24. November 2011

Ägypten: Ein Brief zu den aktuellen Ereignissen

An alle,

ich schreibe euch, um euch die momentane Situation in Ägypten zu schildern, da ich nicht sicher bin, wie genau die Medien darüber berichten. Letzten Freitag gab es eine große Demonstration am Tahrirplatz, die forderte, dass die Militärregierung beendet wird, dass die Militärgerichtsbarkeit für Zivilisten beendet wird (mehr als 12.000 Zivilisten wurden an außerordentliche Militärtribunale verwiesen) und dass man sich den "übergeordneten konstitutionellen Prinzipien"* widersetzt. Es war eine große Anzahl von Leuten aus unterschiedlichen Zusammenhängen, die an der Demonstration teilnahmen und die meisten von ihnen verließen den Platz am Abend.

Unabhängig davon haben die Verletzten der Revolution und Familien der Getöteten seit Monaten Sit-Ins an verschiedenen Orten organisiert, darunter auch am Tahrir-Platz, und verlangen ihre Behandlungskosten zu erstatten und Entschädigungszahlungen zu leisten. Am Samstag, dem 19. November, vertrieben Sicherheitskräfte die Verletzten und Angehörigen der Getöteten unter Gewaltanwendung, was die Menschen dazu veranlasste, zum Tahrir-Platz zurückzugehen und sie zu unterstützen (wie es am 28. & 29. Juni geschah). Viele haben behauptet, dies seien die Islamisten, die revoltierten, um Macht zu gewinnen, was absolut falsch ist. Was gerade im Moment in Ägypten geschieht, ist, dass das Volk gegen Polizeigewalt und Militärherrschaft revoltiert.

Die Sicherheitskräfte benutzen exzessiv verschiedene Arten von Tränengas, Gummigeschossen, Schrot und scharfer Munition gegen Demonstranten bis zu diesem Moment. Und sie werden mit jedem Tag gewalttätiger, was zum Tod von 30 Personen geführt hat und mehr als 1700 Verletzte hinterlassen hat (offizielle Zahlen des Gesundheitsministeriums), einschließlich vieler, deren Augen und obere Körperpartien unter Beschuss genommen wurden. Menschen werden willkürlich und gewaltsam verhaftet, auch Ärzte, die den Verletzten helfen, und Journalisten, die über die Ereignisse berichten. provisorische Lazarette werden angegriffen, um Ärzte davon abzuhalten, den Verletzten zu helfen.

Während die Gewalt der Sicherheitskräfte gegen unbewaffnete Demonstranten nun seit fünf Tagen andauert, kommen mehr Menschen zur Unterstützung in mehr als 5 Städten hinzu. Das, was uns am meisten Schaden zufügen würde, wäre, dies als Kampf um die Macht zwischen religiösen/politischen Gruppen und der Armee darzustellen oder es zu vereinfachen, dass die Menschen in den Strassen Krawallmacher seien und versuchten, das Land zu zerstören um Chaos zu verursachen. Wir sind alle auf die Strasse gegangen, um gegen Polizeigewalt und Militarismus zu kämpfen.

Unterstützt uns, indem ihr die Wahrheit über die Situation verbreitet und die Desinformation korrigiert, die verbreitet wird, seit Mubarak abgetreten ist.

Videos: http://youtu.be/zJ7FHUtxePw - http://youtu.be/54-1qNeef0E - http://youtu.be/O94sWWDc8Ig
Images: http://goo.gl/OkNPL - http://goo.gl/qpA6A - http://goo.gl/Qxm2H - http://goo.gl/wK4Ia - http://goo.gl/EhjrA - http://goo.gl/edRSw - http://goo.gl/Nw3Iu

Erklärungen von Menschenrechtsgruppen:
- Gemeinsame Erklärung ägyptischer Gruppen: http://goo.gl/UzEqC [En]
- Human Rights Watch http://goo.gl/zq5nR [En]

Was wir verlangen, ist, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen,


* In diesen Prinzipien, denen eine neue Verfassung folgen soll, wird die "besondere Rolle" des Militärs festgeschrieben. Darüber hinaus wird u. a. festgelegt, dass nicht das Parlament das Militärbudget diskutieren und festlegen soll, sondern das Militär selber, und sich der Militärrat ein Vetorecht bezüglich aller Entscheidungen, die das Militär betreffen, vorbehält. Zudem soll der Verfassungsentwurf von einem 100-köpfigen Verfassungsrat erarbeitet werden, von denen 80 Mitglieder vom Militärrat bestimmt werden sollen. Und nur 20 vom bis dahin gewählten Parlament. Die Demonstranten am Freitag forderten den Rücktritt des Militärrates und die Übergabe aller(!) Macht an eine zivile Übergangsregierung.

30. Oktober 2011

Libyen: Mythos und Realität unter Gaddafi

Es kursiert so einiges über Libyen unter Gaddafi im Internet. Vor allem von den Gaddafi-Fans, die aber überwiegend nicht in Libyen leben. Mag sein, dass hier Wunschdenken am Werke ist. Aber das Gaddafi-Regime war nun mal keine anti-imperialistische oder gar sozialistische Volksherrschaft. Auch, wenn das viele gerne glauben.

Hier sollen ein paar Mythen, die auf Pro-Gaddafi-Webseiten und -Stellungnahmen immer wieder angeführt werden, behandelt und mit der Realität in Libyen verglichen werden.

Mythos: Strom war für libysche Bürger umsonst.
Unwahr.
Die Stromversorgung war schlecht, auch in der Hauptstadt. Jedenfalls nicht der Stand, den man von einem entwickelten Land erwarten würde. Auch waren nicht alle Regionen mit Strom versorgt. Es gab Stromzähler und wer seine Rechnung nicht bezahlte, dem wurde der Strom abgestellt.

Mythos: Es gab zinsfreie Darlehen.
Unwahr
. Getreu dem islamischen Zinsverbot nannte man es nur nicht "Zinsen", sondern "Bearbeitungsgebühr". Ähnliches ist z. B. auch in Saudi-Arabien üblich.

Mythos: Alle neuen Ehepaare erhielten 60.000 Dinar (50.000 $) als Startguthaben
Unwahr.
Und ein gängiger Witz in Libyen. Es wurde wohl ein Gesetz diesbezüglich verabschiedet, aber das wurde nie umgesetzt.

Mythos: Bildung und Gesundheitsversorgung waren umsonst.
Umsonst, aber auch völlig unzureichend.
Die meisten Krankenhäuser waren auf dem Stand der Technik von vor 30 Jahren. Wer etwas Ernsthaftes hatte und sich es leisten konnte, ging nach Tunesien oder Ägypten, um sich dort behandeln zu lassen. In der Schule stand jedes Jahr das "Grüne Buch", die "Universaltheorie" Gaddafis auf dem Stundenplan, Englisch war abgeschafft worden.

Mythos: Wer ein Auto kaufte, bekam die Hälfte von Staat bezuschusst. Benzin war sehr günstig.
Der Zuschuss stimmt nicht.
Benzin war günstig (immerhin, in einem Erdölland). Aber man war auch auf das Auto angewiesen, da es so gut wie keine öffentlichen Verkehrsmittel gab.

