25. April 2011

Libyen: Der Aufstand macht Fortschritte

In den westlichen Medien ist in letzter Zeit viel von einem "militärischen Patt" die Rede, wenn es um Libyen geht. Oberflächlich mag der Eindruck entstehen, aber dem ist nicht so.

Im Osten ist Ajdabiya weiterhin fest in der Hand der Aufständischen. Weitere Vorstöße in Richtung Sirt werden zurzeit nicht gemacht, und das mit voller Absicht. In und bei Benghazi und anderen Orten werden Kämpfer momentan ausgebildet, auch von Militärberatern des Westens (USA, Frankreich, GB). Und Qatar hat u. a. tragbare Milan-Panzerabwehrsysteme geliefert. Nach einiger Zeit der Ausbildung dürften dann wieder Vorstöße Richtung Westen zu erwarten sein.

Der Kampf um Misratah hat ja die letzten Tage die Schlagzeilen zu Libyen beherrscht. Hier haben sich entscheidende Dinge getan. Letztlich haben sich die Aufständischen im Häuserkampf durchgesetzt. Das Zentrum Misratahs ist nun befreit. Die Ankündigung des Regimes, seine Soldaten aus Misratah zurückzuziehen, ist das Eingeständnis der Niederlage. Das bedeutet leider nicht, dass Misratah nicht weiter leidet. Nach dem Motto "Was ich nicht bekommen kann, will ich wenigstens zerstören" beschießt das Regime die Stadt aus der Entfernung mehr denn je. Nach Aussagen eines gefangenen genommenen Offiziers sind während der zweimonatigen Kämpfe um Misratah 4-5.000 Regimekräfte durch die Aufständischen und die NATO-Luftangriffe getötet worden. Insgesamt sollen 9.000 Soldaten und andere Bewaffnete gegen Misratah eingesetzt worden sein.

In der Nafusa-Region ist die Situation weiter dramatisch. Die Kämpfer der Aufständischen sind fast auf sich allein gestellt. Eine medizinische Versorgung gibt es praktisch gar nicht mehr. Es mangelt an Essen und Wasser. Trotzdem gelang es den Aufständischen, den Grenzübergang Wazin zu erobern. Das ist eine Voraussetzung dafür, dass Menschen leichter aus der Region fliehen können, und auch eine Möglichkeit, Nachschub aus Tunesien in die Nafusa-Region zu schaffen. Insgesamt sollen 12-14.000 Menschen (v. a. Frauen, Kinder und Verletzte) nach Tunesien geflohen sein.

Erstaunliches gibt es aus Tripolis und Az Zawiyah zu berichten. In Tripolis nehmen die Angriffe der Aufständischen auf Gaddafi-Truppen zu. Es handelt sich meist um nächtliche Überfälle auf Checkpoints und Patrouillen. Dabei werden auch immer wieder Waffen erbeutet. Sicher sind die Aktionen noch lange nicht so weit, die Truppen des Regimes in der Hauptstadt wirklich herauszufordern, aber sie weiten sich aus. Ebenfalls aus Tripolis werden kilometerlange Schlangen an den Tankstellen gemeldet, was auch mit Videomaterial belegt ist. Zudem werden private Geländewagen von den Truppen des Regimes gestohlen, so dass die Menschen ihre Autos schon verstecken. Im besetzten Az Zawiyah haben die Aufständischen ebenfalls ihre Aktivitäten ausgeweitet. Dabei glückte es ihnen zuletzt sogar eines Nachts das Zentrum erneut zu besetzen. Mit Tagesanbruch zogen sie sich wieder in ihre Verstecke zurück. Vor zwei Tagen gelang es ihnen Gefangene, die auf einer Farm eines Gaddafi-Anhängers festgehalten wurden, zu befreien. Und auch aus Zuwara werden wieder bewaffnete Aktionen der Aufständischen gemeldet. Dazu kommen Berichte von Unruhen in Bani Walid und sogar aus Sirt.

Auf der politischen Seite sind die Anerkennung des Übergangsrates durch Kuwait und - wesentlich bedeutender - der Besuch des ehemaligen US-Präsidentschaftskandidaten McCain in Benghazi zu verzeichnen.

