Meldungen, wonach um Banyas Truppen postiert werden. Es gibt die Befürchtung, dass die Armee auch in diese Stadt einmarschieren wird. In Duma wurde heute die Präsenz der Sicherheitskräfte noch mal deutlich erhöht und die Stadt ist mittlerweile zur Geisterstadt geworden.

Die Besetzung von Städten durch das Militär ist eine klare Kriegserklärung an das Volk - soweit es einer solchen nach den ganzen Massakern noch bedurfte. Man mache sich keine Illusionen. Dieses Regime scheint zu allem entschlossen. In einem Verhör mit einem Oppositionellen soll ein Geheimdienstler gesagt haben: "Wenn wir 100.000 Menschen töten müssen, um an der Macht zu bleiben, werden wir das tun." Angesichts der Geschichte Syriens und der aktuellen Ereignisse ist diese Drohung ernst zu nehmen.

25. April 2011

Libyen: Der Aufstand macht Fortschritte

In den westlichen Medien ist in letzter Zeit viel von einem "militärischen Patt" die Rede, wenn es um Libyen geht. Oberflächlich mag der Eindruck entstehen, aber dem ist nicht so.

Im Osten ist Ajdabiya weiterhin fest in der Hand der Aufständischen. Weitere Vorstöße in Richtung Sirt werden zurzeit nicht gemacht, und das mit voller Absicht. In und bei Benghazi und anderen Orten werden Kämpfer momentan ausgebildet, auch von Militärberatern des Westens (USA, Frankreich, GB). Und Qatar hat u. a. tragbare Milan-Panzerabwehrsysteme geliefert. Nach einiger Zeit der Ausbildung dürften dann wieder Vorstöße Richtung Westen zu erwarten sein.

Der Kampf um Misratah hat ja die letzten Tage die Schlagzeilen zu Libyen beherrscht. Hier haben sich entscheidende Dinge getan. Letztlich haben sich die Aufständischen im Häuserkampf durchgesetzt. Das Zentrum Misratahs ist nun befreit. Die Ankündigung des Regimes, seine Soldaten aus Misratah zurückzuziehen, ist das Eingeständnis der Niederlage. Das bedeutet leider nicht, dass Misratah nicht weiter leidet. Nach dem Motto "Was ich nicht bekommen kann, will ich wenigstens zerstören" beschießt das Regime die Stadt aus der Entfernung mehr denn je. Nach Aussagen eines gefangenen genommenen Offiziers sind während der zweimonatigen Kämpfe um Misratah 4-5.000 Regimekräfte durch die Aufständischen und die NATO-Luftangriffe getötet worden. Insgesamt sollen 9.000 Soldaten und andere Bewaffnete gegen Misratah eingesetzt worden sein.

In der Nafusa-Region ist die Situation weiter dramatisch. Die Kämpfer der Aufständischen sind fast auf sich allein gestellt. Eine medizinische Versorgung gibt es praktisch gar nicht mehr. Es mangelt an Essen und Wasser. Trotzdem gelang es den Aufständischen, den Grenzübergang Wazin zu erobern. Das ist eine Voraussetzung dafür, dass Menschen leichter aus der Region fliehen können, und auch eine Möglichkeit, Nachschub aus Tunesien in die Nafusa-Region zu schaffen. Insgesamt sollen 12-14.000 Menschen (v. a. Frauen, Kinder und Verletzte) nach Tunesien geflohen sein.

Erstaunliches gibt es aus Tripolis und Az Zawiyah zu berichten. In Tripolis nehmen die Angriffe der Aufständischen auf Gaddafi-Truppen zu. Es handelt sich meist um nächtliche Überfälle auf Checkpoints und Patrouillen. Dabei werden auch immer wieder Waffen erbeutet. Sicher sind die Aktionen noch lange nicht so weit, die Truppen des Regimes in der Hauptstadt wirklich herauszufordern, aber sie weiten sich aus. Ebenfalls aus Tripolis werden kilometerlange Schlangen an den Tankstellen gemeldet, was auch mit Videomaterial belegt ist. Zudem werden private Geländewagen von den Truppen des Regimes gestohlen, so dass die Menschen ihre Autos schon verstecken. Im besetzten Az Zawiyah haben die Aufständischen ebenfalls ihre Aktivitäten ausgeweitet. Dabei glückte es ihnen zuletzt sogar eines Nachts das Zentrum erneut zu besetzen. Mit Tagesanbruch zogen sie sich wieder in ihre Verstecke zurück. Vor zwei Tagen gelang es ihnen Gefangene, die auf einer Farm eines Gaddafi-Anhängers festgehalten wurden, zu befreien. Und auch aus Zuwara werden wieder bewaffnete Aktionen der Aufständischen gemeldet. Dazu kommen Berichte von Unruhen in Bani Walid und sogar aus Sirt.

Auf der politischen Seite sind die Anerkennung des Übergangsrates durch Kuwait und - wesentlich bedeutender - der Besuch des ehemaligen US-Präsidentschaftskandidaten McCain in Benghazi zu verzeichnen.

Sicher, der Aufstand macht keine Riesenfortschritte - und in der Nafusa-Region ist die Lage immer noch kritisch -, aber er kommt voran. Von Stillstand kann keine Rede sein.

Bahrain: Gewalt gegen Minderjährige. Schiitische Moscheen zerstört.

Die Unterdrückung der Opposition in Bahrain erstreckt sich auf alle gesellschaftlichen Bereiche. Der Opposition wird systematisch medizinische Versorgung und rechtlicher Beistand entzogen. Menschen werden entlassen, weil sie an Protesten teilgenommen haben. Und auch vor Gotteshäusern und Kindern wird nicht halt gemacht.
Zerstörte Farak Al Zahra-Moschee
Weitere Zerstörungen sind unter http://goo.gl/Npnkt dokumentiert.
Die Opposition in Bahrain klagt die Regierung an, 30 Moscheen und Gotteshäuser zerstört zu haben. Es handelt sich ausnahmslos um schiitische Einrichtungen. Als Grund für die Zerstörung der Moscheen wird von der Regierung angegeben, diese seien "illegal" errichtet worden. Abgesehen, davon, dass es für Schiiten in Bahrain sehr schwierig ist, solche Genehmigungen zu bekommen, scheint es zumindest in einigen Fällen schlicht um eine Lüge zu handeln, wie Registrierungen der Moscheen zeigen. Die Zerstörung dieser Gotteshäuser seitens einer Regierung, die sich sonst immer als "Hüter des Glaubens" präsentiert, zielt offensichtlich auf die moralische Demütigung der schiitischen Gemeinde ab.

Doch auch Minderjährige und Kinder werden zum Ziel der Repression. Zwei Beispiele mögen dies verdeutlichen.

Am Donnerstag, den 21. April, stürmten weibliche Polizisten die Al Ahed Alzaher-Schule für Mädchen in Hamad. Sie hatte Namenslisten von Schülerinnen und Lehrerinnen dabei und trieben diese in einem Klassenraum zusammen. Dort wurden sie verhört und dabei von den Polizistinnen geohrfeigt. Zudem wurde eine Schülerin gezwungen, ihre Lehrerin heftig zu ohrfeigen. Später wurden die Mädchen und drei Lehrerinnen auf eine Polizeiwache verschleppt. Dort wurden die Mädchen (16-17 Jahre alt) geschlagen und getreten. Zum Schlagen wurde u. a. ein Gummischlauch verwendet. Auch wurden die Mädchen mehrmals mit dem Kopf gegen die Wand geschleudert, so dass sie an Nase und Stirn bluteten. Dabei wurden sie u. a. als "Nutten" beschimpft, auch in der Gegenwart von später dazu gekommenen männlichen Polizisten. Nach Stunden wurden die Mädchen freigelassen. Es gab keinerlei Vorfall vorher an der Schule. Die einzige "Anschuldigung", die seitens der Polizei vorgebracht wurde, war der reine Verdacht an oppositionellen Aktivitäten teilgenommen zu haben.

Zainab Alkhawaja schilderte gestern einen Vorfall, der sich noch am selben Tag ereignet hatte. Eine sunnitische Frau führte die Polizei zu einem Haus, weil ein schiitischer Junge angeblich einen Stein auf ein Portrait des Königs geworfen hätte. Die Polizei nahm den Jungen im Alter von 13(!) und seinen ebenfalls anwesenden 8-jährigen Cousin tatsächlich mit auf die Wache. Den 8-Jährigen hatte man mitgenommen, weil die die Frau, die die Polizei gerufen hatte, ihn "beschuldigte", mit seinem Fahrrad(!) ihr Haus zu umkreist(!) zu haben. Auf der Wache wurde der 13-Jährige bedroht und geschlagen. Während die Polizisten den Jungen schlugen, fragten sie ihn: "Von wem hast du deine Kleidung? Von wem hast du dein Geld?" Und er musste antworten: "Vom König". Später ließ man beide Jungen unter weiteren Drohungen frei.

24. April 2011

Libyen: Buchtipp - "Im Land der Männer" von Hisham Matar

Hisham Matar ist 1970 in New York geboren. Sein Vater war damals Mitglied der UN-Mission Libyens. 1973 zog sich sein Vater aus dem diplomatischen Dienst zurück. Gaddafi hatte die Verfassung Libyens suspendiert – seitdem hat Libyen keine geschriebene Verfassung mehr – und sich zum lebenslangen "Revolutionsführer" ernannt. 1979 musste die Familie nach Cairo fliehen. Matars Vater war zum Oppositionellen geworden. 1990 wurde er aus Cairo verschleppt, von ägyptischen Geheimdienstlern, die ihn den Libyern übergaben. 1993 hat die Familie einen Brief des Vaters aus dem berüchtigten Abu Salim-Gefängnis erhalten. Das war das letzte Lebenszeichen seines Vaters. Ob Matars Vater noch lebt, ist unbekannt. 1986 ging Matar nach London, wo er heute noch lebt. 2006 veröffentlichte Hisham Matar seinen Erstling "Im Land der Männer".

Das Buch ist keine Autobiographie, obgleich es autobiographisch geprägt ist. Erzählt wird die Geschichte aus der Sicht des neunjährigen Suleiman. Der Vater und die Mutter spielen dabei die Hauptrollen. Das Buch handelt von vielen Dingen, was es so reizvoll macht. Davon, dass der Junge seinen Vater vermisst, der ständig auf "Geschäftsreise" ist. Von der Mutter, die in einer erzwungene Ehe gefangen ist und doch ohne ihren Mann nicht kann. Von Poesie und wie sie auch missbraucht werden kann. Von Freundschaft und Verrat. Und natürlich von den politischen Zuständen in Libyen im Jahre 1979.

Angenehm auffallend ist, neben der Liebe zu Details und der poetischen Kraft des Buches, die schonungslose Offenheit, mit der "Suleiman" von seiner Kindheit berichtet. Es ist eben kein Heldenroman über tapfere Dissidenten in einem diktatorischen Regime. Aber so ist es nun mal, nicht jeder ist ein "Held". Und oft gibt es dafür gute, zumindest legitime Gründe. Wer nicht in einer Diktatur lebt, kann schließlich nicht sicher sagen, wie er oder sie sich in solchen extremen Situationen verhalten würde. Aber es sind die Umstände, die den Menschen dann entwürdigen. Auch davon handelt das Buch. Also: kaufen, sich schenken lassen und - lesen!

