19. März 2011

Libyen: Alhurra-Gründer Mohammed Nabbous ermordert

Der Gründer von Alhurra, Mohammed Nabbous, wurde heute von Heckenschützen des Regimes während des Angriffs auf Benghazi getötet. Nabbous war, seitdem die Aufständischen eine Radio- und Fernsehstation in Benghazi besetzten konnten, eines der bekanntesten Gesichter des libyschen Volkes. Schnell wurde Alhurra eine der wichtigsten Stimmen der Opposition in Libyen. Per Livestream über eine Satellitenverbindung berichtete er von den Ereignissen, beantwortete Fragen aus aller Welt und koordinierte auch Hilfsaktionen.

"I am not afraid to die, I am afraid to lose the battle!"
Seine bekannteste Reportage von den Kämpfen in Benghazi, 19.02.2011

Seine letzte Reportage, 19.03.2011, aus Benghazi:


Mohammed Nabbous wurde 28 Jahre alt. Er hinterlässt eine Frau, die schwanger ist.

Syrien: Demonstrationen und Tote am Freitag

Nach den Freitagsgebeten kam es in Syrien in mehreren Städten zu Demonstrationen gegen das Regime. In Damaskus, Daraa, Baniyas und Homs. Die Parolen riefen nach Freiheit und wandten sich gegen Korruption. In Daraa fanden mit mehreren Tausend Demonstranten die größten Proteste statt. Und hier wurden sie von Sicherheitskräften, die u. a. mit Hubschraubern in die Stadt eingeflogen wurden, beschossen. Drei Tote sind namentlich bekannt. Die Regierung machte "Infiltratoren" (Saboteure und Spione) für die Unruhen verantwortlich.

Syrien wird seit 1971 vom Assad-Clan regiert. Bis zum Jahr 2000 von Hafiz al-Assad, danach von seinem Sohn Bashar. Die politische Macht liegt seit 1963 bei der Baath-Partei, deren Vorsitzender auch der Präsident ist. Beide Ämter hat Bashar al-Assad quasi von seinem Vater geerbt.

Der letzte Aufstand gegen die Regierung fand 1982 statt. In der Stadt Hama erhoben sich Bewaffnete der Moslembruderschaft (MB) nach einer Razzia der Armee, die Zellen der MB ausheben sollte. Die Revolte wurde mit allergrößter Härte von den Regierungstruppen niedergeschlagen. Es fand ein Massaker statt. Die Opferzahlen werden mit 10–20.000 angegeben.

Nach den Unruhen in der arabischen Region hat die Regierung deutlich gemacht, dass sie keinerlei Bedarf für politische Reformen in Syrien sieht. Man sieht sich im Einklang mit dem Volk und dessen Willen. Die einzigen Reformen, die in den letzten Jahren stattfanden, waren ökonomische in Sinne des Neoliberalismus'. Also Privatisierungen, Sozialabbau und Streichung von Stellen im öffentlichen Dienst.

Dass Daraa Zentrum der gestrigen Proteste war, ist wohl kein Zufall. Die Stadt beherbergt Tausende Flüchtlinge, die vor der Wasserkrise in der Hauran-Ebene betroffen sind. Diese Krise des einstigen Brotkorbes Syriens hat ihre Ursachen im Klimawandel, aber auch in der Misswirtschaft des staatlichen Wassermanagements. Korruption ist weit verbreitet. So richteten sich die Parolen u. a. direkt gegen den Wirtschaftsboss und Banker Rami Makhlouf, einen Cousin Bashar al-Assads.

Letzten Mittwoch gab es in Damaskus eine Demonstration von Angehörigen politischer Gefangener. Die etwa 200 Demonstranten wurden von der Polizei mit Schlagstöcken auseinandergetrieben. Es kam zu Festnahmen. Die "Anklage" lautet auf "Schwächung der nationalen Moral". Gestern nun hatten Gruppen zu einem "Tag der Würde" aufgerufen.

Heute wurden zwei der gestrigen Opfer in Daraa beerdigt. Die Sicherheitskräfte haben die Stadt abgesperrt, man durfte heraus, aber niemand herein. Erneut wurde Parolen gerufen: "Gott, Freiheit, Syrien!" und als Antwort auf die Anschuldigungen der Regierung, sie seien Verräter: "Wer sein Volk tötet, der ist der Verräter!". Die Trauergemeinde wurde mit Tränengasgranaten angegriffen.