19. Juni 2011

Syrien: "Du kannst die Blumen zertreten, Bashar, aber Du kannst den Frühling nicht aufhalten."

Die Demonstrationen dieses Freitages waren Saleh al-Ali gewidmet, einem Widerstandskämpfer gegen die französische Besatzung nach dem Ersten Weltkrieg. Natürlich tobte das Regime ob dieser Wahl. Das sei ein "Missbrauch" des Helden. Die Baath-Partei gibt sich als den einzigen Garanten der syrischen Souveränität. Doch die nationalistische Rhetorik verfängt schon lange nicht mehr bei den Demonstranten. Erinnert sei an die Parole: "Wer auf das Volk schießt, ist der Verräter." Ihre Wahl Saleh al-Alis signalisiert auch noch etwas anderes. Sie wollen sich nicht auf religiöse Spaltungen einlassen und der Vorwurf, sie seien sunnitische Extremisten, wird zurückgewiesen: denn Saleh al-Ali war Alawit.
Demonstration am Freitag, den 17.06.2011, in Hama
Ich wiederhole es gerne: Es werden nicht weniger. Dieser Freitag sah mindestens genauso viele Demonstranten wie die Freitage zuvor. "Du kannst Blumen zertreten, Bashar, aber Du kannst nicht den Frühling aufhalten" war auf einem Transparent zu lesen. Zunehmend soll sich auch die Mittelschicht beteiligen. Bisher waren die Proteste v. a. von der Mehrheit der Armen getragen worden.

Und schon am nächsten Tag, den Sonnabend, gab es vielerorts wieder Demonstrationen. Denn das Regime ließ am Freitag wieder schießen. Etwa 20 Tote waren zu verzeichnen. Ohne zu übertreiben kann man sagen, dass es in Hama, Deir Azzour und Harasta (ein Vorort von Damaskus) jeweils(!) Zehntausende waren, die den Toten das letzte Geleit gaben.

Und das Regime? Nun, unter der Woche wurde verkündet, Rami Makhlouf (Cousin von Bashar und reichster Syrer) würde sich aus seinen Geschäften zurückziehen und nur noch für die Allgemeinheit arbeiten, Jobs schaffen und Teile seines Vermögens für wohltätige Zwecke spenden. Was von diesen Ankündigungen gehalten wurde, zeigte sich, als erneut wieder Niederlassungen von Syratel, der Mobilfunkfirma Makhloufs, verwüstet wurden.

Ach ja, und dann gibt es noch die Kampagne einiger Kräfte des Regimes, die die Demonstranten als schwul diffamieren. Ja, richtig gelesen, der Vorwurf lautet: "Die sind doch alle schwul!" So weit zum politischen Niveau des Regimes.

12. Juni 2011

Syrien: Während er das Volk töten lässt, traut sich Bashar Assad nicht mal ans Telefon

Auch diesen Freitag sah Syrien Demonstrationen allerorten. Und es waren mindestens genauso viele auf den Straßen wie am vorherigen Freitag. In und um Damaskus gab es mindestens zwölf Demonstrationen. Erstmals wurde auch mitten in Damaskus, im Stadtteil Midan, geschossen. In den Parolen wurde häufig Solidarität mit der Stadt Jisr Al-Shugur bekundet.

Nach tagelangem Aufmarsch und Angriffe auf umgebende Dörfer und Kleinstädte hat die syrische Armee am Sonnabend dann den befürchteten Angriff auf Jisr Al-Shugur begonnen. Seit den frühen Morgenstunden wurde die Stadt beschossen. Am heutigen Sonntag sind die Streitkräfte des Regimes wohl nun einmarschiert.

Die Berichte der Flüchtenden klingen als ob eine fremde Armee in ein feindliches Land einfällt und es verheeren will: Panzer beschießen Wohnhäuser, Felder und Olivenhaine werden verbrannt, Hubschrauber überfliegen die Gegend und schießen wahllos auf Menschen. Und wer kann, flieht vor der Soldateska. Hier führt jemand erbarmungslos Krieg. Aber es ist das eigene Regime, das gegen das Volk vorgeht.