Hisham Matar, Im Land der Männer, btb Verlag 2008, 8,95 €

Siehe auch: Hisham Matar, Bis der Schmerz nachlässt, FAZ, 3. März 2011

Syrien: Ausnahmezustand weiterhin in Kraft. Über 100 Tote.

Unter der Woche hatte Präsident Assad den Ausnahmezustand de jure aufgehoben. Fast alle oppositionellen Stimmen aus Syrien wiesen daraufhin, dies sei unwichtig, solange de facto auf friedliche Demonstranten geschossen werde. Und am Freitag bewies das Regime, wie Recht sie hatten.
Präsident Assad hebt den Ausnahmezustand auf.
Die Karikatur erschien schon vor den Ereignissen am Freitag.
Über 100 Tote allein am Freitag ist die Schreckensbilanz des "Reformers" Assad. Wieder erhoben sich mehr Städte als zuvor, obwohl die Geheimdienst- und Militärpräsenz stärker war als die letzten Freitage. Darunter zwei zentrale Stadtteile von Damaskus, in denen zum ersten Mal Demonstrationen stattfanden. Am schlimmsten traf die tödliche Gewalt Homs mit 28 namentlich bekannten Toten und Izra mit 20; darunter ein zehnjähriger Junge. Die Zahl der Verletzten dürfte in die Hunderte gehen. In den Videos sind sehr häufig Kopfschüsse zu sehen. Zusammen mit den Berichten über Scharfschützen ist klar, dass hier das Töten die Absicht war. Zudem wurde mit automatischen Waffen in Menschenmengen geschossen.

Heute zeitweise gehackte Seite von Addounia TV (im Besitz von Rami Makhluf)
Grobe Aussage: "Wir werden diese Ungeheuerlichkeiten niemals vergessen!"
Bei den heutigen Trauerzügen für die Toten gestern kam wieder zu Toten. Mindestens fünf davon bei den Versammlungen in und bei Izra. Ein Reporter von Al Jazeera, der von Damaskus auf dem Weg nach Amman war, weil er des Landes verwiesen wurde, wurde Augenzeuge. Er schilderte wie wahllos in die Trauergemeinde, die Zehntausende umfasste, geschossen wurde. Aus Daraa, Sanamein, Suwaida und anderen Städten waren die Menschen in Bussen und Autos nach Izra gefahren, um ihre Solidarität mit der Stadt zu demonstrieren.
Aus Protest gegen das Morden durch das Regime sind heute zwei Abgeordnete des syrischen Parlaments zurückgetreten: Naser al-Hariri und Khalil al-Rifaei. Zudem trat der vom Staat eingesetzte Mufti Daraas, Rizk Abdulrahim Abazid, zurück. Er erklärte: "Alles, was wir fordern, sind unsere Rechte" und "Die Menschen werden vor unsere Augen getötet und wir können nichts tun". Ähnlich äußerten sich auch die beiden ehemaligen Abgeordneten.

So langsam nimmt auch die internationale Presse das Ausmaß dessen wahr, was in Syrien passiert. Darüber hinaus gab es jetzt z. B. eine Erklärung des Präsidenten der USA, in der die Gewalt des Assad-Regimes verurteilt wird. Vorher waren es nur Stellungnahmen eines Sprechers des Außenministeriums. Das ist schon ein Unterschied, welchen auch das syrische Regime wahrnimmt. Es fühlte sich nämlich bemüßigt, darauf zu antworten; es war das Übliche, was in solchen Fällen von Diktaturen erklärt wird: Es handele sich um die Einmischung in innere Angelegenheiten Syriens und die Stellungnahme sei "unverantwortlich." Gegenüber arabischen Fernsehstationen sollen Vertreter des Regimes buchstäblich mit Geschrei auf kritische Fragen reagieren. Einzig die iranischen Medien stützen Assad. Kein Wunder, ist Syrien doch der engste Verbündete der Mullahs und der Hizbollah im Libanon.

21. April 2011

Die Arabische Liga darf den Verbrechen des syrischen Regimes gegen das Volk keine Plattform bieten

Gemeinsame Presserklärung

Die 13 unterzeichnenden Menschenrechtsorganisationen sind tief besorgt über die Bemühungen einiger Mitgliedsstaaten der Arabischen Liga, Unterstützung für die Kandidatur der syrischen Regierung für einen der asiatischen Sitze im UN-Menschenrechtsausschuss zu sammeln.

Die unterzeichnenden Nichtregierungsorganisationen glauben, dass die syrische Regierung angesichts der bekannten Menschenrechtslage in Syrien nicht würdig ist, diesen Sitz im UN-Rechtsausschuss einzunehmen, wenn man internationale Standards anwendet. Aber die Unterstützung für diese Kandidatur ist nicht nur ein Angriff auf diese UN-Organisation und ihren Auftrag, sondern zeugt auch von einer ungeheuerlichen Missachtung der Gefühle und der Rechte des syrischen Volkes, welches die Schwelle der Angst überwunden hat und sich in einer Revolte in den meisten syrischen Provinzen erhoben hat. In den letzten Wochen haben 250 Syrer ihr Leben verloren und Tausende sind verletzt und verhaftet worden, nachdem sie es gewagt hatten, Freiheit und Menschenrechte zu fordern, und das brutale System des syrischen Polizeistaates herausgefordert haben.
  
Es gab die Hoffnung, der Wind des Wandels, der jetzt über die ganze arabische Region weht und der bisher die Regime zweier Polizeistaaten hinweggefegt hat, würde zu einer ernsten Revision der menschenrechtsfeindlichen Politik der Arabischen Liga Anlass geben, und dass die Arabische Liga aufhören würde, eine Schlüsselrolle bei der Unterstützung autoritärer Regime zu spielen. Die unterzeichnenden Nichtregierungsorganisationen glaubten, dass die entschiedene Haltung, die die Arabische Liga und ihr Generalsekretär gegenüber dem Massaker des libyschen Regime an seinem Volk einnahm, ein erster Schritt vorwärts zur Unterstützung der Rechte der Völker war. Allerdings ist es offensichtlich, dass zweierlei Maß und eine selektive Politik für die Haltung und den Diskurs der Arabischen Liga charakteristisch bleiben. Dies wird besonders klar an Bahrain und dem Jemen, wo die Liga wegsah und zum Komplizen brutaler Unterdrückung von friedlichen demokratischen Protesten wurde. Im Falle Syriens scheint die Arabische Liga das Regimes für seine Repression zu belohnen.

Die unterzeichnenden Nichtregierungsorganisationen fordern den Generalsekretär der Arabischen Liga auf, die Kandidatur Syriens öffentlich anzuprangern und die arabischen Staaten aufzurufen, die Unterstützung für die syrischen Kandidatur während der Wahl durch die UN-Generalversammlung im Mai aufzukündigen. Die unterzeichnenden Organisationen betonen, dass vor allen die tunesischen und ägyptischen Regierungen handeln sollten, um dieses Vorhaben zu verhindern. Angesichts der letzten Schritte, die diese Nationen unternommen haben, um sich von Unterdrückung zu befreien, fordern wir sie auf, die Initiative zu ergreifen und sich dafür einzusetzen, dass die Unterstützung und die Stärkung der Menschenrechte ein wichtiger Teil der Politik der Arabischen Liga wird, und für eine unzweifelhafte arabische Haltung zu den Menschenrechten zu sorgen, sowohl in der Arabischen Liga als auch in den UN-Menschenrechtsorganisationen.


1. Cairo Institute for Human Rights Studies
2. Algerian League for the Defense of Human Rights
3. Arab Foundation for Civil Society and Human Rights Support, Egypt
4. Arabic Network for Human Rights Information, Egypt
5. Bahrain Center for Human Rights
6. Damascus Center for Human Rights Studies
7. Egyptian Association for Community Participation Enhancement
8. Egyptian Initiative for Personal Rights
9. Haitham Maleh Foundation for the Defense of Syrian Human Rights Defenders
10. Human Rights First Society, Saudi Arabia
11. Iraqi Human Rights Organization in Denmark
12. Journalists for Human Rights - JHR , Sudan
13. Yemeni Organization for Defending Human Rights and Democratic Freedoms

20. April 2011

Bahrain: Zainab Alkhawaja beendet ihren Hungerstreik

In den letzten Tagen verschlechterte sich der Gesundheitszustand von Zainab Alkhawaja drastisch. Sie hatte Atemnot und einen rasenden Puls. Sie konnte nicht mehr ausgestreckt liegen und ihre Mutter musste ihr das Wasser in kleinen Schlucken mit dem Löffel verabreichen. Daraufhin besuchten sie Vertreter von Menschenrechtsorganisationen und versprachen für Zainabs Angehörige, alles zu tun, was in ihrer Macht stünde. Sie baten sie, den Hungerstreik zu beenden, insbesondere auch, weil Zainab nicht mehr sprechen konnte, und sie so buchstäblich nicht mehr die Stimme für ihre Angehörigen erheben konnte. Zudem bat Nabeel Rajab, der Präsident des Bahrian Zentrums für Menschenrechte, und der darüber hinaus ein enger Freund der Familie ist, sie ebenfalls den Hungerstreik abzubrechen. Aufgrund dieser Bitten und angesichts der Sorgen, die sich ihre Familienmitglieder um sie machten, beendete Zainab heute am zehnten Tag ihren Hungerstreik. Sie lässt ausrichten, dass sie sich für alle Unterstützung bedankt, und wird, sobald es ihre Kräfte wieder erlauben, den Unterstützern selber danken.

Später erhielt ihre Mutter vom Militär die Aufforderung, frische Wäsche für ihren Mann, Abdulhadi Alkhawja, zu bringen. Das war das erste indirekte Lebenszeichen. Danach rief Abdulhadi seine Tochter Zainab an. Er konnte kaum sprechen. Ihre Frage, wie es ihm gehe, beantwortete er mit, er stecke in "großem Unheil". Das war das erste Mal in Zainabs Leben, dass sie von ihm ein Wort der Klage hörte. Morgen schon soll er dem Militärgericht vorgeführt werden. Eine Anklage ist bis jetzt nicht bekannt. Ihr Ehemann hat seine Mutter angerufen und gesagt, er sei in Ordnung. Und für ihren Schwager soll die Familie ebenfalls frische Kleidung bringen.

So sieht es übrigens aus, wenn bahrainischen Sicherheitskräfte eine Hausdurchsuchung gemacht haben:

19. April 2011

Syrien: Homs im Generalstreik nach Räumung des Saa-Platzes

Letzte Nacht haben die Sicherheitskräfte die Besetzung des Saa-Platzes in Homs gewaltsam beendet. Den Protestierenden wurde ein Ultimatum gestellt, den Platz bis 2.30 Uhr zu räumen. Doch schon um 2.15 Uhr wurden die Verbliebenen mit Tränengas und Schusswaffen angegriffen. Es gab viele Verletzte und mindestens sechs Tote. Danach wurde der Platz abgesperrt und auf den Dächern um den Platz sollen sich Scharfschützen postiert haben.

Heute Morgen erging dann ein Aufruf von der zentralen Moschee, in den Generalstreik zu treten, um so den Widerstand gegen das Assad-Regime weiter deutlich zum Ausdruck bringen. Der Aufruf ist weitgehend befolgt worden. Augenzeugen beschreiben Homs zurzeit als "Geisterstadt", kein Geschäft, kaum ein Büro hat geöffnet. Der Ausstand soll drei Tage dauern.

