15. August 2011

Libyen: Ist die Wende zum Sieg der Aufständischen erreicht?

Seit Sonnabend überschlagen sich die Ereignisse in Libyen. Die Aufständischen drangen gelichzeitig in zwei Städte ein, denen Schlüsselrollen zukommen: Gharyan und Az Zawiya. Gharyan ist deshalb wichtig, weil es erstens die größte Stadt des Nafusa-Gebirges ist und zweitens durch die Stadt die Hauptnachschubroute aus dem Süden nach Tripolis verläuft. Über diese Route kamen v. a. Waffen und Söldner, aber auch Rohöl. Az Zawiya ist mit 200.000 Einwohnern eine der größeren Städte in Libyen und liegt auf der Route zwischen Tunesien und Tripolis. Über diese Route kam die meiste Versorgung für die Hauptstadt, v. a. Benzin und Lebensmittel. Darüber hinaus ist Az Zawiyah ein Symbol des Widerstandes gegen das Gaddafi-Regime, denn die Stadt wurde nach wochenlangen Kämpfen vom Regime zurückerobert, nachdem sie komplett in den Händen der Aufständischen war. Zudem ist sie nur 50 km von Tripolis entfernt. Der Vorstoß nach Az Zawiyah erfolgte sehr schnell, so schnell, dass selbst die Aufständischen überrascht waren. Sie wollten erst heute in der Stadt sein. Dadurch ist es auch zu einem Unglück gekommen: NATO-Flugzeuge haben einen Panzer angegriffen, der von den Aufständischen erbeutet war. So nah an Az Zawiyah hatten sie keine Freiheitskämpfer erwartet. Vier Kämpfer sind dabei umgekommen.

In beiden Städten haben sich die Aufständischen nun festgesetzt und kontrollieren nach eigenen Angaben ein Großteil des Stadtgebietes. In beiden Städten sind aber noch Gaddafi-treue Truppen und v. a. Scharfschützen auf hohen Gebäuden stellen ein großes Problem dar. In Gharyan soll die Kaserne erobert worden sein. Damit wäre dort das größte Problem gelöst: Waffen und Munition, denn an Kämpfern mangelt es den Aufständischen meist nicht. Diese strömen nun mittlerweile aus dem Nafusa-Gebirge v. a. nach Az Zawiyah. Im Nafusa-Gebirge wurden Leute aus Az Zawiyah und Tripolis ausgebildet, die dorthin geflohen waren. Mehrere Hundert bis fünf Tausend sollen es sein, die jetzt ihre Heimatstädte befreien wollen.

Auch Sorman sollen die Aufständischen mittlerweile die Kontrolle haben. Hier wurde ein Gefängnis gestürmt und Tausende befreit. Sorman liegt ebenfalls auf der Route Tunesien-Tripolis und zwar westlich von Az Zawiyah. Zudem soll es am tunesichen Grenzübergang zu Kämpfen gekommen sein, zeitweise war der Übergang wohl auch in den Händen der Aufständischen.

Man kann nur hoffen, dass es stimmt, was vor kurzem ein NATO-Sprecher sagte, dass die Truppen von Gaddafi nicht mehr zu offensiven Operationen in der Lage sind. Im Häuserkampf sind die Aufständischen überlegen, das haben sie mehrfach bewiesen. Trotzdem kann es noch zu heftigen Kämpfen kommen und v. a. Az Zawiyah wird sicher unter Artillerie- und sonsitgem Beschuss zu leiden haben. Aber von einem militärischen Patt kann nicht mehr die Rede sein. Das Regime in Tripolis ist nun auf dem Land von drei Seiten bedroht. Nur noch eine Route nach Süden ist offen und die ist nicht die beste. Die Küstenstraße nach Tunesien dürfte den Aufständischen nicht mehr zu nehmen sein.

Entsprechend sind die Reaktionen des Regimes. Zuerst wurde jeder Erfolg der Aufständischen geleugnet. Gestern nun drohte ein Sprecher im Staatsfernsehen mit der "Auslöschung" sämtlicher Orte im Nafusa-Gebirge, wenn die Kämpfer sich nicht zurückziehen würden. Anders reagierte der Innenminister Nasser al-Mabruk Abdullah. Er traf zusammen mit neun Familienmitgliedern in Kairo ein. Er reiste mit einem Touristenvisum nach Ägypten. An seiner Stelle würde ich auch erstmal Urlaub machen.