Aber es ist nicht das erste Mal, dass die syrische Armee gegen eine Stadt vorgeht. Daraa und Talkalakh sind nur die prominentesten Beispiele dafür. Aber auch Hama, Homs, Latakia, Banyas, Idlib, Jablah, Rastan, Jassim, Darayya und Al Tal sahen und sehen den Einsatz von Militär gegen eine Zivilbevölkerung, die nur ihre demokratischen Rechte einfordert. Auch in diesen Städten wurde bewusst ökonomischer Schaden angerichtet, Geschäfte und Wohnungen geplündert. In und um Jisr Al-Shugur scheint nun ein ganzer Landstrich betroffen zu sein.

Die Zahl der Todesopfer, die diese Militäraktion im Norden Syriens bisher gefordert hat, ist unklar. Bis gestern soll es 50 Tote gegeben haben, aber es ist zu befürchten, dass die Zahlen noch steigen werden, zumal von "anhaltenden Kämpfen" die Rede ist. Dabei sind wohl desertierte Soldaten beteiligt, die versuchen, die Angreifer zu stoppen. Wobei ihnen klar sein wird, dass sie dabei sterben werden, zu groß ist die Übermacht. Aber es gibt mehr und mehr Soldaten, die ihren Auftrag, das Volk zu schützen, ernst nehmen und lieber sterben als auf unbewaffnete Zivilisten zu schießen. Doch noch sind sie in eine verschwindend kleine Minderheit.

Während das Volk trotz aller Repression täglich auf die Straße geht und die Menschen dabei ihr Leben riskieren, traut sich Bashar al-Assad nicht mal ans Telefon. Zweimal hat der UN-Generalsekretär versucht, den Präsdidenten Syriens zu erreichen, beide Male war der "Führer Arabiens" für den Ban Ki Moon nicht zu sprechen. Man könnte fast meinen: Je mutiger das Volk, desto feiger der Tyrann.

9. Juni 2011

Syrien: Erklärung der Menschen von Hama

Angesichts der Ereignisse in Hama vom letzten Freitag, der Geschichte Hamas und der Tatsache, dass morgen wieder ein Freitag, also ein Tag des Protestes in Syrien ansteht, haben sich die Bewohner von Hama zu folgender Stellungnahme entschlossen.

Erklärung von Hama

Wir schwören beim Allmächtigen Gott, dass wir beharrlich unseren friedlichen Kampf für Freiheit, Demokratie und Gerechtigkeit fortsetzen werden; auch für das teure Blut derer, die auf diesem Wege bisher getötet wurden.

Die Menschen in Hama sind wiederholt von Massakern betroffen gewesen, vom Massaker von 1982 bis zum Freitag, den 3. Juni 2011 (Freitag für die Kinder der Freiheit). Diese Massaker wurden von den repressiven Sicherheitskräften des Regimes an friedlichen und unbewaffneten Protestierenden durchgeführt. Der erste Aufruf zu einem dreitätigen Streik war sehr erfolgreich. Darauf aufbauend und im Glauben an unsere friedliche Revolution warnen wir, die Menschen von Hama, die syrischen Machthaber: Sollten sich ähnliche Szenarien wiederholen, werden wir zum zivilen Streik aufrufen, beginnend mit folgenden Maßnahmen, und wir werden unseren Streik friedlich eskalieren, wenn die Sicherheitskräfte ihre Repression eskalieren:

1. Alle Geschäfte und Unternehmen werden geschlossen.
2. Beschäftigte des öffentlichen und privaten Sektors werden nicht zu ihren Arbeitsplätzen gehen, außer in den Bäckereien und dem Gesundheitssektor wie Krankenhäuser und Apotheken.
3. Alles Geld, das bei öffentlichen und privaten Banken liegt, wird abgezogen.
4. Alle Rechnungen für öffentliche Dienstleistungen wie Elektrizität und Wasser werden nicht bezahlt.
5. Alle Arten von Gebühren und Geldbußen werden nicht bezahlt.
6. Alle staatlichen Läden werden boykottiert.