In der heutigen Kabinettssitzung ist das Gesetz zur Aufhebung des Ausnahmezustandes verabschiedet worden. Gleichzeitig hat das Innenministerium ein Gesetz erarbeitet, das Demonstrationen erlaubt, aber anmeldepflichtig macht. Nur Stunden vorher hatte das gleiche Ministerium aber ein Verbot sämtlicher Demonstrationen erlassen und die Bürger aufgefordert, sämtlichen Versammlungen, "unter welchen Vorzeichen sie auch immer stattfinden", zu meiden. Mit den Realitäten in Syrien haben diese ganzen Maßnahmen wenig zu tun. Ein Volk, auf das geschossen wird, weiß längst, das seine Proteste höchst unerwünscht sind. Dafür bedarf es dann keiner Verbote mehr. Was sagte Bashar Assad in seiner letzten Rede: "Es besteht eine Kluft zwischen der Regierung und dem Volk"? Wie wahr. Und mit Gesetzen lässt sich diese Kluft schon nicht mehr beseitigen.

18. April 2011

Syrien: Daraa, Duma, Latakia, Banyas, Homs - Städte im Aufruhr

Am Freitag hielten sich die Sicherheitskräfte des Regimes zurück - für die syrischen Verhältnisse der letzten Wochen. Am Sonnabend gab es kaum Proteste, viele warteten wohl auf die angekündigte zweite Rede al-Assads seit Beginn der Unruhen. Diese enttäuschte auf der ganze Linie. So begingen die Menschen den gestrigen Unabhängigkeitstag auf ihre Weise: Sie demonstrierten erneut im ganzen Land. Dabei zeigte das Regime wieder sein wahres Gesicht. Es kam u. a. in Latakia zu etwa 20 Toten, in Homs zu etwa 30. Genaue Zahle gibt es nicht, weil die Schergen des Regimes neben den Verletzten auch die Toten(!) aus den Krankenhäusern verschleppt haben. Was die Menschen besonders empört, ist, dass mittlerweile immer häufiger nicht nur auf Demonstranten, sondern wirklich wahllos auf Menschen geschossen wird, nur weil sie im "falschen" Stadtteil bzw. der "falschen" (Vor-)Stadt wohnen. Nämlich jenen, die sich durch Proteste besonders hervorgetan haben.

Die Trauerdemonstrationen in Homs heute hatten einen riesigen Zulauf. Man spricht von 100 -150.000 Teilnehmern. Hauptparole: "Das Volk verlangt den Sturz des Regimes!" Nach all den Toten und den leeren Versprechungen geben sich viele Menschen mit nichts weniger zufrieden. Einheiten der vierten Panzerbrigade sollen seit gestern um die Stadt postiert worden sein. Angesicht der Massen, die heute auf die Straße gingen, trauten sie sich aber nicht, einzugreifen. Als ein Ultimatum an die Trauernden ging, sie sollten den Protest in 30 Minuten beenden, sonst würden Maßnahmen ergriffen, wurde dies von anwesenden religiösen Führern zurückgewiesen. Mittlerweile haben die Demonstranten auf dem Saa-Platz in Homs ein Zeltlager errichtet. Dieses soll mindestens drei Tage bestehen bleiben. Andere wollen dort ausharren, bis das Regime gestürzt ist. Der Zugang zum Zeltlager ist von Protestierenden abgeriegelt. Leute erhalten nur Zutritt, wenn sie ihren Ausweis vorzeigen. Man will dadurch verhindern, dass sich Angehörige der staatlichen Sicherheitsorgane einschleichen. Viele Menschen gingen nach Hause, um ihren Ausweis zu holen.

Daraa ist seit Wochen immer wieder komplett im Aufstand, in Duma sind die Ereignisse vom 1, April noch nicht vergessen, in Latakia kommt es fast täglich zu Protesten mit Toten und in Banyas sind ganze Stadtteile von Anwohnern blockiert, um Verhaftungen zu verhindern. Und nun noch Homs im Aufstand. So langsam verliert das Regime eine Stadt nach der anderen. Um nicht missverstanden zu werden, es ist noch ein weiter Weg bis zum Sturz des Regimes, aber die Bedrohung wird immer ernster.

Und immer noch reden die Sprecher der syrischen Regierung von "Saboteuren" und behaupten, Waffenlieferungen aus dem Ausland abgefangen zu haben. Der Chefredakteur einer großen Zeitung verstieg sich im Fernsehen sogar zu der Aussage, eine "bewaffnete Bande" haben das ganze Land übernommen. Den Assad/Makhluf-Clan wird er kaum gemeint haben. Aber eben diese Bande wollen in Syrien immer mehr Menschen loswerden, inzwischen fast ganze Städte, und deren Zahl nimmt stetig zu.

Bahrain: Die USA schweigen, Waffen-Deal mit Saudi-Arabien

In einem Interview mit "Democracy Now!" beschreibt das Human Rights Watch-Mitglied Faraz Sanei Bahrain als ein Land, das zum sich zum Polizeistaat entwickelt. Fast jede Nacht – die meist maskierten Bewaffneten kommen fast ausschließlich nachts – werden Menschen festgenommen, deren einziges Verbrechen darin bestand, sich an den Protesten gegen das herrschende Königshaus beteiligt zu haben. Auch wer nur mit ausländischen Medien gesprochen hat, wird zum Ziel der staatlichen Repression. Zudem werden Anklagen vor Militärtribunalen vorbereitet – gegen Zivilisten wohlgemerkt. So weit bekannt, sollen diese Prozesse nicht öffentlich und ohne Verteidiger über die Bühne gehen.

Und während z. B. der britische Botschafter immerhin öffentlich seine "Besorgnis" über die vier in Haft Getöteten zum Ausdruck bringt, schweigen die USA angesichts der diktatorischen Zustände in Bahrain. Neben der Tatsache, dass Bahrain die Fünfte US-Flotte beherbergt, spielen hier auch die Interessen Saudi-Arabiens eine große Rolle. Das Land stellt den wichtigsten Teil der GCC-Truppen, die in Bahrain einmarschiert sind und die Niederschlagung der Opposition absicherten. Es ist erklärte Politik der Saudis, in Bahrain keine allzu großen Zugeständnisse an die schiitische Bevölkerungsmehrheit sehen zu wollen, denn sie haben eine schiitische Minderheit im eigenen Land, die auch ihre Rechte einfordert. In den nächsten Wochen oder Monaten soll das größte Waffengeschäft in der Geschichte der USA mit Saudi-Arabien unterzeichnet werden. Wert: 60 Milliarden Dollar!

Gleichzeitig rüsten bahrainische Regierungspolitiker sprachlich auf. So erklärte der Premierminister Khalifa al-Khalifa, die Proteste der Opposition seien nicht weniger als ein Putschversuch gewesen. Und man werde alle Mitverschwörer und Helfershelfer haftbar machen. Und der Außenminister Khaled al-Khalifa sekundierte, die GCC-Truppen würden solange bleiben, bis die Bedrohung Bahrains durch den Iran nicht mehr bestehe. (Dass beide Amtsinhaber al-Khalifa heißen, ist kein Zufall. Dreimal darf geraten werden, wie der König von Bahrain heißt: richtig, al-Khalifa, Hamad al-Khalifa) Die Anschuldigungen, der Iran stecke hinter den Protesten, harren bisher eines jeden konkreten Beweises. Außer großmäuligen Erklärungen der Mullahs in Teheran, die sich gerne als Schutz- und Führungsmacht aller Schiiten gerieren, gibt es nichts. Die Opposition Bahrains hat stets erklärt, keinerlei Beziehungen und Loyalitäten zum Iran zu haben.

Zainab Alkhawaja ist nun seit einer Woche im Hungerstreik. Sie ist weiterhin schwach und liegt die meiste Zeit. Von ihrem Vater, ihrem Mann und ihrem Schwager hat sie immer noch nichts gehört. Einzig von ihrem Onkel gibt es ein indirektes Lebenszeichen. Seine Frau wurde angerufen und aufgefordert, Wäsche für ihren Mann zu einer Haftanstalt zu bringen. Sehen durfte sie ihn nicht. Was wiederum Anlass zur Sorge gibt, er könnte gefoltert worden sein.

17. April 2011

Bahrain: Zainab Alkhawaja kurz im Krankenhaus

Zainab Alkhawaja war heute auf Drängen ihrer Angehörigen kurz im Krankenhaus. Sie ist im sechsten Tag Ihres Hungerstreiks. Die Angestellten im Krankenhaus empfahlen eine Infusion, doch teilten gleichzeitig mit, dass sie die Behandlung einer Oppositionellen wegen ihrer politischen Tätigkeit dem Innenministerium melden müssten, um sich nicht strafbar zu machen. Daraufhin entschied sich Zainab, ohne sich behandeln zu lassen wieder nach Hause zu fahren.

Die Kriminalisierung der ärztlichen Schweigepflicht ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Dadurch werden Menschen, die dringend ärztlicher Hilfe brauchen, davon abgehalten, sie in Anspruch zu nehmen. Zudem wurde bekannt, dass dem Rechtsanwalt Mohammed al-Tajer bei seiner Festnahme die Büroschlüssel abgenommen wurden. Es besteht der dringende Verdacht, dass die bahrainischen Behörden das Büro durchsuchen und so die Schweigepflicht des Verteidigers aushebeln.

Während Oppositionelle angeklagt werden, "Hass zu verbreiten", weil sie Fotos von Folteropfern veröffentlichen, können Hardliner, die die Regierung unterstützen, Plakate aufstellen, die die Todesstrafe für "Anarchisten" fordern – mit einem Strick daneben.

Syrien: Zu wenig und zu spät, Proteste gehen weiter

Am Freitag gingen noch mal mehr Menschen auf die Straßen als je zuvor. Insgesamt mögen es eine Million gewesen sein, so unabhängige Beobachter. Die Parolen bezogen sich u. a. auf die Ereignisse der Woche in Banyas und Baida. Die Menschen wissen also sehr wohl, was im Lande vorgeht. Zweierlei war an diesem Freitag bemerkenswert. Einerseits gab es offensichtlich den koordinierten Versuch, in mehreren Demonstrationszügen aus den Vorstädte und Randbezirken Damaskus' auf den Abbasiden-Platz zu gelangen. So erlebte Damaskus die größte Demonstration seit Beginn der Proteste. Die Zahlen berichten von 20 bis 60.000 Teilnehmern. Andererseits hielten sich die Sicherheitskräfte relativ zurück. Sie versuchten im Wesentlichen die Kundgebungen mit Schlagstöcken, Tränengas und Wasserwerfern aufzulösen. Trotzdem kam es auch wieder zu Schüssen und Toten. Diesmal waren es aber nicht Dutzende, sondern wohl weniger als zehn. Schlimm genug, aber alle Beobachter sahen deutlich, dass hier eine Gewaltstufe herunter geschaltet wurde. Vielleicht, weil sich die Erkenntnis durchsetzt, dass die reine Repression die Proteste nicht gestoppt, sondern im Gegenteil nur angefacht hat.

