26. März 2011

Syrien: Der Aufstand erfasst das ganze Land

Nach den Freitagsgebeten erlebte Syrien einen landesweiten Aufstand. Neben Daraa und Damaskus wurden Demonstration aus Aleppo, Al-Tall, Baniyas, Deir ez-Zour, Duma, Hama, Homs, Idlib, Jabala, Jassem, Abu Kamal, Latakia, Maarat al-Numan, Al Qamishli, Ar Raqqah und Sanamein gemeldet. Und damit sind sicher nicht alle Orte erfasst. In vielen Parolen wurde sich auf die Stadt Daraa bezogen. Es dominierten die Rufe nach Freiheit und dem Sturz des Regimes. Die Demonstranten wollen keine "Reform", sondern eine Revolution – jedenfalls nach syrischen Maßstäben. So geschahen auch unerhörte Dinge: Portraits von Bashar al-Assad wurden zerstört und in Daraa auch ein Denkmal seines Vaters Hafiz al-Assad. Auch Einrichtungen der Baath-Partei, der syrischen Staatspartei, wurden angegriffen. Aber im Wesentlichen waren die Demonstrationen friedlich. In Daraa versammelten sich an die 50.000 Menschen. Viele kamen aus den umliegenden Dörfern und Städten, um ihre Unterstützung nach dem Massaker am Mittwoch zu zeigen. In Damaskus gab es viele, wenn nicht Dutzende Demonstrationen von 100 bis 3.000 Menschen. Sie sammelten sich in den einzelnen Stadtteilen und den zahlreichen Vorstädten Damaskus'.

Überall sahen sich die Demonstranten mit staatlicher Gewalt konfrontiert. Neben Tränengas und Schlagstöcken trafen sie scharfe Schüsse von Sicherheitskräften, aber auch von Leuten in Zivilkleidung, die offensichtlich auf staatlichen Befehl handelten. Von überall werden Verletzte gemeldet. Und wieder Tote. In Sanamein ist von 20 die Rede und in Daraa von 25. Aus anderen Städten gibt es ebenfalls Berichte über getötete Demonstranten. Angesichts der Medienzensur in Syrien ist es aber schwierig, sichere Zahlen zu bekommen. Aus Daraa wurden die internationalen Medien noch vor den Freitagsgebeten herausgeworfen.

Am Nachmittag vermeldete das syrische Informationsministerium noch, alles sei ruhig. Nicht mal eine Stunde später war es nicht mehr zu leugnen, auch die Schüsse auf Demonstranten nicht. So behauptete man jetzt, dass sich unter die Demonstranten Bewaffnete gemischt hätten, die auf die Sicherheitskräfte geschossen hätten. Und diese hätten nur in Erwiderung geschossen. In Damaskus, wo fast alle ausländischen Journalisten sind, wurden flugs Demonstranten für die Regierung organisiert und vor dem Gebäude, in dem u. a. Al Jazeera residiert, postiert; verbunden mit der Aufforderung mal solle doch über das "wahre Syrien", das natürlich seinen Präsidenten liebt, berichten.