Mythos: Wenn Libyer nach der Ausbildung keinen Arbeitsplatz fanden, bekamen sie das ihrer Ausbildung entsprechende Gehalt als Arbeitslosengeld.
Unwahr.
Selbst normale Löhne wurden oft monatelang nicht ausgezahlt. Eine Arbeitslosenunterstützung gab es nicht.

Mythos: Ein Teil der Erdöleinnahmen kam Libyern direkt als Einzahlung auf ihr Konto zugute.
Völliger Blödsinn.
Niemand in Libyen weiß, woher dieses Gerücht stammt.

Mythos: Eine Mutter bekam bei der Geburt eines Kindes etwa 5.000 $.
Unwahr.
Es gab ein Kindergeld in Höhe von 15-20 Dinar im Monat, also unter 20 $.

Mythos: 25% der Libyer haben einen Universitätsabschluss.
Stimmt sogar.
Nur waren die Universitäten hoffnungslos überlastet und fast jeder bekam einen Abschluss. Viel wert war der nicht: Tausende Akademiker waren arbeitslos oder weit unter ihrer Qualifikation beschäftigt.

20. Oktober 2011

Libyen: Das Ende des Tyrannen

Das Ende des Tyrannen ist ein weiterer Triumph des Mannes, der den arabischen Aufstand ausglöst hat.

28. August 2011

Libyen: Eine Woche in Tripolis

Seit einer Woche ist Tripolis in der Hand der Aufständischen. Nach der Erhebung der Aufständischen in der Stadt und dem Einmarsch weiterer Kämpfer aus anderen Teilen Libyens wurden von der Gaddafi-Festung und -Residenz Bab Al-Aziziya aus die Wohngebiete in der Umgebung mit Mörsern und Granaten beschossen. Am Dienstag wurde ein Angriff auf den wichtigsten Stützpunkt des Regimes, der diesem in der Hauptstadt verblieben war, gewagt. Und tatsächlich wurde dieses Symbol des verhassten Regimes gestürmt. Nach Stunden der Belagerung war es ihnen gelungen, in das Gelände einzudringen. Kaum waren die Kämpfer auf dem Gelände, brach der Widerstand dann schnell zusammen. Man kann schlecht übertreiben, was das für die Libyer bedeutet. Es ist ähnlich zu bewerten wie der Sturm auf die Bastille während der französischen Revolution oder auf den Zarenpalast in der russischen. Schließlich standen die Aufständischen buchstäblich im Schlafzimmer des Diktators.

Bis einschließlich Freitag kam es dann noch zu schweren Gefechten, v. a. im Stadtteil Abu Salim, der südlich von Bab Al-Aziziya liegt. Auch der von den Aufständischen besetzte internaltionale Flughafen wurde von Gaddafi-treuen Truppen immer wieder angegriffen. Seit Sonnabend ist es im Wesentlichen ruhig in Tripolis. Es besteht also die Hoffnung, dass der vorhergesagte wochenlange Kampf um Tripolis nach einer Woche vorüber und der Hauptstadt ein Schicksal wie dem schwer zerstörten Misratah erspart geblieben ist. Trotzdem hat die Befreiung der Stadt Hunderten das Leben gekostet. Genaue Zahlen stehen noch nicht fest.

Mit der Durchsuchung ehemaliger Geheimdienstbüros, Kasernen, Gefängnissen und anderer Orte kommen immer mehr Leichen im Keller des Regimes zum Vorschein. Und das ist wörtlich zu verstehen. Bei den Gefechten um Abu Salim wurde auch das dort befindliche berühmt-berüchtigte Gefängnis befreit. Etwa 2.500 Gefangene wurden angetroffen. Berichte über Folterungen und andere Verbrechen bestätigen leider das, was von vielen befürchtet war: Gnade kannte das Regime im Umgang mit seinen Gegnern nicht. Einige Gefangene sind seit Jahren ohne Anklage inhaftiert, einer seit 18 Jahren(!). Andere können zurzeit nicht mal sprechen. Es scheint auch, als seien in den letzten Tagen mindestens 140 Gefangene getötet worden. Und auch an anderen Orten werden Leichen gefunden: 17 in einem Geheimdienstbüro, 32 in Bab Al-Azziya, 170 in einem Militärstützpunkt usw.  Heute wurde bekanntgegeben, dass zwar etwa 11.000 Gefangene in Tripolis befreit wurden, aber noch 46.000(!) vermisst werden, die zuletzt in den Händen des alten Regimes waren.

In vielen Medien ist davon die Rede, dass es Verbrechen bzw. "Massaker" auf beiden Seiten gäbe. Von "beiden Seiten" ist die Rede, weil Reuters und Al Jazeera Arabiya übereinstimmend berichteten, in einem Feldlazarett in Tripolis seien mehr als 30 Leichen gefunden worden, die offensichtlich dem Regime angehört haben und getötet wurden, zwei davon mit gefesselten Händen auf dem Rücken, einer noch mit der Infusionsnadel im Arm.

Obwohl dieses Verbrechen weit davon entfernt ist, aufgeklärt zu sein, sprechen die Indizien für Aufständische als Täter. Und es sollte keinen überraschen, wenn dies so wäre. Auf Seiten der Opposition gegen das Regime gibt es viele Gründe, mehr als nur verbittert zu sein: über 40 Jahre Unterdrückung, systematische Verfolgungen, Folter, der massive Einsatz von Schusswaffen gegen friedliche Demonstranten, der Beschuss von Wohngebieten mit schwerer Artillerie, Tötungen ihrer gefangenen Kämpfer etc. pp. Dessen ungeachtet ist die Tötung wehrloser Gefangener nach internationalen Konventionen verboten und gilt als Kriegsverbrechen. Und das mit Recht.

Aber die Formulierung "Verbrechen auf beiden Seiten" impliziert eine Gleichstellung, die so nicht gegeben ist. Erstens ist das Ausmaß der Verbrechen des alten Regimes eine ganz andere Dimension. Wenn es denn Aufständische waren, wäre es wahrscheinlich nicht das erste Verbrechen dieser Art (so soll es bei den Kämpfen im Nafusa-Gebirge zu vereinzelten Tötungen Gefangener gekommen sein, ebenso bei den Kämpfen in Misrata), aber diese kann man bisher noch als "sporadisch" bezeichnen. Ebenso war und ist z. B. die Kriegsführung der Aufständischen eine völlig andere. Viele Operationen wurden abgebrochen, weil sie Zivilisten nicht gefährden wollten. Und zweitens, und das ist das Wesentliche, ist die erklärte Politik auf Seiten der jeweiligen Führung eine völlig gegensätzliche. Mustafa Jaleel, der Vorsitzende des Übergangsrates, appelliert nicht erst seit dem Einmarsch in Tripolis an die Kämpfer, nicht Rache zu üben und die Menschenrechte auch der gefangenen Regimetreuen zu achten, aber seit dem Einmarsch in Tripolis tut er dies täglich. Auf der anderen Seite steht das Regime mit einem Gaddafi an der Spitze der seine Gegner als "Ratten" bezeichnet und seine Anhänger, zuletzt auch Frauen und Kinder, dazu aufruft, Tripolis von den Aufständischen zu "säubern" und seine Gegner zu vernichten. An der Integrität von Jaleel bestehen keine Zweifel. Der Mann hat sich auch als Justizminister unter Gaddafi für Menschrechte eingesetzt und wurde schon Jahre vor dem Aufstand in Menschenrechtsberichten von Human Right Watch und Amnesty International lobend erwähnt. Über die moralische Integrität eines Muammar Gaddafi hingegen braucht man gar nicht nachzudenken. Zusammengefasst gesagt: Das Regime spricht seinen Gegnern jegliche Rechte ab und will systematisch Verbrechen begehen. Der Übergangsrat plädiert für die Einhaltung der Menschenrechte und Verbrechen werden bisher nur sporadisch von Leuten begangen, die zwar im Zusammenhang mit dem Übergangsrat kämpfen, aber nicht unter dessen Kontrolle stehen.