Am Sonnabend hielt Bashar al-Assad eine weitere Rede, die im staatlichen Fernsehen übertragen wurde. Diesmal nicht vor dem Parlament, sondern in einer Kabinettssitzung an die neu gebildete Regierung. Also wieder keine, die sich direkt an das Volk wendet; was sehr wohl wahrgenommen wird. Sie war im Ton moderater, aber enthielt nichts konkretes, außer der Ankündigung, die Gesetze, die den Ausnahmezustand aufheben sollen, nächste Woche auf den Weg zu bringen. Ansonsten nur vage Reformversprechen und wieder keine Entschuldigung für die vielen Toten. Und es gäbe nun keinerlei Grund mehr für irgendwelche Proteste. Ende der Durchsage.
 
Parole in Banyas vor improvisierter Straßensperre, 17.04.2011
Im Hintergund sind ausgebrannte Autos quer zur Straße zu sehen.
Wieder eine Rede eines Diktators von der man sagen kann: Zu wenig, zu spät. So sahen und sehen es auch die Menschen in Syrien. Gestern und heute kam es erneut zu Protesten. - Erwähnenswert ist, dass heute in Syrien Nationalfeiertag ist, und das Regime erstmals nicht zu Demonstrationen aufrief. - Und wieder werden die Mobilfunknetze und das Internet an den Brennpunkten der Proteste gesperrt und Demonstrationen attackiert.

16. April 2011

Bahrain: Weitere Verhaftungen und mehr Hungerstreiks

Gestern Nacht wurde der Rechtsanwalt und Menschenrechtler Mohammed al-Tajer in seinem Haus verhaftet. Auch er wurde an einen unbekannten Ort verschleppt. Zudem wurden zwei Ärzte verhaftet. Es sind nicht die ersten Ärzte, die Repressionen ausgesetzt sind. Es scheint, als wollten die bahrainischen Behörden in ihrem Bemühen, die Opposition niederzuschlagen, ihr medizinischen und rechtlichen Schutz entziehen. 
Um den 5. April wurde Dr. Khulood Al Sayyad verhaftet. Sie verschwand einfach. Nur zufällig wurde bekannt, dass sie verhaftet wurde. Wie üblich, wurden weder Verwandten noch sonst jemand von den Behörden informiert. Auch wird den Verhafteten keinerlei Kontakt zur Außenwelt gestattet, so dass sie auch keinen Anwalt informieren können. Mohammed Al Daaysi (Twitter-Account: @MDaaysi), ein Cousin von Dr. Al Sayyad, ist seit dem 11. April ebenfalls im Hungerstreik, wie Zainab Alkhawaja. Er fordertet die Freilassung seiner Cousine.

Für den 18. April ist der Beginn eines nationalen Hungerstreiks geplant. Zentrale Forderung ist die Freilassung aller politischen Gefangenen. Momentan sind ca. 600 Menschen in Bahrain aus politischen Gründen inhaftiert.

Am heutigen Abend soll nach Trauerdemonstrationen in mehreren Dörfern Sicherheitskräfte die Demonstranten angegriffen haben.

15. April 2011

Bahrain: Zainab Alkhawaja seit 4 Tagen im Hungerstreik

Zainab Alkhawaja ist nun seit mehr als 4 Tagen im Hungerstreik. Sie kann ihr Kind nicht mehr stillen, fühlt sich schwach und ihr ist schwindelig. Zudem hat sie Schmerzen. Diese sollen am Kalziummangel liegen, sagt sie. Falls sie ärztliche Hilfe benötigen wird, wird sie sich an "Ärzte ohne Grenzen" wenden, da Oppositionelle selbst in Krankenhäusern staatlicher Repression und Misshandlung seitens der Sicherheitskräfte ausgesetzt sind.
Bild von einer Kundgebung vor dem Weißen Haus.
Das Gesicht ist der Avatar von Zainabs Twitter-Account @angryarabiya

14. April 2011

Bahrain: Wefaq-Partei vor dem Verbot

Das Justizministerium von Bahrain prüft ein Verbot der Wefaq-Partei. Ihre Aktivitäten schadeten dem sozialen Frieden, der Einheit des Landes und stachelten zur "Missachtung der Verfassungsorgane" an. Die Wefaq-Partei ist die größte Partei des Landes und die mit Abstand bedeutendste der überwiegend schiitischen Opposition.

Ibrahim Mattar, ein ehemaliges Parlamentsmitglied der Wefaq-Partei, kommentierte die Ankündigung des Justizministeriums mit den Worten: "Es ist nun soweit, dass Sie sagen, es gäbe keine Moderaten mehr, dass die gesamte Opposition extremistisch sei." Das wäre die falsche Botschaft. Die Falken in der Regierung hätten nie gewollt, dass die Wefaq-Partei an den Wahlen teilnahm und Parlamentssitze erringen konnte. Die Partei habe sich immer an die Gesetze und Regeln des Landes gehalten und stehe weiterhin für eine politische Lösung, so Mattar.

Nach dem Einmarsch der saudischen Truppen und der Verhängung des Ausnahmezustandes Mitte März hat die Opposition den Dialog mit der Regierung abgebrochen. Sie fordert vor einer Wiederaufnahme des nationalen Dialoges den Abzug der fremden Truppen, die Aufhebung des Ausnahmezustandes und die Freilassung der politischen Gefangenen.

Zainab Alkhawaja ist nun seit drei Tagen im Hungerstreik. Sie fordert weiterhin die Freilassung ihres Vaters, ihres Ehemanns, ihres Onkels und ihres Schwagers.

13. April 2011

Bahrain: Wieder ein Mensch in Haft getötet

Heute wurde der Familie von Karim Fakhrawi der Leichnam ihres Angehörigen übergeben. Die Behörden machten keine Angaben zur Todesursache. Ihnen wurde aber verboten, sich mehr als den Kopf anzusehen und oder gar zu fotografieren. Trotzdem öffneten sie den Sarg und fanden, was zu befürchten war: Folterspuren am ganzen Körper. Fakhrawi ist damit der vierte Inhaftierte, der innerhalb der letzten zehn Tage starb.

Fakhrawi war Mitglied der größten Oppostionspartei Wefaq und Mitgründer der Zeitung "Al-Wasat". Vor einer Woche suchte er eine Polizeistation auf, weil er sich über die Verwüstung seines Hauses durch Polizisten beschweren wollte. Von dort ist er nicht mehr nach Hause zurückgekehrt. Obwohl er Mitglied der Leitung von "Al-Wasat" war, kann die Zeitung nicht über den Tod ihres Gründers berichten, denn die bahrainische Informationsbehörde würde dies nicht erlauben.

Zainab Alkhawaja ist nun seit über 48 Stunden im Hungerstreik. Sie fühlt sich körperlich schwach und ihr ist gelegentlich schwindelig, aber innerlich fühlt sie sich stark. Eine ihrer Schwestern, die Krankenschwester ist, kümmert sich um sie. Eine andere Schwester Zainabs konnte auf dem US Islamic World Forum Außenministerin Clinton direkt auf den Fall ansprechen.

Syrien: Ganze Dörfer werden überfallen

Festgenomme werden von Geheimdienstlern und Soldaten bewacht
Nachdem sie an Protesten in Banyas teilgenommen haben, sind am Dienstag zwei Dörfer in der Nähe der Stadt von Truppen des Regimes überfallen worden. Armee und bewaffnete Geheimdienstler haben die Dörfer Bayda und Beit Jnad angegriffen und dabei um sich geschossen. Es soll zu zwei Toten gekommen sein. So wie es aussieht haben sie alle männlichen Bewohner unter 60, derer sie habhaft werden konnten, festgenommen, darunter auch Minderjährige. In Bayda wurden die Männer auf dem Dorfplatz zusammengetrieben, gefesselt und geschlagen. Danach wurden sie verschleppt. Mindestens 200, vielleicht aber auch bis zu 800(!) Personen sollen verhaftet worden sein. Heute haben tausende Frauen und Kinder der Männer bei einem Marsch auf der Straße von Bayda nach Banyas die Freilassung ihrer Angehörigen gefordert.

12. April 2011

Bahrain: Die Unterdrückung der Menschenrechtsaktivisten hält an

Unter diesem Titel fordern 19 Menschenrechtsorganisationen die Suspendierung der Mitgliedschaft Bahrains im UN-Menschenrechtsrat und die Einstellung aller Repressionen gegen Menschenrechtsaktivisten. Konkret wird die sofortige Freilassung von Abdulhadi AlKhawaja und die Einstellung der Anklage gegen Nabeel Rajad gefordert.

Gemeinsame Presseerklärung

Die 19 unterzeichnenden Menschenrechtsorganisationen verurteilen das Vorgehen der Behörden gegen die Menschrechtler Abdulhadi AlKhawaja und Nabeel Rajab in Bahrain auf das schärfste. Wir sind ernsthaft um die Sicherheit und Gesundheit beider Menschrechtsaktivisten besorgt, die wegen ihrer Arbeit verfolgt werden.

Am 9. April 2011, wurde der ehemalige Koordinator von Front Line Defenders und ehemalige Präsident des Bahrain Zentrum für Menschenrechte von maskierten Polizisten im Haus seiner Tochter in Manama festgenommen. Die Polizei hatte AlKhawaja schon Stunden vorher gesucht, um ihn festzunehmen. Im Zuge dessen wurde sein Haus und das seines Cousins, Habib Alhalwachi, den sie ebenfalls festnahmen und später freiließen, durchsucht

Nach den Aussagen seiner ältesten Tochter wurde AlKhawaja angegriffen, brutal zusammengeschlagen bis er das Bewusstsein verlor, und dann festgenommen und an einen unbekannten Ort gebracht, zusammen mit zwei seiner Schwiegersöhne, Wafi Almajid und Hussein Ahmed. AlKhawajas dritter Schwiegersohn, Mohamed Almaskati, Präsident der Bahrain Jugendgesellschaft für Menschenrechte, wurde, nachdem auch er schwer geschlagen wurde, zurückgelassen; zusammen mit AlKhwayas ältester Tochter, die versucht hatte einzugreifen, um ihren Vater zu schützen.

Der Aufenthaltsort von AlKhawaja und seiner beiden Schwiegersöhne bleibt unbekannt. Es gibt die ernste Sorge um seine Gesundheit, weil er in großer Gefahr ist, in der Haft weiter misshandelt und gefoltert zu werden. Darüber hinaus wurde er daran gehindert, seine Medikamente mitzunehmen, auch dies verstärkt die Sorge um seine Gesundheit.

Der Außenminister hat über seinen Twitter-Account mitgeteilt, dass AlKhawaja verhaftet wurde und angeklagt werden wird. Er fügte hinzu: "Er (AlKhawaja) ist kein Reformer…er rief zum Sturz der legitimen Regierung auf." Die unterzeichnenden Organisationen merken dazu an, dass solche Formulierungen üblicherweise von den Behörden benutzt werden, um Aktivisten in Bahrain einzuschüchtern, und oft um erfundene Anklagen nach den Gesetzen des Ausnahmezustandes und nach anderen Sondergesetzen gegen sie wegen ihrer Arbeit zu erheben.

Die unterzeichnenden Organisationen sind ebenso um die Sicherheit und die Gesundheit von Rajab, Präsident des Bahrain Zentrums für Menschenrechte, besorgt. Er steht in großer Gefahr, verhaftet zu werden. Am 10. April gab das Innenministerium auf seiner Website bekannt, dass Rajab bei der Öffentlichen Militärstaatsanwaltschaft angezeigt wurde, weil er manipulierte Bilder von Ali Issa Saqr, der am 9. April in Haft starb, veröffentlicht habe. Rajab hatte die offizielle Stellungnahme zur Todesursache angezweifelt und vermutet, dass Saqr infolge von Folter im Gefängnis starb.