Wir, die Menschen von Hama, erwarten, dass die Generäle und Angehörigen der syrischen Armee ihre Brüder und Schwestern unterstützen, indem sie Befehle zu Mord und Terror an den unschuldigen Einwohner verweigern.

Im Vertrauen auf Gott

9. Juni 2011

7. Juni 2011

Syrien: Was geschah in Jisr al-Shughur? Was in Yarmouk?

Die syrischen Staatsmedien haben bekannt gegeben, in Jisr al-Shughur seien 120 Sicherheitskräfte von "bewaffneten Banden" getötet worden. Fest steht, die Stadt (ca. 50.000 Einwohner, im Norden an der Grenze zur Türkei gelegen) ist seit Sonnabend von Schergen des Regimes terrorisiert worden. Dabei soll auch aus Hubschraubern auf Menschen am Boden geschossen worden sein. Am Sonntag gab es wohl den Versuch, die Stadt militärisch zu besetzen.
Da die syrischen Staatsmedien gerne behaupten, Städte hätten um den Einsatz der Armee "gebeten",
haben die Bewohner von Jisr al-Shughur schon mal ihre Meinung auf den zentralen Platz niedergeschrieben:
"Jisr al-Shughur will keine Besetzung durch die Armee"
Die Besetzung ist verhindert worden. U. a. haben Bewohner aus den umliegenden Dörfern Straßensperren errichtet. Auch soll es da schon zu Desertierungen auf Seiten einiger Soldaten gekommen sein. Und wieder soll auf Menschen aus Hubschraubern geschossen worden sein, auch auf Menschen, die auf den Feldern arbeiten. Zurzeit hat die Weizenernte begonnen. Am Montag war es in der Stadt relativ ruhig. Dabei soll es laut staatlichen Medien am Montag zu den meisten Opfern unter den Sicherheitskräften gekommen sein. Aktivisten berichten, sie hätten am Montag aus dem Hauptquartier der Polizei Explosionen und Schüsse gehört. Deshalb vermuten sie, dass eine Meuterei stattgefunden hat, bei der sich Polizisten weigerten, auf die unbewaffneten Bewohner der Stadt zu schießen, und die deswegen erschossen worden sind. Das wäre an sich nichts neues, nur das Ausmaß der Weigerung wäre bisher unbekannt.

Die Version der staatlichen Medien ist wesentlich unglaubwürdiger als die Vermutungen der Opposition. Zwar gibt es vereinzelte Stimmen bei der Opposition, die angesichts der mittlerweile über 1.300 Toten verständlicherweise dazu aufrufen, sich auch bewaffnet zu wehren, aber diese sind marginal und von deratigen Aktionen ist bisher nichts bekannt. Zudem hätten sie kaum die Möglichkeit, 80 Polizisten an einem Tag und an einem Ort zu töten, wie es von den staatlichen Medien behauptet wird. Eine Schießerei zwischen Sicherheitskräften in einem Hauptquartier kann dagegen sehr wohl zu solchen Verlusten führen.

Das Innenministerium Syriens hat angekündigt, mit voller Härte durchzugreifen. Was das in Syrien bedeutet, kann man sich vorstellen. Und so verwundert es nicht, dass viele Einwohner Jisr al-Shughurs momentan versuchen, über die nahe gelegene Grenze in die Türkei zu fliehen.