Westlich von Tripolis scheint nach Gefechten unter der Woche die wichtige Straße nach Tunesien nun unter der Kontrolle der Aufständischen zu stehen, einschließlich des Grenzüberganges. Mittlerweile soll der Verkehr wieder zu fließen beginnen.

Im Osten verbleibt den Kräften des alten Regimes nur noch Sirte. Diese ist schwer befestigt und stark besetzt. Seit Tagen gibt es Verhandlungen mit Vertretern der Stadt seitens des Übergangsrates. Daneben sind die Aufständischen bis nach Ban Jawad vorgestoßen.

Mittlerweile ist ein Teil des Übergangsrates nach Tripolis gezogen und hat die Arbeit aufgenommen. Größte Probleme sind die Wasserversorgung, die Stromversorgung und damit einhergehend die Versorgung der Verletzten.

Es wurde zudem ein Militärkommandant für Tripolis ernannt, ein ehemaliges Mitglied der LIFG, was bei einigen westlichen Kommentatoren Besorgnis erregte. War die LIFG doch mal mit Al-Qaida verbündet. Auch kehrt die normale Polizei, die als relativ unbelastet gilt, auf die Straßen zurück.

Am Sonnabend tagte die Arabische Liga in Kairo. Als Vertreter Libyens wurde der Vorsitzende des Übergangsrates, Mustafa Jaleel, mit stehenden Ovationen begrüßt. Die Flagge des Gaddafi-Regimes wurde durch die vorherige ersetzt. Damit hat die erste internationale Organisation den Machtwechsel in Libyen formal anerkannt.

21. August 2011

Libyen: Die Aufständischen haben gesiegt!

Mit dem Einmarsch ins Zentrum von Tripolis haben die Aufständischen die Hauptstadt im wesentlichen befreit. Nachdem gestern Abend der Aufstand in Tripolis selbst begann und v. a. im Osten der Stadt ganze Stadtteile dem Regime entglitten, stießen heute die Aufständischen aus Az Zawiyah in Richtung der Hauptstadt vor. In der Nähe der Hauptkaserne der Khamis-Brigade, etwa 27 km vor dem Zentrum, wurden sie stundenlang aufgehalten. Nach Angriffen der NATO auf die Kaserne konnte diese erobert werden. Dadurch fielen ihnen auch genügend Waffen in die Hände. Auf ihrem weiteren Weg nach Tripolis trafen sie kaum noch auf Widerstand. Unterdessen haben auch die Kämpfer im Osten, unterstützt von etwa 200 aus Misratah, die per Schiff(!) kamen, den Militärflughafen Mitiga erobert. Mehrere Gefängnisse wurden gestern und heute befreit. Viele der Gefangenen schlossen sich sofort den Kämpfern an. Die Präsidentengarde, die für die Sicherheit des Gaddafi-Clans in Tripolis zuständig war, hat kapituliert. Es gibt noch vereinzelte Kämpfe in Tripolis, aber in weiten Teilen feiern die Bewohner der Hauptstadt den Einmarsch der Freiheitskämpfer.

Damit steht fest:
Das libysche Volk hat sich vom Gaddafi-Regime befreit!
Herzlichen Glückwunsch!

15. August 2011

Libyen: Ist die Wende zum Sieg der Aufständischen erreicht?

Seit Sonnabend überschlagen sich die Ereignisse in Libyen. Die Aufständischen drangen gelichzeitig in zwei Städte ein, denen Schlüsselrollen zukommen: Gharyan und Az Zawiya. Gharyan ist deshalb wichtig, weil es erstens die größte Stadt des Nafusa-Gebirges ist und zweitens durch die Stadt die Hauptnachschubroute aus dem Süden nach Tripolis verläuft. Über diese Route kamen v. a. Waffen und Söldner, aber auch Rohöl. Az Zawiya ist mit 200.000 Einwohnern eine der größeren Städte in Libyen und liegt auf der Route zwischen Tunesien und Tripolis. Über diese Route kam die meiste Versorgung für die Hauptstadt, v. a. Benzin und Lebensmittel. Darüber hinaus ist Az Zawiyah ein Symbol des Widerstandes gegen das Gaddafi-Regime, denn die Stadt wurde nach wochenlangen Kämpfen vom Regime zurückerobert, nachdem sie komplett in den Händen der Aufständischen war. Zudem ist sie nur 50 km von Tripolis entfernt. Der Vorstoß nach Az Zawiyah erfolgte sehr schnell, so schnell, dass selbst die Aufständischen überrascht waren. Sie wollten erst heute in der Stadt sein. Dadurch ist es auch zu einem Unglück gekommen: NATO-Flugzeuge haben einen Panzer angegriffen, der von den Aufständischen erbeutet war. So nah an Az Zawiyah hatten sie keine Freiheitskämpfer erwartet. Vier Kämpfer sind dabei umgekommen.

In beiden Städten haben sich die Aufständischen nun festgesetzt und kontrollieren nach eigenen Angaben ein Großteil des Stadtgebietes. In beiden Städten sind aber noch Gaddafi-treue Truppen und v. a. Scharfschützen auf hohen Gebäuden stellen ein großes Problem dar. In Gharyan soll die Kaserne erobert worden sein. Damit wäre dort das größte Problem gelöst: Waffen und Munition, denn an Kämpfern mangelt es den Aufständischen meist nicht. Diese strömen nun mittlerweile aus dem Nafusa-Gebirge v. a. nach Az Zawiyah. Im Nafusa-Gebirge wurden Leute aus Az Zawiyah und Tripolis ausgebildet, die dorthin geflohen waren. Mehrere Hundert bis fünf Tausend sollen es sein, die jetzt ihre Heimatstädte befreien wollen.

Auch Sorman sollen die Aufständischen mittlerweile die Kontrolle haben. Hier wurde ein Gefängnis gestürmt und Tausende befreit. Sorman liegt ebenfalls auf der Route Tunesien-Tripolis und zwar westlich von Az Zawiyah. Zudem soll es am tunesichen Grenzübergang zu Kämpfen gekommen sein, zeitweise war der Übergang wohl auch in den Händen der Aufständischen.

Man kann nur hoffen, dass es stimmt, was vor kurzem ein NATO-Sprecher sagte, dass die Truppen von Gaddafi nicht mehr zu offensiven Operationen in der Lage sind. Im Häuserkampf sind die Aufständischen überlegen, das haben sie mehrfach bewiesen. Trotzdem kann es noch zu heftigen Kämpfen kommen und v. a. Az Zawiyah wird sicher unter Artillerie- und sonsitgem Beschuss zu leiden haben. Aber von einem militärischen Patt kann nicht mehr die Rede sein. Das Regime in Tripolis ist nun auf dem Land von drei Seiten bedroht. Nur noch eine Route nach Süden ist offen und die ist nicht die beste. Die Küstenstraße nach Tunesien dürfte den Aufständischen nicht mehr zu nehmen sein.