Vor einem Monat wurde Rajab kurz festgenommen und schwer geschlagen, bevor er ein paar Stunden später freigelassen wurde, ohne dass ihm ein Grund für seine Festnahme mitgeteilt wurde.

Die Drangsalierungen, denen AlKhawaja und Rajab ausgesetzt sind, sind Teil der andauernden Unterdrückung der oppositionellen Stimmen und der Menschrechtsaktivisten. Diese ist seit dem Beginn der breiten demokratischen Proteste in März eskaliert.  Menschrechtsorganisationen schätzen, dass über 600 Menschen (darunter Menschrechtler und politische Gegner des Regimes) in bahrainischen Gefängnissen der hohen Gefahr von Misshandlungen und Folter ausgesetzt sind. Besonders alarmierend ist, dass Folter fast systematisch und seit dem letzten Jahr zunehmend gegen Aktivisten angewendet wird.

Die unterzeichnenden Organisationen fordern die Regierung von Bahrain auf, die Unterdrückung von Menschenrechtsaktivisten und politischen Gegnern sofort zu beenden. Weiterhin machen wir die Behörden für jedes Leid, das ihnen zugefügt wird, verantwortlich und fordern, dass AlKhawaja unverzüglich freigelassen und die Bedrohung von Rajab bendet wird.

In diesem Zusammenhang sind wir fest davon überzeugt, dass Bahrains Mitgliedschaft im UN-Menschenrechtsrat suspendiert werden sollte. Angesichts der ausgedehnten und systematischen Menschenrechtsverletzungen durch die Regierung von Bahrain glauben wir, dass sonst die Glaubwürdigkeit und die Wirkung des Rates beschädigt werden.

Darüber hinaus betonen die unterzeichnenden Organisationen, dass die Fortsetzung der despotischen Kampagne gegen Menschenrechtler und politische Gruppen, die grundlegende politische Reformen fordern, die Komplizenschaft und den mangelnden politischen Willen der internationalen Akteure, insbesondere der USA und der EU, widerspiegelt. Diese Akteure verfolgen weiterhin vornehmlich die Sicherung ihrer strategischen Interessen in der Golfregion, indem sie die politische Stabilität der repressiven Regime stärken, die demokratischen Sehnsüchte der Menschen ignorieren und zu den massiven und systematischen Menschrechtsverletzungen in dieser Region der Welt hartnäckig schweigen.

1. Cairo Institute for Human Rights Studies
2. Arab Organization for Human Rights - Syria
3. Arabic Network for Human Rights Information, Egypt
4. Bahrain Center for Human Rights
5. Bahrain Youth Society foe Human Rights
6. Center for Trade Unions and Worker’s Services, Egypt
7. Committees for the Defense of Democracy Freedom and Human Rights, Syria
8. Damascus Center for Human Rights Studies
9. Egyptian Association for Community Participation Enhancement
10. Hisham Mubarak Law Center, Egypt
11. Human Rights First Society, Saudi Arabia
12. Human Rights Organization in Syria – MAF
13. Iraqi Human Right Association in Denmark
14. Kurdish Committee for Human Rights in Syria al-Rased
15. Kurdish organization for the defense of human rights and public freedoms in Syria – DAD
16. National Organization for Human Right in Syria
17. New Woman Research Center, Egypt
18. The Egyptian Imitative for Personal Rights
19. Yemeni Organization for Defending Rights and Democratic Freedoms

11. April 2011

Bahrain: Zainab Alkhawaja im Hungerstreik

Um 18.00 Uhr Ortszeit hat Zainab Alkhawaja aus Bahrain einen Hungerstreik begonnen. Vor drei Wochen wurde ihr Onkel von den Behörden des Landes verhaftet. In der Nacht zum Sonnabend wurden nun auch noch ihr Vater, ihr Ehemann und ihr Schwager verhaftet (siehe auch den Blogeintrag vorher). In einem Offenen Brief an Präsident Obama (siehe unten) erklärt sie die Gründe für den Hungerstreik und schildert die Ereignisse.

Abdulhadi Alkhawaja (Vater), Salah Alkhawaja (Onkel)
Hussein Ahmed (Schwager), Wafi Almajed (Ehemann)
Online-Petiton: http://www.petitiononline.com/maryam11/petition.html
Appell von Human Rights Watch: http://www.hrw.org/en/news/2011/04/09/bahrain-free-prominent-opposition-activist
Appell von Physicans for Human Rights: http://physiciansforhumanrights.org/library/news-2011-04-09.html
Zainab Alkhawajas Blog: http://angryarabiya.blogspot.com/
Bahrain Center for Human Rights: http://www.bahrainrights.org/en


Offener Brief an Präsident Obama

Herr Präsident,

ich schreibe Ihnen aus Bahrain, nachdem ich so eine abscheuliche Ungerechtigkeit erlebt habe, wie ich es niemanden auf dieser Welt wünsche. Sicherheitskräfte haben mein Zuhause angegriffen, die Türen mit Vorschlaghämmern eingeschlagen und meine Familie in Panik versetzt. Ohne jede Vorwarnung, ohne einen Haftbefehl und ohne Angaben von Gründen griffen maskierte und bewaffnete Männer meinen Vater an. Obwohl sie nichts sagten, wissen wir alle, dass das "Verbrechen" meines Vaters darin besteht, ein Menschrechtsaktivist zu sein. Mein Vater wurde am Genick gepackt, die Treppen herunter gezerrt und dann vor meinen Augen bewusstlos geschlagen. Er erhob nicht eine Hand, um Widerstand zu leisten, und die einzigen Worte, die er sagte, waren: "Ich kriege keine Luft!" Auch als er schon bewusstlos war, schlugen und traten sie ihn weiter, währenddessen beschimpften sie ihn und sagten, sie würden ihn umbringen. Das ist eine sehr ernste Drohung angesichts dessen, dass in den letzten zwei Wochen allein drei politische Gefangene in Haft gestorben sind. Die Spezialkräfte schlugen und verhafteten auch meinen Ehemann und mein Schwager.

Seit ihrer Festnahme vor drei Tagen haben wir nichts von ihnen gehört. Wir wissen nicht, wo sie sind, und ob sie nun unversehrt sind oder nicht. Vielmehr haben wir immer noch keine Nachrichten von meinem Onkel, der vor drei Wochen verhaftet wurde, als Soldaten Waffen auf Köpfe seiner Kinder richteten und seine Frau schwer schlugen.

Ich habe während meines Studiums in Amerika gesehen, wie sehr ihr Volk an Freiheit und Demokratie glaubt. Auch in diesen schreckliche Zeiten befinden sich unter den Menschen, die mich unterstützen, Amerikaner, die niemals dachten, dass ihre Regierung Diktatoren beisteht und gegen freiheitsliebende Menschen handelt. Dem amerikanischen Volk sende ich meine Liebe und meinen Dank.

Ich habe mich entschlossen, Ihnen und nicht meiner eigenen Regierung zu schreiben, weil das Alkhalifa-Regime bereits bewiesen hat, dass es sich um unsere Rechte und unsere Leben nicht kümmert.

Als Sie den Amtseid des Präsidenten der Vereinigten Staaten schworen, hatte ich große Hoffnungen. Ich dachte: Das ist eine Person, die niemals Präsident geworden wären, wenn sie nicht für den Kampf der Afro-Amerikaner für Bürgerrechte gewesen wäre; er wird unseren Kampf für Freiheit verstehen. Bedauerlicherweise sind meine Hoffnung bisher erschüttert worden. Vielleicht habe ich es missverstanden. Was meinten sie, Herr Präsident? YES WE CAN…Diktatoren unterstützen? YES WE CAN…helfen, demokratische Kräfte zu unterdrücken? YES WE CAN…wegsehen wie ein Volk leidet?

Unsere wunderschönen Erinnerungen sind durch schreckliche verdrängt worden. Auf unserer Treppe sind noch die Blutspuren meines Vaters. Ich sitze in meinem Wohnzimmer und kann sehen, wo mein Vater und mein Ehemann mit dem Gesicht nach untern zu Boden geworfen und geschlagen wurden. Ich sehe die Schuhe an der Tür und erinnere mich daran, dass sie barfuß abgeführt wurden. Als Tochter und Ehefrau weigere ich mich, zu schweigen, während mein Vater und mein Ehemann möglicherweise in bahrainischen Gefängnissen gefoltert werden. Als Mutter einer einjährigen Tochter, die ihren Vater und Großvater wieder haben will, muss ich standhaft sein. Ich werde nicht hilflos zusehen. Um 18.00 Uhr bahrainischer Zeit werde ich einen Hungerstreik beginnen. Ich fordere die sofortige Freilassung meiner Familienmitglieder. Mein Vater: Abdulhadi Alkhawaja. Mein Ehemann: Wafi Almajed. Mein Schwagers: Hussein Ahmed. Mein Onkel: Salah Alkhawaja.

Ich schreibe ihnen diesen Brief für den Fall, dass meinem Vater, meinem Ehemann, meinem Onkel, meinem Schwager oder mir etwas passiert, ich halte sie für genauso verantwortlich wie das Alkhalifa-Regime. Ihre Unterstützung dieser Monarchie macht ihre Regierung zu einem Komplizen. Ich habe weiterhin die Hoffnung, dass sie begreifen werden, dass Freiheit und Menschenrechte dieselbe Bedeutung für eine Bahraini haben wir für einen Amerikaner, Syrer oder Libyer, und dass politisches Kalkül nicht vor Freiheit und Menschenrechten stehen sollten. 

Ich fordere sie auf, in die Augen Ihrer wundervollen Töchter zu schauen, und sich zu überlegen, was sie persönlich opfern würden, damit sie nachts sicher schlafen können, damit sie mit mehr mit Hoffnung als mit Kummer und Furcht aufwachsen können und damit sie ihren Vater und Großvater haben, um deren Umarmung zu suchen, wenn sie Schmerzen haben oder Hilfe brauchen. Letzte Nacht klopfte meine einjährige Tochter an unser Schlafzimmer und fragte nach ihrem Vater, das war das erste Wort, das sie gelernt hat. Es brach mir das Herz. Wie würden Sie einer Einjährigen erklären, dass ihr Vater im Gefängnis ist? Ich muss meiner Tochter auch noch morgen, nächste Woche und die Jahre, die noch kommen, in die Augen schauen und ihr sagen können, dass ich alles getan habe, um ihre Familie und ihre Zukunft zu schützen.

Um meiner Tochter willen, für ihre Zukunft, für das Leben meines Vaters, für das Leben meines Ehemannes, um meine Familie wieder zu vereinen, werde ich meinen Hungerstreik beginnen.

