11. April 2011

Bahrain: Zainab Alkhawaja im Hungerstreik

Um 18.00 Uhr Ortszeit hat Zainab Alkhawaja aus Bahrain einen Hungerstreik begonnen. Vor drei Wochen wurde ihr Onkel von den Behörden des Landes verhaftet. In der Nacht zum Sonnabend wurden nun auch noch ihr Vater, ihr Ehemann und ihr Schwager verhaftet (siehe auch den Blogeintrag vorher). In einem Offenen Brief an Präsident Obama (siehe unten) erklärt sie die Gründe für den Hungerstreik und schildert die Ereignisse.

Abdulhadi Alkhawaja (Vater), Salah Alkhawaja (Onkel)
Hussein Ahmed (Schwager), Wafi Almajed (Ehemann)
Online-Petiton: http://www.petitiononline.com/maryam11/petition.html
Appell von Human Rights Watch: http://www.hrw.org/en/news/2011/04/09/bahrain-free-prominent-opposition-activist
Appell von Physicans for Human Rights: http://physiciansforhumanrights.org/library/news-2011-04-09.html
Zainab Alkhawajas Blog: http://angryarabiya.blogspot.com/
Bahrain Center for Human Rights: http://www.bahrainrights.org/en


Offener Brief an Präsident Obama

Herr Präsident,

ich schreibe Ihnen aus Bahrain, nachdem ich so eine abscheuliche Ungerechtigkeit erlebt habe, wie ich es niemanden auf dieser Welt wünsche. Sicherheitskräfte haben mein Zuhause angegriffen, die Türen mit Vorschlaghämmern eingeschlagen und meine Familie in Panik versetzt. Ohne jede Vorwarnung, ohne einen Haftbefehl und ohne Angaben von Gründen griffen maskierte und bewaffnete Männer meinen Vater an. Obwohl sie nichts sagten, wissen wir alle, dass das "Verbrechen" meines Vaters darin besteht, ein Menschrechtsaktivist zu sein. Mein Vater wurde am Genick gepackt, die Treppen herunter gezerrt und dann vor meinen Augen bewusstlos geschlagen. Er erhob nicht eine Hand, um Widerstand zu leisten, und die einzigen Worte, die er sagte, waren: "Ich kriege keine Luft!" Auch als er schon bewusstlos war, schlugen und traten sie ihn weiter, währenddessen beschimpften sie ihn und sagten, sie würden ihn umbringen. Das ist eine sehr ernste Drohung angesichts dessen, dass in den letzten zwei Wochen allein drei politische Gefangene in Haft gestorben sind. Die Spezialkräfte schlugen und verhafteten auch meinen Ehemann und mein Schwager.

Seit ihrer Festnahme vor drei Tagen haben wir nichts von ihnen gehört. Wir wissen nicht, wo sie sind, und ob sie nun unversehrt sind oder nicht. Vielmehr haben wir immer noch keine Nachrichten von meinem Onkel, der vor drei Wochen verhaftet wurde, als Soldaten Waffen auf Köpfe seiner Kinder richteten und seine Frau schwer schlugen.

Ich habe während meines Studiums in Amerika gesehen, wie sehr ihr Volk an Freiheit und Demokratie glaubt. Auch in diesen schreckliche Zeiten befinden sich unter den Menschen, die mich unterstützen, Amerikaner, die niemals dachten, dass ihre Regierung Diktatoren beisteht und gegen freiheitsliebende Menschen handelt. Dem amerikanischen Volk sende ich meine Liebe und meinen Dank.

Ich habe mich entschlossen, Ihnen und nicht meiner eigenen Regierung zu schreiben, weil das Alkhalifa-Regime bereits bewiesen hat, dass es sich um unsere Rechte und unsere Leben nicht kümmert.

Als Sie den Amtseid des Präsidenten der Vereinigten Staaten schworen, hatte ich große Hoffnungen. Ich dachte: Das ist eine Person, die niemals Präsident geworden wären, wenn sie nicht für den Kampf der Afro-Amerikaner für Bürgerrechte gewesen wäre; er wird unseren Kampf für Freiheit verstehen. Bedauerlicherweise sind meine Hoffnung bisher erschüttert worden. Vielleicht habe ich es missverstanden. Was meinten sie, Herr Präsident? YES WE CAN…Diktatoren unterstützen? YES WE CAN…helfen, demokratische Kräfte zu unterdrücken? YES WE CAN…wegsehen wie ein Volk leidet?

Unsere wunderschönen Erinnerungen sind durch schreckliche verdrängt worden. Auf unserer Treppe sind noch die Blutspuren meines Vaters. Ich sitze in meinem Wohnzimmer und kann sehen, wo mein Vater und mein Ehemann mit dem Gesicht nach untern zu Boden geworfen und geschlagen wurden. Ich sehe die Schuhe an der Tür und erinnere mich daran, dass sie barfuß abgeführt wurden. Als Tochter und Ehefrau weigere ich mich, zu schweigen, während mein Vater und mein Ehemann möglicherweise in bahrainischen Gefängnissen gefoltert werden. Als Mutter einer einjährigen Tochter, die ihren Vater und Großvater wieder haben will, muss ich standhaft sein. Ich werde nicht hilflos zusehen. Um 18.00 Uhr bahrainischer Zeit werde ich einen Hungerstreik beginnen. Ich fordere die sofortige Freilassung meiner Familienmitglieder. Mein Vater: Abdulhadi Alkhawaja. Mein Ehemann: Wafi Almajed. Mein Schwagers: Hussein Ahmed. Mein Onkel: Salah Alkhawaja.

Ich schreibe ihnen diesen Brief für den Fall, dass meinem Vater, meinem Ehemann, meinem Onkel, meinem Schwager oder mir etwas passiert, ich halte sie für genauso verantwortlich wie das Alkhalifa-Regime. Ihre Unterstützung dieser Monarchie macht ihre Regierung zu einem Komplizen. Ich habe weiterhin die Hoffnung, dass sie begreifen werden, dass Freiheit und Menschenrechte dieselbe Bedeutung für eine Bahraini haben wir für einen Amerikaner, Syrer oder Libyer, und dass politisches Kalkül nicht vor Freiheit und Menschenrechten stehen sollten. 

Ich fordere sie auf, in die Augen Ihrer wundervollen Töchter zu schauen, und sich zu überlegen, was sie persönlich opfern würden, damit sie nachts sicher schlafen können, damit sie mit mehr mit Hoffnung als mit Kummer und Furcht aufwachsen können und damit sie ihren Vater und Großvater haben, um deren Umarmung zu suchen, wenn sie Schmerzen haben oder Hilfe brauchen. Letzte Nacht klopfte meine einjährige Tochter an unser Schlafzimmer und fragte nach ihrem Vater, das war das erste Wort, das sie gelernt hat. Es brach mir das Herz. Wie würden Sie einer Einjährigen erklären, dass ihr Vater im Gefängnis ist? Ich muss meiner Tochter auch noch morgen, nächste Woche und die Jahre, die noch kommen, in die Augen schauen und ihr sagen können, dass ich alles getan habe, um ihre Familie und ihre Zukunft zu schützen.

Um meiner Tochter willen, für ihre Zukunft, für das Leben meines Vaters, für das Leben meines Ehemannes, um meine Familie wieder zu vereinen, werde ich meinen Hungerstreik beginnen.

Zainab Alkhawaja, 11. April 2011