Entsprechend sind die Reaktionen des Regimes. Zuerst wurde jeder Erfolg der Aufständischen geleugnet. Gestern nun drohte ein Sprecher im Staatsfernsehen mit der "Auslöschung" sämtlicher Orte im Nafusa-Gebirge, wenn die Kämpfer sich nicht zurückziehen würden. Anders reagierte der Innenminister Nasser al-Mabruk Abdullah. Er traf zusammen mit neun Familienmitgliedern in Kairo ein. Er reiste mit einem Touristenvisum nach Ägypten. An seiner Stelle würde ich auch erstmal Urlaub machen.

14. August 2011

Syrien: Regime weiter auf Kriegskurs gegen das eigene Volk

Ungeachtet internationaler Appelle führt das syrische Regime weiter Krieg gegen das eigene Volk. Beim Besuch des türkischen Außenministers machte Assad klar, dass er an eine Eindämmung der Gewalt nicht mal ansatzweise denkt. "Wir werden die terroristischen Gruppen weiter verfolgen". Und auf Vorhaltungen, dass dies die Beziehungen zur Türkei und anderen Nachbarn Syriens belastet: "Wenn Sie Krieg wollen, können Sie ihn haben."

Im Norden des Landes wurden weitere kleinere Städte vom Militär besetzt. Es sieht so aus, als wolle man eine protestfreie "Pufferzone" an der Grenze zur Türkei schaffen. Dabei werden Mittel eingesetzt, die als "Politik der verbannten Erde" bezeichnet werden kann: Olivenhaine und Felder werden angezündet, Häuser ebenso, Autos und die in Syrien häufig zu sehenden Motorräder werden von Panzern zerstört. Weiterer Schwerpunkt sind die Vorstädte von Damaskus. Und hier hat das Regime alle Hände voll zu tun, denn jede Vorstadt ist mittlerweile eine Hochburg der Opposition.

Seit Sonnabend nun wird das Stadtviertel Ramel in Latakia von Panzern beschossen, seit heute auch mit Schiffen von der See aus. Klarer kann das Regime nicht handeln. Es behandelt das Volk wie einen Feind und verbreitet nur noch Terror.

Seit Beginn des Aufstandes behauptet das Regime, es handele sich bei den "Aufrühren" um "Salafisten" (sunnitische Extremisten). Bei der religiösen Vielfalt Syriens soll hier die Furcht vor einer "Irakisierung", sprich der Spaltung des Landes nach Religionen, geschürt werden. Wie aktiv das Regime die religiösen Spannungen selber anheizt, zeigt sich in u. a. Deir Ezzor. Hier wurde gezielt eine Moschee beschossen.

Der Beschuss

Die Wirkung

Nur zur Erinnerung: Es ist Ramadan, der Fastenmonat. In dieser Zeit ist eine solche Zerstörung besonders schändlich in den Augen moslemischer Gläubiger. Dazu passt, dass in Hama die Regimekräfte Graffitis hinterlassen haben wie "Bashar ist Gott und Maher ist sein Prophet". Maher ist der Bruder von Bashar und der "Mann fürs Grobe", Anführer der Präsidentengarde und der berüchtigten 4. Division der syrischen Armee, die besonders loyal und brutal ist. Ein passender "Prophet" für den Schlächter Bashar.

7. August 2011

Syrien: Über 500 Tote in der ersten Woche des Ramadan

Nach dem Einmarsch der Armee und der Geheimdienste letzten Sonntag in Hama hat das Regime die Straßen von Hama unter Kontrolle. Die Menschen trauen sich einfach nicht auf die Straße, u. a. wegen der Scharfschützen, die an zentralen Stellen positioniert sind. Die humanitäre Situation in Hama ist dramatisch. Wie zuvor in anderen Städten, die vom Regime überfallen wurden, sind Kommunikationswege, Strom- und Wasserversorgung teilweise oder ganz unterbrochen. Die Stadt ist vollständig abgeriegelt, so dass auch keine Lebensmittel hinein kommen. Krankenhäuser wurden besetzt und teilweise zerstört. Und das in einer Situation, in der es zahlreiche Schwerverletzte gibt. Ärzte haben deshalb provisorische Feldlazarette eingerichtet, weil sie in ihren Krankenhäusern nicht mehr arbeiten können. Aber auch diese werden angegriffen. Ein geflohener Bewohner berichtete am Freitag, dass die Zahl der Getöteten seit der Besetzung über 300 beträgt. Am Sonnabend zeigte das syrische Staatsfernsehen Bilder aus Hama. Obwohl sie zeigen sollten, das Regime hätte alles unter Kontrolle, war auf den Straßen kein normales Leben zu sehen, sondern eine Geisterstadt.

Bewohner von Deir Ezzor schwören den Widerstand friedlich fortzusetzen.

Heute nun ist das Regime in Deir Ezzor einmarschiert, nachdem die Stadt eine Woche lang belagert wurde. Videos zeigen Rauch über der Stadt und es ist Maschinengewehrfeuer zu hören. Erste Berichte sprechen von mindestens 38 Toten bisher.

Aber so wie Hama und andere Städte während der Besetzung von Homs für die Stadt demonstriert hatten, demonstrieren nun die Menschen in Homs, Idlib und anderen Städten für Hama. Die ganze Woche kam es landesweit nach dem Iftar (Fastenbrechen) am Abend zu Demonstrationen und Kundgebungen. Auch hier kam es täglich zu Toten.

In den Bildern des Staatsfernsehens aus Hama waren auch vereinzelt Bewaffnete zu sehen. Ob diese zur Opposition gehören, lässt sich anhand der Bilder nicht ausmachen. In einem Statement der "Bewegung der Freien Offiziere" wird behauptet, dass sie eine friedliche Demonstration am Donnerstag, den 4. August, in Khan Shaykhun, die von Assad-treuen Milizen und Geheimdiensten angegriffen wurde, verteidigt und dabei 31 der Angreifer getötet haben. Angesichts der Massaker, die das syrische Regime verübt, ist bewaffneter Widerstand nicht auszuschließen. Aber von einem allgemeinen und systematischen Vorgehen dieser Art kann nicht im Geringsten die Rede sein. Gerechtfertigt wäre es, aber noch ist der syrische Aufstand im Wesentlichen friedlich – jedenfalls von Seiten der Opposition.

31. Juli 2011

Syrien: Vor dem Ramadan schlägt das Regime zu

Die Lokalen Koordinations-Komitees hatten für den Fastenmonat Ramadan die Ausweitung der Proteste angekündigt. Die Antwort des Regimes: Am Vorabend des Ramadan schlägt es erbarmungslos zu. In mehreren Vorstädten von Damaskus, aber vor allem in Deir Ezzor und in Hama rollen Panzer und Soldaten schießen wahllos auf die Menschen.