Am Montag kam es in Yarmouk, einem Palästinenserlager in Damaskus zu schweren Ausschreitungen. In Syrien leben ca. 500.000 Palästinenser. Diese haben zwar einen syrischen Pass, aber nicht die syrische Staatsangehörigkeit. Unter Nation steht in ihren Pässen: "ungeklärt". Es sind die vertriebenen Araber aus Palästina von der Staatsgründung Israels im Jahre 1948 und deren Nachkommen. Unter den Palästinenser"lagern" darf man sich keine Zeltlager vorstellen. Es sind ausgewachsene Vorstädte oder Stadtteile. Yarmouk ist ein solcher Stadtteil in Damaskus, der vorwiegend von Palästinensern bewohnt wird. Hier ist auch das Hauptquartier der PFLP-GC, einer von Syrien gegründeten Palästinenserorganisation. Bei einer Beerdigung von Aktivisten, die bei Protesten an der Grenze zu Israel am Sonntag (Gedenktag zum Sechstagekrieg) umkamen, ist es zu Sprechchören gegen die pro-syrischen Palästinenserorganisationen einschließlich der Hamas gekommen. Diese Organisationen führen sich in den Palästinenserlagern ähnlich auf wie die syrische Regierung und diese lässt sie gewähren. Jedenfalls wurde das Hauptquartier der PFLP-GC angezündet. Spätestens dann haben Milizen der PFPL-GC und syrische Sicherheitskräfte auf die Demonstranten geschossen. Es ist von elf Toten berichtet worden.

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Zum Kommentar unten, den ich aus technischen Gründen selber nicht als Kommentar machen kann:

So, ich bin also unkritisch. Da hat sich einer dieser "Der Westen ist immer böse, an allem schuld und seine Medien lügen immer"-"Antiimperialisten" auf diese Seite verirrt. Wer den Blog dieses Menschen liest, weiß schnell, wes Geistes Kind das ist. Ich will hier nur auf den Eintrag eingehen, den der Mensch hier als Link angibt. Und der Mensch möge sich bitte nicht angesprochen fühlen. Ich habe mehrere Diskussionen mit solchen "Antiimperialisten" hinter mir, da ist Hopfen und Malz verloren.

"Am gestrigen Mittwoch brachte die deutsche Tagesschau über Syrien einen total verlogenen Bericht von Ulrich Leidholdt aus dem ARD-Hörfunkstudio Amman im Königreich Jordanien, wo die gegenwärtig im Süden von Syrien eingesetzten Terrorkommandos ihre Basen haben." Die Mär von den Terrorkommandos in Syrien stammt vom Assad-Regime. Kann ja auch gar nicht sein, dass da Menschen nach fast 50-jähriger Alleinherrschaft einer Partei und über 40-jähriger Herrschaft des Assad-Clans die Nase voll vom Regime haben. Im "Süden von Syrien" hat es übrigens damit angefangen, dass Schüler(!) aus Daraa festgenommen, nach Damaskus verschleppt und gefoltert wurden. Zumindest die Festnahmen und die Verschleppung nach Damaskus leugnete nicht mal das Assad-Regime.

"Ulrich Leidholdt behauptet da zum Beispiel, dass die syrische Regierung, die er zur Stimmungsmache gegen Syrien als „Regime“ bezeichnet, „Journalisten die Einreise verweigert.“ Diese platte Lüge ist leicht durchschaubar. Wie oben zu sehen ist, kommen Fotos aus Syien bei Reuters an, und Journalisten wie Karin Leukefeld berichten aus Syrien darüber was dort geschieht und nicht geschieht. Der ARD-Propagandist Ulrich Leidholdt hingegen meint sich, seinesgleichen und die total verlogenen zionistischen Volksverhetzer, wenn er von Journalisten redet. Er will die Menschen damit glauben offenbar machen, nur weil die syrische Regierung goebbelsche Volksverhetzer, zionistische Lügner und die traditionell mit dem Zionismus eng verbundenen Deutschen von ARD und ZDF nicht einreisen lässt, gäbe es in Syrien keine Journalisten." Der Sprachgebrauch ist verräterisch. Das ist nicht Sprachgewalt, sondern Sprachgewalttätigkeit. Ich kenne solch eine Hetze nur von Stalinisten und Nazis.