Sicher, der Aufstand macht keine Riesenfortschritte - und in der Nafusa-Region ist die Lage immer noch kritisch -, aber er kommt voran. Von Stillstand kann keine Rede sein.

Bahrain: Gewalt gegen Minderjährige. Schiitische Moscheen zerstört.

Die Unterdrückung der Opposition in Bahrain erstreckt sich auf alle gesellschaftlichen Bereiche. Der Opposition wird systematisch medizinische Versorgung und rechtlicher Beistand entzogen. Menschen werden entlassen, weil sie an Protesten teilgenommen haben. Und auch vor Gotteshäusern und Kindern wird nicht halt gemacht.
Zerstörte Farak Al Zahra-Moschee
Weitere Zerstörungen sind unter http://goo.gl/Npnkt dokumentiert.
Die Opposition in Bahrain klagt die Regierung an, 30 Moscheen und Gotteshäuser zerstört zu haben. Es handelt sich ausnahmslos um schiitische Einrichtungen. Als Grund für die Zerstörung der Moscheen wird von der Regierung angegeben, diese seien "illegal" errichtet worden. Abgesehen, davon, dass es für Schiiten in Bahrain sehr schwierig ist, solche Genehmigungen zu bekommen, scheint es zumindest in einigen Fällen schlicht um eine Lüge zu handeln, wie Registrierungen der Moscheen zeigen. Die Zerstörung dieser Gotteshäuser seitens einer Regierung, die sich sonst immer als "Hüter des Glaubens" präsentiert, zielt offensichtlich auf die moralische Demütigung der schiitischen Gemeinde ab.

Doch auch Minderjährige und Kinder werden zum Ziel der Repression. Zwei Beispiele mögen dies verdeutlichen.

Am Donnerstag, den 21. April, stürmten weibliche Polizisten die Al Ahed Alzaher-Schule für Mädchen in Hamad. Sie hatte Namenslisten von Schülerinnen und Lehrerinnen dabei und trieben diese in einem Klassenraum zusammen. Dort wurden sie verhört und dabei von den Polizistinnen geohrfeigt. Zudem wurde eine Schülerin gezwungen, ihre Lehrerin heftig zu ohrfeigen. Später wurden die Mädchen und drei Lehrerinnen auf eine Polizeiwache verschleppt. Dort wurden die Mädchen (16-17 Jahre alt) geschlagen und getreten. Zum Schlagen wurde u. a. ein Gummischlauch verwendet. Auch wurden die Mädchen mehrmals mit dem Kopf gegen die Wand geschleudert, so dass sie an Nase und Stirn bluteten. Dabei wurden sie u. a. als "Nutten" beschimpft, auch in der Gegenwart von später dazu gekommenen männlichen Polizisten. Nach Stunden wurden die Mädchen freigelassen. Es gab keinerlei Vorfall vorher an der Schule. Die einzige "Anschuldigung", die seitens der Polizei vorgebracht wurde, war der reine Verdacht an oppositionellen Aktivitäten teilgenommen zu haben.

Zainab Alkhawaja schilderte gestern einen Vorfall, der sich noch am selben Tag ereignet hatte. Eine sunnitische Frau führte die Polizei zu einem Haus, weil ein schiitischer Junge angeblich einen Stein auf ein Portrait des Königs geworfen hätte. Die Polizei nahm den Jungen im Alter von 13(!) und seinen ebenfalls anwesenden 8-jährigen Cousin tatsächlich mit auf die Wache. Den 8-Jährigen hatte man mitgenommen, weil die die Frau, die die Polizei gerufen hatte, ihn "beschuldigte", mit seinem Fahrrad(!) ihr Haus zu umkreist(!) zu haben. Auf der Wache wurde der 13-Jährige bedroht und geschlagen. Während die Polizisten den Jungen schlugen, fragten sie ihn: "Von wem hast du deine Kleidung? Von wem hast du dein Geld?" Und er musste antworten: "Vom König". Später ließ man beide Jungen unter weiteren Drohungen frei.