In Deir Ezzor gab es die letzten Tage schwere Auseinandersetzungen. Hier scheint es zu nicht unwesentlichen Desertierungen seitens eingesetzter Truppen gekommen sein, die sich auf ihren Auftrag, das syrische Volk zu schützen, besonnen haben. Am Freitag mussten sich die Schergen des Regimes aus Deir Ezzor zurückziehen. Nun folgt der Gegenschlag. Ein lokaler Scheich soll entführt worden sein. Sein Stamm fordert die ultimative Freilassung bis heute abend 17.00 Uhr, sonst würde man nicht friedlich bleiben. In der Region scheinen Waffen unter den Menschen verbreitet zu sein. Wiewohl der Widerstand gegen das Assad-Regime bis vor kurzem auch hier friedlich war.

In Hama, das die letzten zwei Monate vollständig in der Hand der Opposition war, sind Panzer aus vier Richtungen in das Zentrum der Stadt vorgestoßen. Maschinengewehrfeuer schießt auf alles, was sich auf den Straßen bewegt. Auch aus den Panzern wird geschossen, u. a. auf Wohnhäuser und Moscheen. Bisher ist von fast Hundert Toten und Hunderten an Verletzten allein in Hama die Rede.

Das Regime will offensichtlich den Widerstand kurz vor dem Ramadan endgültig brechen, koste es, was es wolle. Es spricht von einer Operation zur "Befreiung" Hamas aus der Hand von "Moslembrüdern, Salafisten, bewaffneten Banden" und – das Schreckgespenst darf natürlich nicht fehlen – "Al Qaida". Wobei die Staatspropaganda mal die einen, mal die anderen nennt. Aber den Willen, "Chaos und Terror" in Hama, sprich den Verlust der Kontrolle des Regimes in der Stadt, zu beenden, sollte man nicht unterschätzen. Schon jetzt wird in Syrien vom "Ramadan-Massaker" gesprochen.

Als Antwort auf das Vorgehen des Regimes gehen die Menschen in Syrien wieder auf die Straßen. Im ganzen Land kommt es zu Demonstrationen. Für morgen ist zu einem landesweiten Generalstreik aufgerufen worden. Dieser Aufruf wird aber vielfach schon heute umgesetzt. In zahlreichen Städten sind die Läden geschlossen. Für die Nacht, welche der Vorabend des heiligen Monats Ramadan ist, sind weitere Demonstrationen geplant.

10. Juli 2011

Saudi-Arabien: Human Rights Watch gegen deutsche Panzerlieferung

Human Rights Watch hat eine Stellungnahme gegen die geplante Lieferung von 200 Leopard 2-Panzer an Saudi-Arabien veröffentlicht.

Deutschland/Saudi-Arabien: Kein Ausverkauf bei Menschenrechten

Bundeskanzlerin Angela Merkel soll überdenken, welche politischen Signale ihre Regierung an Saudi-Arabien mit dem Verkauf von 200 in Deutschland gebauten Panzern an das Königreich sendet, bevor sie dem Geschäft zustimmt, so Human Rights Watch heute. Saudi-Arabien verfügt über eine miserabele Menschenrechtsbilanz und hat Truppen zur Unterdrückung der dortigen Demokratiebewegung nach Bahrain entsandt.

Saudi-Arabien gehört zu den wenigen Ländern der Region, deren Regierungen im Zuge der Volksaufstände in benachbarten Ländern seit Anfang des Jahres keinerlei Menschenrechtsreformen in Gang gebracht haben. Bundeskanzlerin Merkel sollte klar und unmissverständlich ihre Bedenken über die Menschenrechtsbilanz von Saudi Arabien und seiner Rolle im benachbarten Bahrain öffentlich zum Ausdruck bringen.

Die deutsche Regierung sollte als Minimalbedingung von der saudischen Regierung verifizierbare Garantien einforderen, dass die Militärausrüstung, die Deutschland dorthin exportiert, nicht unter Verletzung der internationalen Menschenrechte oder des Völkerrechts verwendet wird, so Human Rights Watch.

"Als saudische Panzer nach Bahrain einrollten, markierte dies den Beginn der Niederschlagung der friedlichen Demokratiebewegung", so Christoph Wilcke, Saudi-Arabien-Experte bei Human Rights Watch. "Angesichts der derzeitigen Lage könnten saudische Reformer den Verkauf deutscher Panzer an Saudi-Arabien ohne weiteres als deutsche Militärhilfe für repressive Regime auffassen."
 
Innenpolitisch erstickt die saudische Regierung jede reformerische Regung bereits im Keim. Zu den schwerwiegendsten Menschenrechtsproblemen in dem Königreich gehören:
  • Die Regierung verbietet alle Formen des friedlichen Protests. Anfang März 2011 wurde das Verbot von ranghohen Geistlichen der Regierung und Vertretern des Innenministeriums erneuert. Bis Mai wurden mehr als 160 Demonstranten verhaftet. Am 3. Juli nahmen saudische Sicherheitskräfte 14 Frauen und fünf Kinder fest, die vor dem Innenministerium in Riad friedlich dafür demonstrierten hatten, dass ihre seit Jahren ohne Anklage oder Gerichtsverfahren inhaftierten Angehörigen freigelassen oder einem Richter vorgeführt werden.
  • In Saudi-Arabien gibt es kein Gesetz, das die Arbeit von Nichtregierungsorganisationen regelt. Menschenrechtler, die bei der Regierung die Anerkennung solcher Gruppen beantragten, erhielten keine Rückmeldung. Die Regierung behandelt Kritiker häufig wie Kriminelle. Shaikh Mikhlif bin Dahham al-Shammari, ein saudischer Menschenrechtler, wird seit Juni 2010 unter der fragwürdigen Anklage festgehalten, er habe "andere belästigt", indem er Ansichten wahhabitischer Hardliner kritisierte, die sich gegen schiitische Saudis richteten.
  • In Saudi-Arabien gibt es keine politischen Parteien. Im Februar bereitete eine Gruppe von Reformaktivisten die Gründung der ersten saudischen Partei vor; die meisten Mitglieder der geplanten "Partei der Islamischen Nation" wurden jedoch von der Geheimpolizei verhaftet.
  • Saudi-Arabien schränkt die Meinungsfreiheit in erheblichem Maße ein. Im Januar wurde eine Verordnung über elektronische Publikationen erlassen, die praktisch alle elektronisch verbreiteten Nachrichten und Kommentare dem repressiven saudischen Pressegesetz unterwirft. Die Verordnung verpflichtet zudem jeden, der derartige Nachrichten im Internet veröffentlicht, einen Presselizenz zu beantragen und sich an weit gefasste Einschränkungen bezüglich des Inhalts der Beiträge zu halten, etwa an die Verpflichtung, islamisches Recht zu befolgen, und an Verbote, Dritte zu "kränken" oder die Wirtschaft oder Sicherheit des Landes zu "kompromittieren".
  • Saudi-Arabien diskriminiert Frauen systematisch. Das weltweit einzigartige Fahrverbot für Frauen ist nur ein Beispiel für die Unterdrückung von Frauen, die auf den verschiedensten Gebieten stattfindet. Am 22. Mai ließen die saudischen Behörden Manal al-Sharif verhaften, weil sie Auto gefahren war. Bis Ende Juni wurden mindestens sieben weitere Frauen inhaftiert, die es gewagt hatten, sich ans Steuer zu setzen.
Ein jüngeres Beispiel für die Art der saudischen Regierung, mit friedlichem Protest umzugehen, ist der 11. März 2011, der Tag für den Oppositionelle im Internet zu Straßenprotesten aufgerufen hatten. Die Regierung ließ in Riad und anderen Städten in massivem Umfang Sicherheitskräfte aufmarschieren. Ein einsamer Demonstrant, Khalid al-Juhani, erschien in Riad und sprach mit der BBC über seinen Wunsch nach Meinungsfreiheit und Demokratie. Er wurde auf dem Nachhauseweg verhaftet und wurde mehr als zwei Monate lang in Einzelhaft gesperrt. Al-Juhani befindet sich weiter in Haft und wurde wegen "Unterstützung von Demonstrationen und Gesprächen mit ausländischen Medien" angeklagt.