Ich bezeichne die Regierung Syriens auch als Regime, weil ihr jede demokratische Legitimität fehlt. Die Baath-Partei hat sich die "führende Rolle" in die Verfassung geschrieben und sich per Gesetz auch gleich noch die Mehrheit im Parlament gesichert. Parteien außerhalb der von der Baath-Partei geführten "Nationalen Progressive Font" sind nicht erlaubt. Da ist "Regime" noch ein harmloser Ausdruck für.

Zudem hat der Mensch da etwas nicht begriffen. Von freier Berichterstattung kann nicht die Rede sein, wenn ich nur mir gefällige oder zumindest nicht unbequeme Journalisten ins Land lasse. Übrigens hat die syrische Regierung schon im März einen Journalisten von Reuters ausgewiesen. Und einen anderen für sechs Tage festgenommen: http://www.rawstory.com/rs/2011/04/03/syria-frees-reuters-photographer-after-6-days/ In dem Artikel wird auch von den Festnahmen dreier weiterer Reuters-Journalisten u. a. berichtet. Das erwähne ich, weil die Präsenz von Reuters als Beleg angeführt wird, es gäbe in Syrien freie Berichterstattung.

"Dass die Mörderbanden, die die syrischen Sicherheitskräfte ermordet haben, den Ort ihrer Verbrechen gefilmt, dabei selbst die Toten noch geschlagen und das dann stolz ins Internet gestellt haben, berichtet Ulrich Leidholdt hingegen genausowenig wie dass dieselben Behauptungen von Seiten der von der NATO unterstützten Mörder in Libyen bereits als Lüge aufgeflogen sind." Verwackelte Amateurbilder sind also kein Beweis. Und was führt der Mensch als "Beweis" für die die "Grausamkeit" der syrischen Oppositionellen an? Richtig, verwackelte Amateurbilder! Übrigens, und das kann man auch in einem Kommentar zu dem Video lesen, trage einige der Opfer Vollbart. Das ist in den syrischen Streitkräften verboten, weil es als ein Ausweis sunnitisch-islamistischer Gesinnung gilt. Also bestehen ernsthafte Zweifel daran, dass es sich um Angehörige der syrischen Armee handelt, die da zu sehen sind. Es gibt Berichte, dass Kämpfer der Hizbollah an der Unterdrückung der Proteste mitwirken. Darüber hinaus gibt es mittlerweile hunderte Videos, die belegen, dass auf friedliche Demonstranten geschossen werden und in der Mehrheit der Fälle ist auch klar, wer da schießt: die syrische Armee und Sicherheitskräfte. Sicher, da sind viele "verwackelt", aber den möchte ich sehen, der da eine ruhige Hand hat, während auf ihn geschossen wird. Das ist die Perfidie, die hinter solchen Ausdrücken wie "verwackelte Amateurbilder" steckt.

"Und dann verbreitet Ulrich Leidholdt in der Tagesschau Gerüchte von Ammar Kurabi, den er als „renommierten syrischen Menschenrechtler“ vorstellt. Ausführlich verbreitet die Tagesschau die von diesem Mann behaupteten faktenfreien Horrormärchen von gefolterten Demonstranten, einschließlich der politischen Einschätzung des Mannes, die syrische Regierung sei selbst Schuld, wenn friedliche Demonstranten Sicherheitskräfte ermorden und Syrien deshalb international sanktioniert werde. Dass Ammar Kurabi Chef der sogenannten „Syrian Human Rights Association“ ist, deren führende Mitglieder bereits in der Vergangenheit durch das vorsätzliche Verbreiten von übelsten Falschinformationen zum Schüren von Gewalt aufgefallen sind, verschweigt Ulrich Leidholdt hingegen." Wer den Artikel, der da angegeben wird, um zu "beweisen", dass dieser Menschenrechtler ein Lügner sei, stellt fest, dass er vom syrischen Regime wegen "Veröffentlichung von Falschinformationen" verurteilt wurde. Eine typische Anklage von diktatorischen Regimes gegen Menschenrechtler. Und nicht umsonst wird Syrien in Berichten von Amnesty International und anderen Menschenrechtsorganisationen stets besonders erwähnt, und das nicht erst seit gestern, sondern seit Jahrzehnten. Die systematische Anwendung von Folter ist in Syrien mit unzähligen Fakten dokumentiert. Als es die ersten Berichte über Demonstrationen in Syrien gab, reagierten viele Araber mit den Worten: "Syrien? Hast du gesagt, es gibt in Syrien Demonstrationen?" Sie konnten es kaum glauben, weil die Brutalität des Regimes selbst für arabische Verhältnisse als extrem gilt.

