21. Februar 2011

Libyen: Das Gaddafi-Regime führt Krieg gegen das Volk

Vorbemerkung: Die Kommunikationswege in und aus Libyen sind vom Regime, so weit es geht, gekappt worden. Das macht eine Berichterstattung noch unsicherer. Trotzdem, jetzt muss erst recht alles gesagt werden, was gesagt werden kann.

Es gab am Vormittag Massenproteste, für den Abend waren weitere angekündigt. Diese hatten den Sturz des Regimes zum Ziel. Nun hat das Regime zum Gegenschlag ausgeholt - mit einer ungeheuren Brutalität und Menschenverachtung. Die Drohung von Saif Gaddafi, Libyen würde in einem See von Blut versinken, ist wahr geworden. Begonnen hat es damit, dass Bewaffnete des Regimes systematisch die Blutkonserven der Krankenhäuser gestohlen haben. Dann wurden alle Kommunikationswege, die das Regime kontrolliert, gesperrt: Internet, Mobilfunk und auch das Telefonnetz. Der Terror brach los als Demonstranten mit Granaten beschossen wurden. Gleichzeitig fielen Söldner mit Jeeps in die Innenstadt von Tripolis ein und fingen an, auf alles zu schießen, was sich bewegte: Männer, Frauen und Kinder. Panik brach aus. Und es geschah das Unfassbare. Kampfflugzeuge tauchten am Himmel von Tripolis auf und bombardierten die Menschenmengen. Ein Bombenkrieg gegen das eigene Volk!* Das erklärte auch einen bis dahin rätselhaften Vorfall auf Malta. Dort waren zwei libysche Kampfjets gelandet. Unangekündigt und ohne Genehmigung. Sie gaben an, notlanden zu müssen, weil sie keinen Treibstoff mehr hatten. Später gaben die Piloten, zwei Colonels, der libyschen Luftwaffe zu Protokoll, ihnen sei befohlen worden, Aufständische in Benghazi zu bombardieren. Dieses hätten sie, als sie die Menschen aus geringer Höhe sahen, nicht machen wollen und sie seien deshalb desertiert.

Seit den ersten Luftangriffen werden Stadtteile von Tripolis im Abstand von 15-20 Minuten aus der Luft angegriffen.* Auch gegen Benghazi gibt es Luftangriffe. Dort sollen zwei weitere Piloten den Befehlen nicht folgegeleistet haben, sondern auf dem Flughafen von Benghazi gelandet sein. Die Stadt Misratah, 210 km östlich von Tripolis gelegen und auch in der Hand von Aufständischen, meldete ebenfalls Luftangriffe und Beschuss durch Kampfpanzer. In Tripolis terrorisieren die Söldnerbanden weiter unentwegt die Bevölkerung und auch Scharfschützen sind dabei, wahllos Menschen zu töten. Krankenwagen, die Verwunderte bergen wollen, werden ebenfalls beschossen. Es sollen sogar Ärzte in den Krankenhäusern getötet worden sein. Gerüchte besagen, das auch nicht-afrikanischen Truppen unter den Söldnerbanden sind und dass weitere aus dem Ausland eintreffen. Es scheint, als rekrutiere das Regime alle Söldner, die zur Zeit zur Verfügung stehen, um Krieg gegen das Volk zu führen.

Und warum dieser Terror? Denkt das Regime mit Gaddafi an der Spitze wirklich noch, es könnte seinen Untergang aufhalten? Seit dem Massker in Benghazi und spätestens seit den ersten Schüssen auf Unbewaffnete in Tripolis hat das Regime das ganze Volk gegen sich.

"Ich habe Libyen aufgebaut, ich kann es auch zerstören", soll Gaddafi gesagt haben. - Ich hoffe, er und sein Sohn Saif können nicht mehr rechtzeitig fliehen.