"Saudi Arabien hat die Bemühungen einheimischer Reformer, Demokratie und einen besseren Schutz der Menschenrechte zu erkämpfen, wieder und wieder niedergeschlagen", so Wilcke. "Panzer zu verkaufen und gleichzeitig über Menschenrechtsverletzungen hinwegzusehen ist das falsche Signal, insbesondere im Hinblick auf die Versprechen europäischer Staats- und Regierungschefs gegenüber den Demokratiebewegungen im Nahen Osten, eine neue unterstützende Haltung einzunehmen."

Syrien: Nein zum "Dialog"! Hama trotzt den Angriffen des Regimes.

Dieser Freitag hatte das Motto: "Nein zum Dialog!" Und was soll das für ein Dialog sein, in dem die eine Seite auf die andere permanent schießt und mordet? So gingen die Menschen wieder auf die Straße. Und erneut waren es nicht weniger. Und auch wenn es über 20 Menschenleben gekostet hat, trotzt die Stadt Hama dem Regime. Ungeachtet der Angriffe des Regimes, die unter der Woche stattfanden, versammelten sich Hunderttausende auf dem Uhrenplatz. Die Stadt bleibt für das Regime verloren. "Das Assad-Regime ist in Hama am Ende" bekamen die wenigen ausländische Beobachter immer wieder zu hören.

Gestern teilten die Bewohner Hamas in einer Erklärung mit, sie würden ihren zivilen Ungehorsam weiter fortsetzen, bis folgende Forderungen erfüllt seien:
  1. Ende der Belagerung der Stadt, Abzug der Armee, Rückzug der Sicherheitskräfte, der Milizen und der Vertreter der libanesischen Partei Hizbollah aus der Stadt
  2. Rückkehr des Bürgermeisters Ahmad Khaled Abd Elaziz in sein Amt
  3. Ausweisung von Mohammed Mefleh, Chef der militätischen Sicherheit aus der Stadt aufgrund seiner Verantwortung für das Massaker, das in der Stadt angerichtet wurde.
  4. Freilassung aller etwa 1320 Inhaftierten
  5. Einstellung der Verfolgung der Protestierenden
Sie betonen, dass dies nicht die Forderungen der syrischen Revolution sind (auch wenn sie ein Teil davon sind) und das Ziel eines Wandel des politischen Systems weiter bestehen bleibt.

4. Juli 2011

Syrien: Das Regime bringt die Gewalt zurück nach Hama

Wie befürchtet sind heute gegen 4.00 Uhr morgens Regimekräfte in Hama eingedrungen. Die Stadt soll komplett abgeriegelt sein u. a. mit 300 Panzern. Die Kommunikation ist unterbrochen. Wahllos wurde auf Menschen geschossen, Dutzende festgenommen. Es ist von zahlreichen Verletzten die Rede. Angesichts der Erfahrung, die andere Städte gemacht haben, versuchen die Menschen, die beiden Krankenhäuser vor Zerstörung und Besetzung durch die Schergen des Regimes zu schützen. Auch Barrikaden aus brennenden Autoreifen und Müllcontainern wurden errichtet, um ein weiteres Vorgehen der Sicherheitskräfte zu behindern. Es wurden wohl hauptsächlich zwei Stadtviertel heimgesucht. Bisher waren die Städte, die komplett vom Regime besetzt wurden, höchstens 100.000 Einwohner groß. Hama hat etwa 700.000 Einwohner. Es ist zu hoffen, dass sich das Regime nicht traut, die ganze Stadt zu besetzen oder es sich daran "verschluckt". Dass die Bewohner Hamas heute als Antwort auf das gewaltsame Eindringen in Generalstreik getreten sind, ist ein gutes Zeichen ihrer Entschlossenheit, sich nicht zu beugen.

3. Juli 2011

Syrien: "Verschwinde!"

Das Motto der Freitagsdemonstrationen war denkbar einfach: "Verschwinde!" Dies als Antwort an Assad und die Pseudo-Dialogangebote seines Regimes. "Mit Mördern gibt es keinen Dialog", so die einhellige Meinung der Demonstranten. Über 260 Demonstrationen wurden gezählt, mit geschätzten 3 Millionen Teilnehmern. Und wie dieser "Dialog" in der Realität aussieht, zeigte sich leider auch wieder: 31 Tote. 
Die großen schwarzen Buchstaben bedeuten: "Verschwinde!" - Umgestaltete Werbetafel in Idlib.
In Hama demonstrierten erneut Hunderttausende. Und das vierte Mal in Folge waren keinerlei Bewaffnete des Regimes zu sehen, nicht mal die Verkehrspolizei. Und gerade deshalb blieb alles friedlich. Aber das Regime will Gewalt. Anders ist es nicht zu erklären, dass der Gouverneur von Hamas am Sonnabend abgesetzt wurde, ohne Angaben von Gründen. Es steht zu befürchten, dass die Gewalt wieder Einzug hält in Hama. Heute gibt es Berichte, wonach um Hama Sicherheitskräfte zusammengezogen werden und sie sich auf dem Weg in die Stadt machen.

19. Juni 2011

Syrien: "Du kannst die Blumen zertreten, Bashar, aber Du kannst den Frühling nicht aufhalten."

Die Demonstrationen dieses Freitages waren Saleh al-Ali gewidmet, einem Widerstandskämpfer gegen die französische Besatzung nach dem Ersten Weltkrieg. Natürlich tobte das Regime ob dieser Wahl. Das sei ein "Missbrauch" des Helden. Die Baath-Partei gibt sich als den einzigen Garanten der syrischen Souveränität. Doch die nationalistische Rhetorik verfängt schon lange nicht mehr bei den Demonstranten. Erinnert sei an die Parole: "Wer auf das Volk schießt, ist der Verräter." Ihre Wahl Saleh al-Alis signalisiert auch noch etwas anderes. Sie wollen sich nicht auf religiöse Spaltungen einlassen und der Vorwurf, sie seien sunnitische Extremisten, wird zurückgewiesen: denn Saleh al-Ali war Alawit.
Demonstration am Freitag, den 17.06.2011, in Hama
Ich wiederhole es gerne: Es werden nicht weniger. Dieser Freitag sah mindestens genauso viele Demonstranten wie die Freitage zuvor. "Du kannst Blumen zertreten, Bashar, aber Du kannst nicht den Frühling aufhalten" war auf einem Transparent zu lesen. Zunehmend soll sich auch die Mittelschicht beteiligen. Bisher waren die Proteste v. a. von der Mehrheit der Armen getragen worden.