"Und natürlich sagt er auch nichts dazu, dass der von Zionisten dominierte Kriegsverbrecherstaat USA den verlogenen Versuch, einnen Regime Change in Syrien durchzuführen, eingestandenermaßen konspirativ und mit viel Geld vorbereitet hat." Ja, die USA haben für die demokratische Opposition in Syrien Geld gegeben. Na, und? Da haben die USA schon schlechtere Ausgaben gemacht. Aber so etwas ist bei diesen "Antiimperialisten" immer gleich der Beweis, dass das Ganze von den USA gesteuert ist. Nur noch eins dazu: Die, die jetzt die Proteste in Syrien tragen, sind lokale, spontan gebildete Gruppen, die mit den traditionellen syrischen Oppositionsgruppen wahrlich nicht identisch sind. Das macht einen Teil ihres Erfolges aus. – Und die "Zionisten" dominieren die USA? Na, wer da jetzt an die jüdische Weltverschwörung denkt, ist aber ein ganz Böser.

Dann geht es endlich um den Vorfall in Yarmouk: "Um der deutschen Öffentlichkeit nicht stattfindende Antiregierungs-Demonstrationen in Syrien vorzugaukeln, benutzt die Tagesschau Bilder von der Beerdigungsprozession von Enas. Danach zeigt die Tagesschau Bilder von Menschen, die vor mordenden Terroristen in Deckung gehen, und suggeriert dabei fälschlicherweise, es wären syrische Sicherheitskräfte, die da auf Menschen schießen würden. (…)Mit keinem Wort erwähnt die Tagesschau, dass die Bilder der Beerdigung von Enas nicht Bilder einer Anti-Regierungsdemonstration sind, sondern Bilder von einer sehr regierungsfreundlichen Beerdigung eines Opfers der zionistischen Freunde Deutschlands. Enas wurde von Israel ermordet, weil sie auf das zionistische Unrecht der Verweigerung des Rückkehrrechtes für palästinensische Flüchtlinge aufmerksam machen wollte und die Tagesschau lügt ihre Beerdigung zu einer Demonstration gegen die syrische Regierung um."

Der Reihe nach. Alljährlich gedenken die Palästinenser und Araber der Niederlage im Sechstagekrieg, dem Naksa-Tag. Diesen Krieg als " räuberischen Angrifffskrieg" zu bezeichnen, ist schon eine sehr einseitige Darstellung der Geschichte. Denn sie verschweigt den öffentlich erklärten Vernichtungswillen der arabischen Staaten gegenüber Israel und die arabischen Truppenaufmärsche im Vorfeld dieses Krieges. Aber das nur nebenbei.