Zainab Alkhawaja, 11. April 2011

10. April 2011

Bahrain: Sichelzellenanämie, Manipulationen und Verhaftungen

In Bahrain sind am Sonnabend zwei Menschen in der Haft umgekommen. Das teilte das Innenministerium des Golfstaates mit. Ali Isa Saqer, 31 Jahre alt und des Mordes an einem Polizeibeamten beschuldigt, soll Beamte angegriffen haben und es sei die Anwendung von Gewalt notwendig gewesen. Warum er gleich dabei starb, teilte das Ministerium nicht mit, ebenso wenig wie die näheren Umstände. Unabhängig davon sei Zakria Rashid al-Asherri, 40, tot in seiner Zelle aufgefunden worden. Al-Asherri war Betreiber einer Website und war am 2. April wegen "Aufstachelung zum Hass" und "Aufruf zum Umsturz" inhaftiert worden. Die Autopsie der Leiche hätte als Todesursache Sichelzellenanämie ergeben. Das ist schon der zweite Fall, in dem die Polizei von Bahrain diese Krankheit als Todesursache angab. Am 3. April verstarb Hassan Jassim Maki, 39, laut den Behörden ebenfalls an Sichelzellenanämie. Angehörige und Bekannte der beiden vermuten eher Folter und mangelnde medizinische Versorgung als Todesursache.

Der ehemalige Chef-Redakteur von "Al-Wasat" beschuldigt die bahrainischen Behörden, der Zeitung falsche Meldungen untergeschoben zu haben, um die Leitung der Zeitung dann wegen dieser falschen Meldungen zum Rücktritt zu zwingen. Gleichzeitig teilte er mit, die beidem irakischen Mitarbeiter, die in ihr Heimatland abgeschoben wurden, seien von den bahrainischen Behörden einem Expressungsversuch ausgesetzt gewesen. Man drohte ihnen mit der sofortigen Deportierung, wenn sie nicht bezeugen würden, dass die Zeitung bewusst falsche Meldungen in Umlauf gebracht hätte. Als sie sich weigerten, wurden sie und ihre Familien sofort außer Landes gebracht, ohne dass sie noch etwas zusammenpacken oder gar noch Dinge regeln konnten.

Währenddessen geht die Verhaftungswelle in Bahrain weiter. Ein drastisches und gut dokumentiertes Beispiel ist das von Abdulhadi Al-Khawaja. Er wurde in der Nacht zum Sonnabend gegen 2.00 Uhr morgens von vermummten und bewaffneten Männern in schwarzen Uniformen regelrecht überfallen. Sie traten die Türen ein und schlugen Al-Khawaja blutig und bewusstlos, obwohl er sich nicht wehrte. Al-Khawaja war Gründer und langjähriger Vorsitzender des Bahrain Zentrum für Menschenrechte. Später war er Berichterstatter für Human Rights Watch und andere Menschenrechtsorganisationen. Seine organisierte Arbeit hatte er letztes Jahr nach Schikanen und Drohungen durch die Behörden aufgegeben. Bei Kundgebungen der Opposition dieses Jahres hatte er in Reden den bahrainischen Staat des Mordes und der Folter beschuldigt, und Ermittlungen und Anklagen bezüglich dieser Fälle gefordert. Ebenso wie eine effektive Bekämpfung der Korruption. Zusammen mit ihm wurde sein Schwiegersohn und dessen Bruder verhaftet. Auch sie sind in der Opposition aktiv gewesen. Vor drei Wochen war schon Abdulhadias Bruder Salah Al-Khawaja verhaftet worden, ohne dass die Familie seitdem seinen Aufenthaltsort oder die Anklage kennt. Die Verhaftung Abdulhadi Al-Khawajas, dem kein Haftbefehl vorgelegt oder eine Anklage mitgeteilt wurde, geschah vor den Augen seiner Tochter Zeinab. Eine halbe Stunde später dokumentierte sie auf twitter die Ereignisse. Hier der Link dazu: http://chirpstory.com/li/1085 (im Gegensatz zu sonst muss man es für den richtigen Zeitablauf von oben nach unten lesen).

9. April 2011

Syrien: Mehr Demonstranten denn je, blutiger denn je

Alle Zugeständnisse und Drohungen des Regimes haben nichts gefruchtet: Mehr Menschen als je zuvor gingen gestern in Syrien auf die Straßen. Und wieder waren mehr als ein Dutzend Städte Schauplätze der Proteste. Auch von den kurdischen Syrern beteiligten sich mehr als bisher – trotz der Gewährung der Staatsbürgerschaft für "staatenlose" Kurden seitens des Präsidenten. "Wir wollen Freiheit und nicht nur die Staatsbürgerschaft!" war die Antwort aus Qamishly. Und: "Kurden und Araber sind Brüder!" Daneben auch noch: "Weg mit dem Ausnahmezustand!" und "Wir wollen Verfassungsänderungen!" In Latakia, schon letzte Woche einer der blutigsten Schauplätze, versuchte das Regime weiter die religiösen Spannungen anzuheizen. Alawiten der Baath-Partei provozierten in einem sunnitischen Stadtteil mit Rufen wie "Wir wollen Eure Töchter und werden Eure Söhne in den Himmel schicken!" In Jassem trat der bekannte islamische Gelehrte Jawdat Said auf. Er war schon anderentags in Duma aufgetreten. In Homs sollen sich fast 100.000 Demonstranten versammelt haben. Hier wie in anderen Städten bezogen sich die Sprechchöre auch auf die Ereignisse in Duma und natürlich in Daraa. Die Stadt der ersten Großdemonstrationen sah wieder die meisten Demonstranten im Land. Drei Züge vereinigten sich, nachdem Straßensperren von Polizei und Armee überwunden wurden. Zudem traf aus der Umgebung ein Konvoi mit zweitausend Motorrollern und -rädern in Daraa ein.

Und überall schlug das Regime brutal zu und teilweise auch tot. Und in fast jeder Stadt griffen die Schergen des Regimes wieder zur Schusswaffe. Die meisten Todesfälle werden aus Daraa gemeldet. Insgesamt 27 Tote für das Land gelten als gesichert, es könnten aber auch an die Hundert sein. In Daraa weigerten sich die Krankenhäuser auf Anweisung der Behörden, verletzte Oppositionelle zu behandeln. Das teilte der Imam der Omari-Moschee mit, in der wieder Verletzte notdürftig versorgt wurden. Einige starben dort. Sehr wahrscheinlich ist mindestens ein Armeeoffizier erschossen worden, weil er sich weigerte, auf Demonstranten zu schießen. Selbst ein Abgeordneter des syrischen "Parlaments" aus Daraa sprach am Sonnabend von "Fehlverhalten" der Sicherheitskräfte.

Und das Regime zeigt seine schießwütigen Agenten in Zivil im Fernsehen und behauptet, dies seien "Banditen", die auf die Sicherheitskräfte und die Demonstranten geschossen hätten. Es gibt genug Bilder, wo diese "Banditen" einträchtig neben uniformierten Polizisten oder Soldaten stehen oder gar auf am Boden liegende Oppositionelle einschlagen, sogar, wenn diese schon tot sind. Noch in der Nacht ließ das Innenministerium mitteilen, dass nun die "Zeit der Toleranz" vorbei sei und jetzt Schluss gemacht werde mit den Saboteuren, Verrätern, Banditen und ihren ausländischen Unterstützern. Und so wurden die heutigen Trauerfeiern in Daraa von staatlicher Seite angegriffen, auch wieder mit Schusswaffen.

Das Regime hat seinem Volk den Krieg erklärt. Die Frage ist, wie sich das Volk dazu auf mittlere Sicht verhalten wird. In Daraa wurde gestern versucht, den Gouverneurspalast zu stürmen, weil sich dort Geheimdienstler verschanzt hatten, die auf Demonstranten schossen. Andererseits wurden Waffen, die Sicherheitskräfte bei der Flucht zurückgelassen hatten, in der Moschee abgeben, damit sie nicht benutzt werden. Das Recht, sich gegen dieses mörderische Regime zu wehren, hätten die Menschen allemal.

Libyen: Patt im Osten, Misratah und Nafusa-Region unter Druck

Der Übergang des Kommandos von der Koalition auf die NATO verlief wohl nicht reibungslos. Auch haben sich die Truppen des Regimes auf die Luftangriffe eingestellt, indem sie kleinere und auch zivile Fahrzeuge benutzen. Daneben gibt es den Verdacht, dass die Türkei auf die Bremse tritt, was die militärischen Aktionen anbelangt. Wohl um nicht als reiner Erfüllungsgehilfe des Westens dazustehen und weil sie in Libyen eigene Interessen haben.

Zudem mangelt es noch an der Abstimmung zwischen den Aufständischen und der NATO. Das ist auch der Grund für die zwei Vorfälle, in denen bewaffnete Aufständische durch "friendly fire" der NATO umgekommen sind. Bei dem ersten sollen laut NATO Schüsse aus Luftabwehrgeschützen abgegeben worden sein, so dass sich  Piloten in den NATO-Jets angegriffen fühlten. Möglicherweise handelte es sich um eine Art Begrüßungssalut durch die Kämpfer der Aufständischen. Beim zweiten Vorfall dieser Art sind erstmals Panzer seitens der Aufständischen eingesetzt worden. Die militärische Führung des Übergangsrates will die NATO darüber vorher informiert haben. Diese will davon nichts gewusst haben.

Die Aufständischen haben sich schon öffentlich über den aus ihrer Sicht mangelnden NATO-Einsatz beschwert. Die NATO verweist darauf, dass sie darauf bedacht ist, zivile Opfer zu vermeiden und die Situation recht unübersichtlich sei. Es ist anzunehmen, dass mittlerweile alle größeren Objekte, die mit der Luftverteidigung zu tun haben, zerstört sind; wohl hauptsächlich durch die Cruise Missiles der USA. Auch sind in der ersten Phase unter dem Kommando der Koalition Kasernen und Munitionslager in Tripolis und anderswo zerstört worden, die keine unmittelbare Bedrohung für Zivilisten darstellten. Die NATO gab an, die bisherigen Einsätze hätten 30% der Militärstärke des Regimes zerstört; wie immer man so etwas berechnet.

Auch wenn sich die Taktik der Regime-Truppen geändert hat und viele größere Ziele mittlerweile zerstört sind, scheint die NATO defensiver als die Koalition zu Anfang zu agieren. Dafür kommen drei Gründe infrage:
  • Die NATO will nicht in einen echten Krieg verwickelt werden. Je defensiver sie agiert, desto eher kann sie sich auch zurückziehen.
  • Die NATO nimmt mehr Rücksicht auf die Türkei und die arabischen Staaten. Alles, was über den unmittelbaren Schutz von Zivilisten hinausgeht, vermeidet sie, um nicht den Eindruck zu erwecken, sich in die libyschen Angelegenheiten einzumischen.
  • Für die NATO ist der Übergangsrat nicht berechenbar und sie wollen sich nicht völlig auf dessen Seite schlagen, bevor klar ist, mit wem sie es zu tun haben. Oder sie wollen Zugeständnisse vom Übergangsrat und bis dahin halten sie sich zurück.
Denkbar ist auch die Vermischung zweier oder aller Motive.

Im Ergebnis kommen die Aufständischen im Osten nicht voran. Mal haben sie Brega unter Kontrolle, und dann müssen sie sich wieder aus der Stadt zurückziehen. So bleibt auch Ajdabiya unter ständiger Bedrohung, so dass viele Bewohner dieser Stadt nach Benghazi geflüchtet sind.

