18. April 2011

Syrien: Daraa, Duma, Latakia, Banyas, Homs - Städte im Aufruhr

Am Freitag hielten sich die Sicherheitskräfte des Regimes zurück - für die syrischen Verhältnisse der letzten Wochen. Am Sonnabend gab es kaum Proteste, viele warteten wohl auf die angekündigte zweite Rede al-Assads seit Beginn der Unruhen. Diese enttäuschte auf der ganze Linie. So begingen die Menschen den gestrigen Unabhängigkeitstag auf ihre Weise: Sie demonstrierten erneut im ganzen Land. Dabei zeigte das Regime wieder sein wahres Gesicht. Es kam u. a. in Latakia zu etwa 20 Toten, in Homs zu etwa 30. Genaue Zahle gibt es nicht, weil die Schergen des Regimes neben den Verletzten auch die Toten(!) aus den Krankenhäusern verschleppt haben. Was die Menschen besonders empört, ist, dass mittlerweile immer häufiger nicht nur auf Demonstranten, sondern wirklich wahllos auf Menschen geschossen wird, nur weil sie im "falschen" Stadtteil bzw. der "falschen" (Vor-)Stadt wohnen. Nämlich jenen, die sich durch Proteste besonders hervorgetan haben.

Die Trauerdemonstrationen in Homs heute hatten einen riesigen Zulauf. Man spricht von 100 -150.000 Teilnehmern. Hauptparole: "Das Volk verlangt den Sturz des Regimes!" Nach all den Toten und den leeren Versprechungen geben sich viele Menschen mit nichts weniger zufrieden. Einheiten der vierten Panzerbrigade sollen seit gestern um die Stadt postiert worden sein. Angesicht der Massen, die heute auf die Straße gingen, trauten sie sich aber nicht, einzugreifen. Als ein Ultimatum an die Trauernden ging, sie sollten den Protest in 30 Minuten beenden, sonst würden Maßnahmen ergriffen, wurde dies von anwesenden religiösen Führern zurückgewiesen. Mittlerweile haben die Demonstranten auf dem Saa-Platz in Homs ein Zeltlager errichtet. Dieses soll mindestens drei Tage bestehen bleiben. Andere wollen dort ausharren, bis das Regime gestürzt ist. Der Zugang zum Zeltlager ist von Protestierenden abgeriegelt. Leute erhalten nur Zutritt, wenn sie ihren Ausweis vorzeigen. Man will dadurch verhindern, dass sich Angehörige der staatlichen Sicherheitsorgane einschleichen. Viele Menschen gingen nach Hause, um ihren Ausweis zu holen.

Daraa ist seit Wochen immer wieder komplett im Aufstand, in Duma sind die Ereignisse vom 1, April noch nicht vergessen, in Latakia kommt es fast täglich zu Protesten mit Toten und in Banyas sind ganze Stadtteile von Anwohnern blockiert, um Verhaftungen zu verhindern. Und nun noch Homs im Aufstand. So langsam verliert das Regime eine Stadt nach der anderen. Um nicht missverstanden zu werden, es ist noch ein weiter Weg bis zum Sturz des Regimes, aber die Bedrohung wird immer ernster.

Und immer noch reden die Sprecher der syrischen Regierung von "Saboteuren" und behaupten, Waffenlieferungen aus dem Ausland abgefangen zu haben. Der Chefredakteur einer großen Zeitung verstieg sich im Fernsehen sogar zu der Aussage, eine "bewaffnete Bande" haben das ganze Land übernommen. Den Assad/Makhluf-Clan wird er kaum gemeint haben. Aber eben diese Bande wollen in Syrien immer mehr Menschen loswerden, inzwischen fast ganze Städte, und deren Zahl nimmt stetig zu.

Bahrain: Die USA schweigen, Waffen-Deal mit Saudi-Arabien

In einem Interview mit "Democracy Now!" beschreibt das Human Rights Watch-Mitglied Faraz Sanei Bahrain als ein Land, das zum sich zum Polizeistaat entwickelt. Fast jede Nacht – die meist maskierten Bewaffneten kommen fast ausschließlich nachts – werden Menschen festgenommen, deren einziges Verbrechen darin bestand, sich an den Protesten gegen das herrschende Königshaus beteiligt zu haben. Auch wer nur mit ausländischen Medien gesprochen hat, wird zum Ziel der staatlichen Repression. Zudem werden Anklagen vor Militärtribunalen vorbereitet – gegen Zivilisten wohlgemerkt. So weit bekannt, sollen diese Prozesse nicht öffentlich und ohne Verteidiger über die Bühne gehen.

Und während z. B. der britische Botschafter immerhin öffentlich seine "Besorgnis" über die vier in Haft Getöteten zum Ausdruck bringt, schweigen die USA angesichts der diktatorischen Zustände in Bahrain. Neben der Tatsache, dass Bahrain die Fünfte US-Flotte beherbergt, spielen hier auch die Interessen Saudi-Arabiens eine große Rolle. Das Land stellt den wichtigsten Teil der GCC-Truppen, die in Bahrain einmarschiert sind und die Niederschlagung der Opposition absicherten. Es ist erklärte Politik der Saudis, in Bahrain keine allzu großen Zugeständnisse an die schiitische Bevölkerungsmehrheit sehen zu wollen, denn sie haben eine schiitische Minderheit im eigenen Land, die auch ihre Rechte einfordert. In den nächsten Wochen oder Monaten soll das größte Waffengeschäft in der Geschichte der USA mit Saudi-Arabien unterzeichnet werden. Wert: 60 Milliarden Dollar!

Gleichzeitig rüsten bahrainische Regierungspolitiker sprachlich auf. So erklärte der Premierminister Khalifa al-Khalifa, die Proteste der Opposition seien nicht weniger als ein Putschversuch gewesen. Und man werde alle Mitverschwörer und Helfershelfer haftbar machen. Und der Außenminister Khaled al-Khalifa sekundierte, die GCC-Truppen würden solange bleiben, bis die Bedrohung Bahrains durch den Iran nicht mehr bestehe. (Dass beide Amtsinhaber al-Khalifa heißen, ist kein Zufall. Dreimal darf geraten werden, wie der König von Bahrain heißt: richtig, al-Khalifa, Hamad al-Khalifa) Die Anschuldigungen, der Iran stecke hinter den Protesten, harren bisher eines jeden konkreten Beweises. Außer großmäuligen Erklärungen der Mullahs in Teheran, die sich gerne als Schutz- und Führungsmacht aller Schiiten gerieren, gibt es nichts. Die Opposition Bahrains hat stets erklärt, keinerlei Beziehungen und Loyalitäten zum Iran zu haben.

Zainab Alkhawaja ist nun seit einer Woche im Hungerstreik. Sie ist weiterhin schwach und liegt die meiste Zeit. Von ihrem Vater, ihrem Mann und ihrem Schwager hat sie immer noch nichts gehört. Einzig von ihrem Onkel gibt es ein indirektes Lebenszeichen. Seine Frau wurde angerufen und aufgefordert, Wäsche für ihren Mann zu einer Haftanstalt zu bringen. Sehen durfte sie ihn nicht. Was wiederum Anlass zur Sorge gibt, er könnte gefoltert worden sein.