Seit 1974 gab es keinen ernsten Vorfall an der syrisch-israelischen Waffenstillstandlinie. Syrien hat seitdem jede Konfrontation mit Israel gemieden. Im Libanonkrieg 1982, als noch syrische Truppen im dem Land standen, haben diese syrischen Truppen sich beim Einmarsch der Israelis zurückgezogen und die Kämpfer der PLO allen pro-palästinensischen Parolen zum Trotz im Stich gelassen. Ich habe persönlich mit einem Palästinenser geredet, der damals dabei war. Auch andere Palästinenser, mit denen ich zu tun hatte, waren auf das syrische Regime nicht sonderlich gut zu sprechen. Stets waren sie der Meinung, dass sie nur Spielball der syrischen Interessen waren. Die pro-syrischen "Palästinenser"gruppen, allen voran die PFLP-GC, seien mit Vorsicht zu genießen, da sie von syrischem Militär und Geheimdiensten durchsetzt seien. Gegen Israel zu kämpfen überlässt das syrische Regime anderen, erst der PLO, später der Hizbollah. Soweit zu dem "Widerstand gegen Israel", den das syrische Regime angeblich führt.

Also, seit 1974 hat Syrien jeden Konflikt mit Israel gemieden. Und plötzlich, als es durch den Aufstand unter Druck gerät, zieht es die "israelische" Karte. Konnte sich sonst kein Mensch der Waffenstillstandlinie nähern, wurden am 5. Juni diesen Jahres mithilfe der PFLP-GC Palästinenser aus Damaskus zur Grenze gefahren und ihnen erlaubt, die israelischen Linien zu überschreiten. Man kann und muss das israelische Grenzregime nicht verteidigen, in der Tat ist es mehr als kritikwürdig. Aber, wer Leute dahin bringt, weiß, was passiert. Es gab es zudem Lautsprecherdruchsagen seitens der israelischen Kräfte, sie würden schießen, wenn es zu Grenzübertretungen kommt. Hier wurden junge Menschen, die sicher für Palästina nur das Beste wollten, von der PFLP-GC und dem mit ihr verbundenen syrischen Regime kalkuliert geopfert, um die Palästinenser im "Widerstand gegen Israel" an das Regime in Damaskus zu binden. Zudem war es ein Signal an alle ausländischen Regierungen, dass das syrische Regime auch die Region destabilisieren könne.

Bei dem Trauerzug für die Opfer kam es dann zum Ausbruch des Zornes der Angehörigen. Diese hatten nämlich das billige Manöver der PFLP-GC und des syrischen Regimes durchschaut. Sie sahen die Jugendlichen in einem Machtspiel geopfert. Deren Tod war vorhersehbar und völlig sinnlos. Dieser Zorn entlud sich erst in Parolen gegen die PFLP-GC und dann in Gewalt gegen das Hauptquartier der PFLP-GC in Yarmouk. Angehörige der PFLP-GC schossen daraufhin auf die Protestierenden. Später trieben syrische Sicherheitskräfte die erzürnten Palästinenser mit Waffengewalt auseinander.

Der Beitrag der Tagesschau war mir unbekannt. Aber es gibt andere Quellen:
Al Jazeera: http://www.youtube.com/watch?v=wYtNFJh4Cjc Allerdings wird Al Jazeera, das in den USA so gut  wie gar nicht empfangen werden kann, weil es immer noch bei vielen als "Terroristensender" gilt, bei den "Antiimperialisten" nicht mehr als seriöse Quelle angesehen, seit dem der Sender nach den Protesten in Tunesien und Ägypten dann auch über die in Libyen und Syrien berichtet.
Gänzlich unverdächtig einer "pro-zionistischen" Berichterstattung sollte auch die Meldung der führenden chinesischen Agentur sein: http://news.xinhuanet.com/english2010/world/2011-06/07/c_13915744.htm

Also, man kann den Tagesschau-Beitrag als ungenau bezeichnen, weil die Proteste sich hauptsächlich gegen die PFLP-GC richteten. Aber über den Beitrag zu sagen: "Auf solch ein dreckiges und verlogenes Stück Propaganda, wie es die Tagesschau hier abliefert, hätte Joseph Goebbels erst mal kommen müssen" ist eine beleidigende Wertung des Berichts angesichts der Tatsachen. Denn diese Palästinenserorganisation, die von einem ehemaligen Offizier der syrischen Armee geleitet wird, ist aufs engste mit dem syrischen Regime verbunden. Folglich ist es schon eher eine Lüge von "einer sehr regierungsfreundlichen Beerdigung" zu sprechen, wie es der Mensch von "Mein Parteibuch Zweitblog" tut.