Im Westen steht insbesondere Mistarah steht unter Druck. Von allen Seiten eingekreist, ist nur der Zugang zur See einigermaßen sicher. Eine Schiffslieferung aus Benghazi, die auch Waffen enthielt, wurde von Schiffen Kanadas und der Türkei gestoppt. Äußerungen des französischen Außenministers einen Tag später deuteten an, dass man sich innerhalb der NATO nun darauf verständigt hat, auch Waffenlieferungen an die Verteidiger Misratahs zuzulassen. Eine Bestätigung dafür steht noch aus. Aber es hat auch eigentlich keine Seite ein Interesse daran, dies groß an die Glocke zu hängen. - Noch mal zur Erinnerung: Die Stadt ist die drittgrößte des Landes mit etwa 500.000 Einwohnern und wird seit vierzig Tagen mit schweren Waffen angegriffen, seit mehr als drei Wochen ist die Wasser- und Stromversorgung im Wesentlichen unterbrochen.

Südlich von Tripolis liegt das Nafusa-Gebirge mit Städten wie Az Zintan und Yafran. Auch hier kommt es immer wieder zu Gefechten. Kikla, eine Stadt mit 10.000 Einwohnern, scheint den schwersten Angriffen ausgesetzt zu sein. Mittlerweile haben sich die Städte untereinander koordiniert, so dass sie sich bei größeren Angriffen des Regimes gegenseitig beistehen. Zudem kommen ihnen die Kenntnisse der Gegend sehr zu Hilfe. Nur sehr vereinzelt haben Angriffe der NATO für leichte Entlastung gesorgt. Mehrere hundert Menschen, aus der Region, v. a. Frauen und Kinder, sind nach Dehiba, einer Grenzstadt in Tunesien mit 4.000 Einwohnern geflohen. Sie mussten einen Umweg durch die Sahara nehmen, da der Grenzübergang von Regimetruppen kontrolliert wird. Die tunesischen Behörden und Bewohner tun, was sie können. Doch hier und v. a. in der Nafusa-Region selbst wäre Hilfe dringend nötig. Zumal dieser Teil des Landes für die internationalen Medien ein blinder Fleck zu sein scheint.

7. April 2011

Syrien: Predigt des Imam Mouadh Khateeb am 5. April in Duma

Dies sind Auszüge aus der Predigt von Imam Mouadh Khateeb am 5. April in Duma. So würde sie sicher kein Geitlicher in Westeuropa halten, allein der patriarchalischen Töne wegen. Trotzdem, sie ist nun mal ein authentisches Zeugnis dessen, was in Syrien los ist. Und die Zeugnisse der Opposition sind rar genug.

"Es ist unwichtig, ob ein Mann Sunit, Schiit, Alawit, Druse oder Ismailit, ein Araber oder ein Kurde ist, der Wert des menschlichen Seins liegt in den Augen Gottes in seiner Frömmigkeit. Wir sind alle eins. Ich sage das zu Euch, dem die Alawiten näher sind als die meisten anderen Menschen. Ich kenne ihre Dörfer, ihre verarmten Dörfer, in denen sie in Unterdrückung leben und schwer leiden. Wir sprechen von der Freiheit eines jeden Menschen in diesem Land, für jeden Sunniten, jeden Alawiten, jeden Ismailiten, jeden Christen, jeden Araber und jedes Mitglied der großartigen kurdischen Nation, die den Islam schon immer in ihrem Herzen trägt…Wir leiden mit jedem gefallenen Bruder, der nur sein gottgebenes Recht wahrnimmt…Freiheit ist jedem von uns von Geburt an gegeben und kein Geschenk, das von irgendjemand gewährt wird. Freiheit ist ein Segen Gottes, nicht etwas, was einem Herrscher, einer Regierung oder einem Staat gehört…Das Herz des syrischen Volkes weint Blut über jede Mutter, über jede Wunde eines Märtyrers…über dieses großartigen Volk, das sein Recht auf Demonstration wahrnahm, friedlich und unbewaffnet, während es "friedlich, friedlich" rief…Ich finde es wirklich traurig, wie die Medien elendig versagen. Wann kommen sie und sehen sich an, unter welchen Bedingungen die Menschen leben müssen und was ihre Forderungen sind?...Ich war an der Rifgai-Moschee und sah, wie mit Elektroschlagstöcken gegen Menschen vorgegangen wurde, nur weil sie ihre Freiheit forderten. Wir fordern, dass diese Leute sich dafür verantworten müssen. Dieses Land erlebt große Unruhen, und wir fordern den Staat auf, in dem sich hoffentlich die weisen Leute durchsetzen: Beenden sie das und öffnen sie die Tore zu Freiheit allmählich und im geordneten Übergang…Alles, was wir jetzt fordern, ist eine ergebnisoffene Untersuchung, dass jeder Missetäter zur Verantwortung gezogen wird, die Verkündung eines Zeitplanes für Reformen, auf die wir sehnsüchtig warten. Gott segne Euch!"

Syrien: Konzessionen und Einschüchterungen

Am Vorabend des Freitags versucht das syrische Regime durch Konzessionen verschiedene Gruppen der syrischen Gesellschaft zu beruhigen. Gleichzeitig setzt es weiter auf Repression.

So wurde per Dekret des Präsidenten den staatenlosen Kurden die syrische Staatsbürgerschaft gewährt. Unklar ist noch, wie viele dies betrifft. Zudem wurden 48 kurdische Häftlinge freigelassen. Sprecher der kurdischen Minderheit ließen sich davon nicht beeindrucken. "Unser Anliegen ist Demokratie für ganz Syrien. Die Staatsbürgerschaft ist ein Recht, das jedem syrischen Bürger zu steht, und kein Privileg, das jemand gewähren kann", sagte Habib Ibrahim, Führer der DUKP. Und ein Sprecher der kurdischen Partei Yakety meinte: "In Syrien ist jeder sozial benachteiligt, ob mit oder ohne Staatsbürgerschaft."

Als Zugeständnis an die Religiösen gilt die Schließung des einzigen Glückspiel-Kasinos in Damaskus, das erst Neujahr dieses Jahres eröffnet worden war. Zudem dürfen Lehrerinnen wieder den Niqab tragen, einen Gesichtschleier, der nur die Augen freilässt. Lehrerinnen, die deswegen entlassen worden sind, sollen auf Wiedereinstellung hoffen dürfen.

Gleichzeitig gehen die Verhaftungen und Einschüchterungen weiter. Als ein Bespiel sei Malath Aumran (Twitteraccount: @MalathAumran) genannt. Aumran ist ein Pseudonym, das ein sehr bekannter Aktivist verwendet. Sein Avatar ist eine Synthese aus vielen Fotos syrischer Männer. Seit Jahren versuchen die Geheimdienste Syriens, ihn zu fassen. Sie versuchten es als Reporter getarnt oder gaben sich als Gleichgesinnte aus. Andere Versuche, ihn zu kompromittieren, starteten die Agenten, in dem sie sich als schöne Frauen ausgaben, die nach ein paar politischen Debatten auch ein Date wollten. Bei solchen Versuchen verwenden die syrischen Geheimdienste auch schon mal ein Foto von Julia Roberts. Als ihm der Boden in Syrien zu heiß wurde, ist er – wie viele oppositionelle Syrer – in den Libanon geflüchtet. Leider ist es den Schergen des Regimes nun gelungen, die Identität Aumrans zu enthüllen. Er heißt Rami Nakhla. Ein Agent erinnerte sich während eines Interviews, das Aumran gab, an die Stimme. Er hatte ihn schon mal verhört. Nakhla stammt aus As-Suwayda und ist dort gut bekannt. Nun hat ihm das Regime eine Drohung übermittelt und zwar auf der Facebook-Seite von Malath Aumran. Entweder er stellt alle Aktivitäten ein oder man werde seine Familie in Syrien festnehmen. Nakhla hat sich entschieden: "Ich habe Freunde im Gefängnis. Ich werde sie nicht enttäuschen. Ich habe Freunde, die gestorben sind. Ich werde sie nicht enttäuschen. Ich bin jetzt für jeden verantwortlich, den ich ermutigt habe, auf die Straße zu gehen. Ich werde nicht aufgeben", sagte er. "Ich bin sicher, meine Familie versteht das. Aber es ist eine schwere Entscheidung. Möglicherweise überantworte ich meine Verwandten heute Nacht der Folter." - Rami Nakhla ist kein Einzelfall in Syrien, nur zurzeit der prominenteste.

6. April 2011

Bahrain: Drei Wochen Ausnahmezustand

Am 15. März wurde in Bahrain der Ausnahmezustand verhängt. Seitdem ist es nur scheinbar ruhiger geworden in dem Inselstaat. Denn die Regierung von Bahrain behindert die Berichterstattung, wo sie nur kann. Neue Akkreditierungen werden für Journalisten zurzeit nicht ausgestellt. Kamerateams trauen sich nicht auf die Straße, weil sie an den zahlreichen Straßensperren festgesetzt werden würden. Das Verbot von "Al-Wasat" wurde zwar wieder aufgehoben, aber nur weil der Chefredakteur und zwei weitere wichtige Redakteure zurückgetreten sind. Beobachter gehen davon aus, das "Al-Wasat", die größte Zeitung des Landes, die nicht dem Königshaus nahe steht, nun ihren Charakter verliert. Heute wurden zudem zwei Mitarbeiter der Zeitung, die seit 2005 in Bahrain leben, abgeschoben. Es handelt sich um Iraker. Somit wird die Medienlandschaft fast vollständig von den Königstreuen beherrscht. Darüber hinaus überwacht die Behörde für Information, die nicht vom Parlament kontrolliert wird und mit der Nationalen Sicherheitsbehörde zusammenarbeitet, die Öffentlichkeit. Und seit dem 28. März ist es nach Anweisung der Öffentlichen Militärstaatsanwaltschaft den Medien verboten, Berichte zu veröffentlichen, die auf Verschwiegenheit und vertraulicher Informationsbeschaffung beruhen. Anders gesagt, der Informantenschutz ist für bahrainische Medien ausgehebelt, denn sie dürfen die Erkenntnisse aus solchen Recherchen nicht mehr verwenden.

Der Bahrainische Menschenrechtsrat berichtet, dass seit dem 15. März etwa 370 Menschen inhaftiert worden sind. Darunter Rechtsanwälte, Lehrer, ja sogar Mediziner und einfache Blogger. Teilweise werden die Menschen nach ein paar Tagen ohne jede Anklage wieder freigelassen. Offensichtlich dienen solche rechtlosen Verhaftungen der Einschüchterung. Andere Aktivisten der Opposition sehen sich mit Anklagen wie "Bildung einer kriminellen Vereinigung" oder "illegaler Waffenbesitz" konfrontiert. Letzteres wurde gegen Sayed Ahmed al-Wedaie erhoben. Die "Waffe" ist ein Ziermesser, das die Polizei in seinem Auto fand. Sein eigentliches "Verbrechen" bestand wohl eher darin, vor einer Kamera von Al Jazeera zu berichten, wie er bei den Protesten am Perlen-Platz halbtot geschlagen wurde und von der Polizei nur in Ruhe gelassen wurde, weil sie ihn für tot hielt. Am 15. März wurde er verhaftet. Drei Tage blieb er verschwunden, bis ihn seine Familie in einem Polizeirevier fand. Das Gesicht war mit Blutergüssen übersäht und er konnte kaum laufen.

Weiter berichtet der Bahrainische Menschenrechtsrat, dass seit dem 15. März siebzehn Menschen durch die Niederschlagung der Opposition umgekommen sind. Zahlreiche Verletzte liegen noch in Krankenhäusern, abgeschirmt von jedem Kontakt zur Außenwelt. Im Salmaniya-Krankenhaus, der größten Klinik des Landes, ist im sechsten Stock eine Art Sondertrakt für Verletzte der Proteste entstanden. Diese Patienten werden vom Militär bewacht. Auch aus anderen Kliniken sollen verletzte Oppositionelle in diesen Trakt gebracht worden sein. Nicht einmal Familienangehörige haben Zugang zu ihnen. Das Krankenhaus selber wird auch von Militär bewacht. Niemand kann unkontrolliert hinein.