* Die Meldungen von Luftangriffen auf die Menschen in Tripolis haben sich im Nachhinein als falsch erwiesen. Sie entstanden in der Panik, die der massive Gewalteinsatz seitens des Regimes auslöste. Sie geistern auch heute noch durch die Medien. Der Einsatz von Kampfjets gegen Benghazi hingegen kann als gesichert angesehen werden. In Misratah ist der Einsatz von Militärhubschraubern bezeugt, ohne dass es aus meiner Sicht ernsthafte Zweifel daran gibt.

Libyen: Es wird eng für das Gaddafi-Regime

Vorbemerkung: Die Nachrichtenlage zu Libyen ist weiterhin schlecht. Deshalb sind immer noch alle Meldungen mit Vorsicht zu behandeln.

In Benghazi sind gestern die letzten Einheiten des Regimes überwältigt oder in die Flucht geschlagen worden. Nicht zuletzt wohl dank einer Armeebrigade, die sich auf die Seite des Volkes geschlagen hat. Der Osten Libyens scheint damit fast vollständig unter der Kontrolle der Aufständischen zu sein. Die Sieg der Aufständischen im Osten und die Berichte über das Morden des Regimes haben seit gestern Abend auch die Menschen in der Hauptstadt Tripolis auf die Straßen gebracht. Sie wollen es nun zum Ende bringen, wie es in vielen Äußerungen heißt. Unterstützung erhalten sie auch aus anderen Städten im Westen Libyens. Zudem hat das größte Berbervolk Libyens, die Warfala (ca. 1 Million Angehörige), dem Gaddafi-Regime den Krieg erklärt. Andere sind dem gefolgt, so die libyschen Tuareg (ca. 500.000).

Seitdem toben schwere Auseinandersetzungen in Tripolis. Und das Gaddafi-Regime geht mit derselben unglaublichen Härte vor wie in Benghazi. Söldner und Spezialeinheiten gehen gegen Zivilisten vor und massakrieren sie. Und auch hier gibt es Berichte wonach die Mörder des Regimes vor den Krankenhäusern nicht haltmachen, sondern ihr Massaker dort fortsetzen. Saif El Islam, ein Sohn Gaddafis hat in der Nacht eine Rede gehalten. Sie bestand aus einer Mischung aus Drohungen, Verschwörungstheorien, Versprechungen und der Ankündigung "bis zum letzten Mann und bis zur letzte Patrone" kämpfen zu wollen. Den Versprechungen glaubt aber kein Mensch mehr. Die Vorgänge in Benghazi und zuletzt in Tripolis haben das wenige Vertrauen der Menschen endgültig zerstört.

Nach einer kurzen Ruhe am Morgen sind die Auseinandersetzungen wieder aufgeflammt. Es sollen alle Polizeiwachen Tripolis zerstört worden sein und auch das Hauptregierungsgebäude. Polizei ist gar nicht mehr zu sehen. Der Einflussbereich des Regimes soll erheblich verringert worden sein. Die Stadt ist zu etwa 90% in den Händen der Aufständischen. Zudem gibt es Absetzbewegungen vom Regime. Offiziere der Sicherheitskräfte hätten geplündert, der Justizminister ist zurückgetreten und der Militärchef soll unter Hausarrest stehen, nachdem er Befehle verweigert hat.

Vor dem Abendgebet ist es nun wieder ruhiger geworden, aber für heute werden weitere Kämpfe erwartet. Die Aufständischen sollen dafür mit Verstärkungen aus anderen Gegenden rechnen können.

Letzten Meldungen zufolge "analysiert" das Weiße Haus in Washington DC die Rede von Saif Gaddafi, ob sich aus ihr "Möglichkeiten für bedeutende Reformen" ergeben. Nachdem die CIA neulich zugab, die Stimmung in Ägypten völlig falsch eingeschätzt zu haben, lässt sich in diesem Fall nur eines sagen: Spart euch die Analyse. Es gibt für das Gaddafi-Regime keinen Spielraum mehr in Libyen.