Und schon am nächsten Tag, den Sonnabend, gab es vielerorts wieder Demonstrationen. Denn das Regime ließ am Freitag wieder schießen. Etwa 20 Tote waren zu verzeichnen. Ohne zu übertreiben kann man sagen, dass es in Hama, Deir Azzour und Harasta (ein Vorort von Damaskus) jeweils(!) Zehntausende waren, die den Toten das letzte Geleit gaben.

Und das Regime? Nun, unter der Woche wurde verkündet, Rami Makhlouf (Cousin von Bashar und reichster Syrer) würde sich aus seinen Geschäften zurückziehen und nur noch für die Allgemeinheit arbeiten, Jobs schaffen und Teile seines Vermögens für wohltätige Zwecke spenden. Was von diesen Ankündigungen gehalten wurde, zeigte sich, als erneut wieder Niederlassungen von Syratel, der Mobilfunkfirma Makhloufs, verwüstet wurden.

Ach ja, und dann gibt es noch die Kampagne einiger Kräfte des Regimes, die die Demonstranten als schwul diffamieren. Ja, richtig gelesen, der Vorwurf lautet: "Die sind doch alle schwul!" So weit zum politischen Niveau des Regimes.

12. Juni 2011

Syrien: Während er das Volk töten lässt, traut sich Bashar Assad nicht mal ans Telefon

Auch diesen Freitag sah Syrien Demonstrationen allerorten. Und es waren mindestens genauso viele auf den Straßen wie am vorherigen Freitag. In und um Damaskus gab es mindestens zwölf Demonstrationen. Erstmals wurde auch mitten in Damaskus, im Stadtteil Midan, geschossen. In den Parolen wurde häufig Solidarität mit der Stadt Jisr Al-Shugur bekundet.

Nach tagelangem Aufmarsch und Angriffe auf umgebende Dörfer und Kleinstädte hat die syrische Armee am Sonnabend dann den befürchteten Angriff auf Jisr Al-Shugur begonnen. Seit den frühen Morgenstunden wurde die Stadt beschossen. Am heutigen Sonntag sind die Streitkräfte des Regimes wohl nun einmarschiert.

Die Berichte der Flüchtenden klingen als ob eine fremde Armee in ein feindliches Land einfällt und es verheeren will: Panzer beschießen Wohnhäuser, Felder und Olivenhaine werden verbrannt, Hubschrauber überfliegen die Gegend und schießen wahllos auf Menschen. Und wer kann, flieht vor der Soldateska. Hier führt jemand erbarmungslos Krieg. Aber es ist das eigene Regime, das gegen das Volk vorgeht.

Aber es ist nicht das erste Mal, dass die syrische Armee gegen eine Stadt vorgeht. Daraa und Talkalakh sind nur die prominentesten Beispiele dafür. Aber auch Hama, Homs, Latakia, Banyas, Idlib, Jablah, Rastan, Jassim, Darayya und Al Tal sahen und sehen den Einsatz von Militär gegen eine Zivilbevölkerung, die nur ihre demokratischen Rechte einfordert. Auch in diesen Städten wurde bewusst ökonomischer Schaden angerichtet, Geschäfte und Wohnungen geplündert. In und um Jisr Al-Shugur scheint nun ein ganzer Landstrich betroffen zu sein.

Die Zahl der Todesopfer, die diese Militäraktion im Norden Syriens bisher gefordert hat, ist unklar. Bis gestern soll es 50 Tote gegeben haben, aber es ist zu befürchten, dass die Zahlen noch steigen werden, zumal von "anhaltenden Kämpfen" die Rede ist. Dabei sind wohl desertierte Soldaten beteiligt, die versuchen, die Angreifer zu stoppen. Wobei ihnen klar sein wird, dass sie dabei sterben werden, zu groß ist die Übermacht. Aber es gibt mehr und mehr Soldaten, die ihren Auftrag, das Volk zu schützen, ernst nehmen und lieber sterben als auf unbewaffnete Zivilisten zu schießen. Doch noch sind sie in eine verschwindend kleine Minderheit.

Während das Volk trotz aller Repression täglich auf die Straße geht und die Menschen dabei ihr Leben riskieren, traut sich Bashar al-Assad nicht mal ans Telefon. Zweimal hat der UN-Generalsekretär versucht, den Präsdidenten Syriens zu erreichen, beide Male war der "Führer Arabiens" für den Ban Ki Moon nicht zu sprechen. Man könnte fast meinen: Je mutiger das Volk, desto feiger der Tyrann.

9. Juni 2011

Syrien: Erklärung der Menschen von Hama

Angesichts der Ereignisse in Hama vom letzten Freitag, der Geschichte Hamas und der Tatsache, dass morgen wieder ein Freitag, also ein Tag des Protestes in Syrien ansteht, haben sich die Bewohner von Hama zu folgender Stellungnahme entschlossen.

Erklärung von Hama

Wir schwören beim Allmächtigen Gott, dass wir beharrlich unseren friedlichen Kampf für Freiheit, Demokratie und Gerechtigkeit fortsetzen werden; auch für das teure Blut derer, die auf diesem Wege bisher getötet wurden.

Die Menschen in Hama sind wiederholt von Massakern betroffen gewesen, vom Massaker von 1982 bis zum Freitag, den 3. Juni 2011 (Freitag für die Kinder der Freiheit). Diese Massaker wurden von den repressiven Sicherheitskräften des Regimes an friedlichen und unbewaffneten Protestierenden durchgeführt. Der erste Aufruf zu einem dreitätigen Streik war sehr erfolgreich. Darauf aufbauend und im Glauben an unsere friedliche Revolution warnen wir, die Menschen von Hama, die syrischen Machthaber: Sollten sich ähnliche Szenarien wiederholen, werden wir zum zivilen Streik aufrufen, beginnend mit folgenden Maßnahmen, und wir werden unseren Streik friedlich eskalieren, wenn die Sicherheitskräfte ihre Repression eskalieren:

1. Alle Geschäfte und Unternehmen werden geschlossen.
2. Beschäftigte des öffentlichen und privaten Sektors werden nicht zu ihren Arbeitsplätzen gehen, außer in den Bäckereien und dem Gesundheitssektor wie Krankenhäuser und Apotheken.
3. Alles Geld, das bei öffentlichen und privaten Banken liegt, wird abgezogen.
4. Alle Rechnungen für öffentliche Dienstleistungen wie Elektrizität und Wasser werden nicht bezahlt.
5. Alle Arten von Gebühren und Geldbußen werden nicht bezahlt.
6. Alle staatlichen Läden werden boykottiert.

Wir, die Menschen von Hama, erwarten, dass die Generäle und Angehörigen der syrischen Armee ihre Brüder und Schwestern unterstützen, indem sie Befehle zu Mord und Terror an den unschuldigen Einwohner verweigern.

Im Vertrauen auf Gott

9. Juni 2011

7. Juni 2011

Syrien: Was geschah in Jisr al-Shughur? Was in Yarmouk?