Vor ein paar Tagen tauchten Berichte auf, wonach sich die USA und Saudi-Arabien auf einen Deal verständigt haben: Die Saudis geben den USA in Bezug auf Libyen freie Hand und im Gegenzug halten sich die USA bezüglich Bahrain zurück. Das Schweigen des Westens zu den Vorgängen in Bahrain ist nicht gerade angetan, diese Berichte zu dementieren.

3. April 2011

Libyen: Bericht aus Az Zawiyah

Nach dem Fall von Az Zawiyah drang lange nichts mehr aus der Stadt heraus. Nur kurz nach der Einnahme war es Journalisten einmal gestattet, die Stadt zu besuchen. Nachfolgend die zusammenfassende Übersetzung eines Berichtes aus der besetzten Stadt.

Az Zawiyah ist militärisch völlig besetzt. In jeder Straße sind Bewaffnete, meistens Söldner aber auch Libyer. Der Norden der Stadt (da liegt das Zentrum, welches der Schauplatz der heftigsten Kämpfe war, d. Ü.) ist fast vollständig entvölkert. Die meisten sind in die südlichen Stadtteile geflohen, nachdem ihre Häuser durch den Beschuss der Panzer und Artillerie des Regimes beschädigt worden waren. Außerdem wurden Häuser nach der Erstürmung demoliert und geplündert. Genauso wie viele Geschäfte.

Jeder junge Mensch, der sich auf die Straße traut, wird entweder erschossen oder entführt. Es sind 3.000 Menschen verschwunden und über 500 getötet. Mord, Vergewaltigung und Misshandlung sind an der Tagesordnung, das ist keine Übertreibung.

Die Menschen in Az Zawiyah leben in Furcht und Schrecken. Es gibt kaum Lebensmittel und keine Milch für die Kinder. Von den Entführungen sind auch Frauen nicht verschont, 88 werden vermisst. Die Menschen haben die Getöteten in ihren Hinterhöfen und Gärten begraben (aus Angst vor Repressalien und davor, dass die Schergen des Regimes die Gräber schänden und die Toten ausgraben, worüber es gesicherte Aussagen gibt, d. Ü.).

Auch wenn das Gaddafi-Regime Az Zawiyah aushungern und von seinen widerständischen Bewohnern "säubern" will, so gibt es weiterhin Widerstand. Nachts führen die Freiheitskämpfer Aktionen durch, wenn diese auch angesichts der Masse an Besatzern und dem Mangel an Munition nur klein sein können.

Man hofft, dass der Nationale Übergangsrat die NATO dazu drängt, die Streitkräfte des Gaddafi-Regimes aus der Luft anzugreifen, damit die Freiheitskämpfer wieder Kontrolle über Az Zawiyah erlangen. Und man hofft, dass der Übergangsrat die Lage in Az Zawiyah bekannt macht. "Mit dem Willen Gottes werden wir die Freiheit bald erlangen."

Bahrain: Zeitung der Opposition verboten. GCC-Trupppen bleiben

Am heutigen Sonntag haben die Behörden in Bahrain die wichtigste oppositionelle Zeitung des Landes, "Al-Wasat", verboten. Ob das Verbot vorübergehend oder dauerhaft ist, konnte der Chefredakteur nicht sagen. Während der Unruhen im März wurden schon die Druckerpressen "Al-Wasats" zerstört und am 17. März verhinderten Bewaffnete die Produktion der Zeitung. Seit Wochen gibt es eine Kampagne der staatlichen Medien gegen "Al-Wasat". Das heutige Verbot wurde damit begründet, dass Al-Wasat Lügen, Fälschungen und Plagiate verbreite. Zudem würde sich die Zeitung "direkt und absichtlich" gegen die "Sicherheit und Stabilität des Königreiches" stellen.

Ebenfalls heute begründete der Kommandeur der Truppen des Golf-Kooperationsrates (GCC) in Bahrain den Einmarsch der Streitkräfte mit einer drohenden ausländischen Aggression gegen das Land. Die Frage, wie lange die Truppen im Lande verbleiben würden, beantwortete er mit: "Solange wie nötig". Mit Hilfe der GCC-Truppen schlug Bahrain Mitte März die Proteste der vorwiegend schiitischen Opposition nieder.

Syrien: Verhaftungswelle. Forderungen der Revolutionäre

Nach den Protesten am Freitag hat gestern der syrische Staat zahlreiche Verhaftungen vorgenommen. Schwerpunkt der Verhaftungen waren scheinbar Duma, Daraa und Homs. Zumindest in Homs haben Anwohner, als sie merkten, was vorging, versucht Straßen mit Barrikaden zu sperren und so weitere Verhaftungen zu verhindern.

Forderungen der syrischen Revolutionäre

Sofortige Schritte:
  1. Freilassung aller politischen Gefangenen und Festgenommen. Bedingungslose Erlaubnis für die Rückkehr aller Syrer aus dem Exil.
  2. Unwiderrufliche Aufhebung des Ausnahmezustandes und des Standrechtes auf Dauer, einschließlich der Auflösung aller Sondergerichte.
  3. Abzug aller bewaffneter Geheimdienstler aus den Städten. Rückkehr der normalen Polizei. Aufhebung der Absperrungen der Städte. Entschädigungen für Opfer der Zerstörungen und der Angehörigen der Getöteten. Unabhängige Untersuchung der Vorfälle zur Feststellung und Anklage der Verantwortlichen unter Beteiligung arabischer Menschenrechtsgruppen.
  4. Erlass eines Dekrets, das das Recht auf friedliche Demonstrationen gewährt und Bedrohungen und Angriffe auf die Demonstrationsfreiheit unter Strafe stellt.
  5. Ende der politischen Einflussnahme auf Schüler seitens der Schulkräfte und Geheimdienstler, insbesondere ein Ende des Teilnahmezwanges an Demonstrationen für das Regime.
  6. Allen Geheimdiensten* soll es verboten werden, Verhaftungen nur aufgrund von politischen oder religiösen Überzeugungen durchzuführen. Umorganisierung der diversen Geheimdienste zu einem Nationalen Sicherheitsdienst unter Aufsicht des Innenministeriums und unter Beachtung der Menschen- und Bürgerrechte.
Weitere Schritte mit einem klaren Zeitrahmen:
  1. Änderung der Verfassung, insbesondere Artikel 8**, Einführung einer Mehrparteiendemokratie, garantierte Menschen- und Bürgerrechte und einen friedlichen Machtübergang.
  2. Einführung eines wahrhaft unabhängigen Justizwesens unter Einbeziehung der betroffenen Berufsgruppen und Menschenrechtsorganisationen.
  3. Informations- und Meinungsfreiheit.
  4. Schaffung einer modernen rechtlichen Grundlage für die Gründung von Parteien und Organisationen, die für eine funktionierende Zivilgesellschaft notwendig sind.
  5. Einführung eines modernen Mehrparteien-Wahlrechtes, das freie und faire Wahlen auf lokaler und nationaler Ebene garantiert, damit alle Bereiche der syrischen Gesellschaft repräsentiert sind. Bildung einer parlamentarischen Regierung, die Korruption und Armut bekämpft und echte Entwicklung fördert.
  6. Lösung der kurdischen Frage***, Zubilligung ihrer Staatsbürgerschaft, Rückgabe ihres gestohlenen Landes und Verbesserung ihres Lebensstandards.
  7. Untersuchung aller Netzwerke, die der Korruption dienen. Anklage gegen alle Nutznießer der Korruption und Beschlagnahme aller unrechtmäßig erworbenen Vermögenswerte. Überprüfung aller Verträge zum Nachteil des syrischen Staates und der Gesellschaft, insbesondere aller Mobilfunkverträge.****
  8. Ein nationaler Plan zu Bekämpfung von Armut und Arbeitslosigkeit, der halbjährlich vom Parlament überprüft wird.
  9. Einberufung einer Nationalen Generalsversammlung unter Berücksichtung aller gesellschaftlichen Gruppen um weitere notwendige Aufgaben in einen Reformplan für Syrien aufzunehmen.
* Experten schätzen die Anzahl der Geheimdienste in Syrien auf mehr als ein Dutzend!
** Artikel 8 schreibt die führende Rolle der Baath-Partei in Staat und Gesellschaft fest.
*** Etwa 300.000 Kurden besitzen nicht die syrische Staatsbürgerschaft, obwohl sie in Syrien geboren sind. Viele sind im Zuge der Bekämpfung von separatistischen Bestrebungen von ihrem Land in den Dörfern vertrieben worden und fristen ein kümmerliches Dasein am Rande der Städte.
**** Das Mobilfunknetz Syriatel gehört Rami Makhlouf, einem Cousin Bashar Al-Assads. Er gilt als Banker des Assad-Clans und soll einer der reichsten Männer der Welt sein.

Nachbemerkung: Diese Forderungen stammen aus einem Text, der nicht von einer Gruppe unterschrieben wurde. Ich habe sie sinngemäß und zusammenfassend übersetzt. Inwieweit sie repräsentativ sind für die, die auf die Straße gehen, lässt sich nicht sagen. Aber unter den jetzigen politischen Bedingungen, die in Syrien herrschen, ist das sowieso ein Ding der Unmöglichkeit.

2. April 2011

Libyen: Zur Situation der Flüchtlinge

Seit Beginn der Kämpfe in Libyen sind etwa 400.000 ausländische Arbeiter aus dem Land geflohen. Die meisten über die tunesische oder ägyptische Grenze. Zurzeit sind es etwa 6.000 pro Tag. Viele konnten dank internationaler Bemühungen in ihre Heimatländer zurückkehren. Aber etwa 12.000 an der tunesischen Grenze und etwa 4.500 an der ägyptischen Grenze sind aus Ländern, in denen sie nicht zurückkehren können oder wollen, wie z. B. Eritrea oder Somalia.

Auch innerhalb Libyens sind noch ausländische Arbeiter. Etwa 800.000 befinden sich noch im Land, so die Internationale Arbeitsorganisation der UN. Die meisten werden das Land verlassen wollen, können aber nicht. Allein in Sabha, im Süden des Landes, sollen sich 34.000 Flüchtlinge gesammelt haben. Auch im umkämpften Misratah haben sich Tausende am Hafen in provisorischen Flüchtlingslagern gesammelt, die hoffen von dort wegzukommen. Die meisten stammen aus Schwarzafrika. Und so sehr auch die Einwohner von Misratah selbst unter der wochenlangen Belagerung durch die Streitkräfte des Regimes zu leiden und Mangel an Wasser und Lebensmittel haben, sie versorgen die Flüchtlinge mit dem Nötigsten.

Immer wieder gibt es Berichte von ausländischen Arbeitern, die innerhalb Libyens auf der Flucht waren, dass sie von Gaddafi-Truppen ausgeraubt und drangsaliert wurden. Zudem werden viele willkürlich festgenommen, sehr oft um ein Lösegeld zu erpressen. Der "Tarif" ist auch bekannt: Meistens kostet die Entlassung 500 Libysche Dinar (etwa 300€).