Im übrigen, wer meinen Beitrag liest, wird feststellen, dass ich keineswegs behauptet habe, dass sich die Demonstranten gegen das syrische Regime gestellt haben, sondern "nur" gegen die pro-syrischen Palästinenserorganisationen. Aber mittlerweile hat sich die Stimmungslage bei den Palästinensern komplett gegen das syrische Regime gewandt. Spätestens seitdem die syrische Armee in Latakia mit Panzern auf ein palästinensisches Flüchtlingslager geschossen hat: http://www.reuters.com/article/2011/08/16/us-syria-idUSTRE77D0LP20110816

Ich kann nur hoffen, dass die Palästinenser von Yarmouk und anderswo den Weg weitergehen und alle Organisationen, denen es nur um Macht geht und die keinen Beitrag zu Verbesserung der Lage der Palästinenser leisten, auf den Müllhaufen der Geschichte werfen. Die PFLP-GC gehört dabei mit ganz oben auf die Liste. Und das syrische Regime steht dabei nur im Wege. Auch einer der Gründe, warum es weg gehört.

Mike, 18. September 2011

5. Juni 2011

Syrien: Mehr denn je für die "Kinder der Freiheit" auf der Straße

Wieder mal hat das Regime unter der Woche vieles versucht, um den Protest nach den Freitagsgebeten einzudämmen. Eine Amnestie, die von Syrern u. a. so kommentiert wurde: "Oh, wie nett, der Verbrecher verzeiht seinen Opfern." Und ein "Dialog"-Angebot an ausgesuchte "Oppositionelle". Nur, all das hilft nicht mehr. So fordert die Opposition, ein Dialog könne erst dann beginnen, wenn der Verantwortliche für die 1.200 Todesopfer seit Beginn der Proteste, also der Präsident, zurücktritt. Das Regime muss geahnt haben, dass die Proteste wieder groß werden würden. Denn es zog diesmal den Stecker, der Internettraffic brach in den frühen Morgenstunden abrupt ein.
Einbruch des syrischen Internetraffics am frühen Freitagmorgen
Und die Proteste wurden groß, die größten seit Beginn des Aufstandes. Die Lokalen Koordinationskommitees hatten zum Tag für die "Kinder der Freiheit" aufgerufen. Anlass dazu war sicher der Tod des 13-Jährigen Hamza Al-Khatib, der vom Geheimdienst gefoltert und ermordet wurde. Aber auch Vorfälle wie am Sonntag in Talbiseh, wo ein Schulbus von einer Granate des Militärs getroffen wurde und ein elfjähriges Mädchen umkam. Insgesamt sind 72 Minderjährigen namentlich bekannt, die durch die mörderische Repression des Regimes bislang getötet wurden.

Protestaktion in Latakia am Tag für die "Kinder der Freiheit"

Die Demonstrationen erfassten wieder das ganze Land. Allein in Homs gingen an die 100.000 Menschen auf die Straße. In Hama soll der Demonstrationszug 1,5 Kilometer lang gewesen sein. Hier kam es auch zu den schlimmsten Vorfällen am Freitag. Die Schergen des Regimes eröffneten das Feuer auf die Menschenmenge. Mindestens 40 starben allein in dieser Stadt, landesweit insgesamt mindestens 70. In Hama muss es zu erschütternden Szenen gekommen sein. Vielfach wird berichtet, dass Leichen, die auf den Straßen lagen, nicht geborgen werden konnten, weil Scharfschützen die Menschen ins Visier nahmen. Auch aus den Krankenhäusern sollen Verletzte verschleppt und hingerichtet worden sein. Vielerorts gingen die Menschen deshalb am Freitag zweimal auf die Straße. Das zweite Mal in Solidarität mit den Menschen von Hama.