7. April 2011

Syrien: Predigt des Imam Mouadh Khateeb am 5. April in Duma

Dies sind Auszüge aus der Predigt von Imam Mouadh Khateeb am 5. April in Duma. So würde sie sicher kein Geitlicher in Westeuropa halten, allein der patriarchalischen Töne wegen. Trotzdem, sie ist nun mal ein authentisches Zeugnis dessen, was in Syrien los ist. Und die Zeugnisse der Opposition sind rar genug.

"Es ist unwichtig, ob ein Mann Sunit, Schiit, Alawit, Druse oder Ismailit, ein Araber oder ein Kurde ist, der Wert des menschlichen Seins liegt in den Augen Gottes in seiner Frömmigkeit. Wir sind alle eins. Ich sage das zu Euch, dem die Alawiten näher sind als die meisten anderen Menschen. Ich kenne ihre Dörfer, ihre verarmten Dörfer, in denen sie in Unterdrückung leben und schwer leiden. Wir sprechen von der Freiheit eines jeden Menschen in diesem Land, für jeden Sunniten, jeden Alawiten, jeden Ismailiten, jeden Christen, jeden Araber und jedes Mitglied der großartigen kurdischen Nation, die den Islam schon immer in ihrem Herzen trägt…Wir leiden mit jedem gefallenen Bruder, der nur sein gottgebenes Recht wahrnimmt…Freiheit ist jedem von uns von Geburt an gegeben und kein Geschenk, das von irgendjemand gewährt wird. Freiheit ist ein Segen Gottes, nicht etwas, was einem Herrscher, einer Regierung oder einem Staat gehört…Das Herz des syrischen Volkes weint Blut über jede Mutter, über jede Wunde eines Märtyrers…über dieses großartigen Volk, das sein Recht auf Demonstration wahrnahm, friedlich und unbewaffnet, während es "friedlich, friedlich" rief…Ich finde es wirklich traurig, wie die Medien elendig versagen. Wann kommen sie und sehen sich an, unter welchen Bedingungen die Menschen leben müssen und was ihre Forderungen sind?...Ich war an der Rifgai-Moschee und sah, wie mit Elektroschlagstöcken gegen Menschen vorgegangen wurde, nur weil sie ihre Freiheit forderten. Wir fordern, dass diese Leute sich dafür verantworten müssen. Dieses Land erlebt große Unruhen, und wir fordern den Staat auf, in dem sich hoffentlich die weisen Leute durchsetzen: Beenden sie das und öffnen sie die Tore zu Freiheit allmählich und im geordneten Übergang…Alles, was wir jetzt fordern, ist eine ergebnisoffene Untersuchung, dass jeder Missetäter zur Verantwortung gezogen wird, die Verkündung eines Zeitplanes für Reformen, auf die wir sehnsüchtig warten. Gott segne Euch!"

Syrien: Konzessionen und Einschüchterungen

Am Vorabend des Freitags versucht das syrische Regime durch Konzessionen verschiedene Gruppen der syrischen Gesellschaft zu beruhigen. Gleichzeitig setzt es weiter auf Repression.

So wurde per Dekret des Präsidenten den staatenlosen Kurden die syrische Staatsbürgerschaft gewährt. Unklar ist noch, wie viele dies betrifft. Zudem wurden 48 kurdische Häftlinge freigelassen. Sprecher der kurdischen Minderheit ließen sich davon nicht beeindrucken. "Unser Anliegen ist Demokratie für ganz Syrien. Die Staatsbürgerschaft ist ein Recht, das jedem syrischen Bürger zu steht, und kein Privileg, das jemand gewähren kann", sagte Habib Ibrahim, Führer der DUKP. Und ein Sprecher der kurdischen Partei Yakety meinte: "In Syrien ist jeder sozial benachteiligt, ob mit oder ohne Staatsbürgerschaft."

Als Zugeständnis an die Religiösen gilt die Schließung des einzigen Glückspiel-Kasinos in Damaskus, das erst Neujahr dieses Jahres eröffnet worden war. Zudem dürfen Lehrerinnen wieder den Niqab tragen, einen Gesichtschleier, der nur die Augen freilässt. Lehrerinnen, die deswegen entlassen worden sind, sollen auf Wiedereinstellung hoffen dürfen.

Gleichzeitig gehen die Verhaftungen und Einschüchterungen weiter. Als ein Bespiel sei Malath Aumran (Twitteraccount: @MalathAumran) genannt. Aumran ist ein Pseudonym, das ein sehr bekannter Aktivist verwendet. Sein Avatar ist eine Synthese aus vielen Fotos syrischer Männer. Seit Jahren versuchen die Geheimdienste Syriens, ihn zu fassen. Sie versuchten es als Reporter getarnt oder gaben sich als Gleichgesinnte aus. Andere Versuche, ihn zu kompromittieren, starteten die Agenten, in dem sie sich als schöne Frauen ausgaben, die nach ein paar politischen Debatten auch ein Date wollten. Bei solchen Versuchen verwenden die syrischen Geheimdienste auch schon mal ein Foto von Julia Roberts. Als ihm der Boden in Syrien zu heiß wurde, ist er – wie viele oppositionelle Syrer – in den Libanon geflüchtet. Leider ist es den Schergen des Regimes nun gelungen, die Identität Aumrans zu enthüllen. Er heißt Rami Nakhla. Ein Agent erinnerte sich während eines Interviews, das Aumran gab, an die Stimme. Er hatte ihn schon mal verhört. Nakhla stammt aus As-Suwayda und ist dort gut bekannt. Nun hat ihm das Regime eine Drohung übermittelt und zwar auf der Facebook-Seite von Malath Aumran. Entweder er stellt alle Aktivitäten ein oder man werde seine Familie in Syrien festnehmen. Nakhla hat sich entschieden: "Ich habe Freunde im Gefängnis. Ich werde sie nicht enttäuschen. Ich habe Freunde, die gestorben sind. Ich werde sie nicht enttäuschen. Ich bin jetzt für jeden verantwortlich, den ich ermutigt habe, auf die Straße zu gehen. Ich werde nicht aufgeben", sagte er. "Ich bin sicher, meine Familie versteht das. Aber es ist eine schwere Entscheidung. Möglicherweise überantworte ich meine Verwandten heute Nacht der Folter." - Rami Nakhla ist kein Einzelfall in Syrien, nur zurzeit der prominenteste.