Die syrischen Staatsmedien haben bekannt gegeben, in Jisr al-Shughur seien 120 Sicherheitskräfte von "bewaffneten Banden" getötet worden. Fest steht, die Stadt (ca. 50.000 Einwohner, im Norden an der Grenze zur Türkei gelegen) ist seit Sonnabend von Schergen des Regimes terrorisiert worden. Dabei soll auch aus Hubschraubern auf Menschen am Boden geschossen worden sein. Am Sonntag gab es wohl den Versuch, die Stadt militärisch zu besetzen.
Da die syrischen Staatsmedien gerne behaupten, Städte hätten um den Einsatz der Armee "gebeten",
haben die Bewohner von Jisr al-Shughur schon mal ihre Meinung auf den zentralen Platz niedergeschrieben:
"Jisr al-Shughur will keine Besetzung durch die Armee"
Die Besetzung ist verhindert worden. U. a. haben Bewohner aus den umliegenden Dörfern Straßensperren errichtet. Auch soll es da schon zu Desertierungen auf Seiten einiger Soldaten gekommen sein. Und wieder soll auf Menschen aus Hubschraubern geschossen worden sein, auch auf Menschen, die auf den Feldern arbeiten. Zurzeit hat die Weizenernte begonnen. Am Montag war es in der Stadt relativ ruhig. Dabei soll es laut staatlichen Medien am Montag zu den meisten Opfern unter den Sicherheitskräften gekommen sein. Aktivisten berichten, sie hätten am Montag aus dem Hauptquartier der Polizei Explosionen und Schüsse gehört. Deshalb vermuten sie, dass eine Meuterei stattgefunden hat, bei der sich Polizisten weigerten, auf die unbewaffneten Bewohner der Stadt zu schießen, und die deswegen erschossen worden sind. Das wäre an sich nichts neues, nur das Ausmaß der Weigerung wäre bisher unbekannt.

Die Version der staatlichen Medien ist wesentlich unglaubwürdiger als die Vermutungen der Opposition. Zwar gibt es vereinzelte Stimmen bei der Opposition, die angesichts der mittlerweile über 1.300 Toten verständlicherweise dazu aufrufen, sich auch bewaffnet zu wehren, aber diese sind marginal und von deratigen Aktionen ist bisher nichts bekannt. Zudem hätten sie kaum die Möglichkeit, 80 Polizisten an einem Tag und an einem Ort zu töten, wie es von den staatlichen Medien behauptet wird. Eine Schießerei zwischen Sicherheitskräften in einem Hauptquartier kann dagegen sehr wohl zu solchen Verlusten führen.

Das Innenministerium Syriens hat angekündigt, mit voller Härte durchzugreifen. Was das in Syrien bedeutet, kann man sich vorstellen. Und so verwundert es nicht, dass viele Einwohner Jisr al-Shughurs momentan versuchen, über die nahe gelegene Grenze in die Türkei zu fliehen.

Am Montag kam es in Yarmouk, einem Palästinenserlager in Damaskus zu schweren Ausschreitungen. In Syrien leben ca. 500.000 Palästinenser. Diese haben zwar einen syrischen Pass, aber nicht die syrische Staatsangehörigkeit. Unter Nation steht in ihren Pässen: "ungeklärt". Es sind die vertriebenen Araber aus Palästina von der Staatsgründung Israels im Jahre 1948 und deren Nachkommen. Unter den Palästinenser"lagern" darf man sich keine Zeltlager vorstellen. Es sind ausgewachsene Vorstädte oder Stadtteile. Yarmouk ist ein solcher Stadtteil in Damaskus, der vorwiegend von Palästinensern bewohnt wird. Hier ist auch das Hauptquartier der PFLP-GC, einer von Syrien gegründeten Palästinenserorganisation. Bei einer Beerdigung von Aktivisten, die bei Protesten an der Grenze zu Israel am Sonntag (Gedenktag zum Sechstagekrieg) umkamen, ist es zu Sprechchören gegen die pro-syrischen Palästinenserorganisationen einschließlich der Hamas gekommen. Diese Organisationen führen sich in den Palästinenserlagern ähnlich auf wie die syrische Regierung und diese lässt sie gewähren. Jedenfalls wurde das Hauptquartier der PFLP-GC angezündet. Spätestens dann haben Milizen der PFPL-GC und syrische Sicherheitskräfte auf die Demonstranten geschossen. Es ist von elf Toten berichtet worden.

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Zum Kommentar unten, den ich aus technischen Gründen selber nicht als Kommentar machen kann:

So, ich bin also unkritisch. Da hat sich einer dieser "Der Westen ist immer böse, an allem schuld und seine Medien lügen immer"-"Antiimperialisten" auf diese Seite verirrt. Wer den Blog dieses Menschen liest, weiß schnell, wes Geistes Kind das ist. Ich will hier nur auf den Eintrag eingehen, den der Mensch hier als Link angibt. Und der Mensch möge sich bitte nicht angesprochen fühlen. Ich habe mehrere Diskussionen mit solchen "Antiimperialisten" hinter mir, da ist Hopfen und Malz verloren.

"Am gestrigen Mittwoch brachte die deutsche Tagesschau über Syrien einen total verlogenen Bericht von Ulrich Leidholdt aus dem ARD-Hörfunkstudio Amman im Königreich Jordanien, wo die gegenwärtig im Süden von Syrien eingesetzten Terrorkommandos ihre Basen haben." Die Mär von den Terrorkommandos in Syrien stammt vom Assad-Regime. Kann ja auch gar nicht sein, dass da Menschen nach fast 50-jähriger Alleinherrschaft einer Partei und über 40-jähriger Herrschaft des Assad-Clans die Nase voll vom Regime haben. Im "Süden von Syrien" hat es übrigens damit angefangen, dass Schüler(!) aus Daraa festgenommen, nach Damaskus verschleppt und gefoltert wurden. Zumindest die Festnahmen und die Verschleppung nach Damaskus leugnete nicht mal das Assad-Regime.

"Ulrich Leidholdt behauptet da zum Beispiel, dass die syrische Regierung, die er zur Stimmungsmache gegen Syrien als „Regime“ bezeichnet, „Journalisten die Einreise verweigert.“ Diese platte Lüge ist leicht durchschaubar. Wie oben zu sehen ist, kommen Fotos aus Syien bei Reuters an, und Journalisten wie Karin Leukefeld berichten aus Syrien darüber was dort geschieht und nicht geschieht. Der ARD-Propagandist Ulrich Leidholdt hingegen meint sich, seinesgleichen und die total verlogenen zionistischen Volksverhetzer, wenn er von Journalisten redet. Er will die Menschen damit glauben offenbar machen, nur weil die syrische Regierung goebbelsche Volksverhetzer, zionistische Lügner und die traditionell mit dem Zionismus eng verbundenen Deutschen von ARD und ZDF nicht einreisen lässt, gäbe es in Syrien keine Journalisten." Der Sprachgebrauch ist verräterisch. Das ist nicht Sprachgewalt, sondern Sprachgewalttätigkeit. Ich kenne solch eine Hetze nur von Stalinisten und Nazis.

Ich bezeichne die Regierung Syriens auch als Regime, weil ihr jede demokratische Legitimität fehlt. Die Baath-Partei hat sich die "führende Rolle" in die Verfassung geschrieben und sich per Gesetz auch gleich noch die Mehrheit im Parlament gesichert. Parteien außerhalb der von der Baath-Partei geführten "Nationalen Progressive Font" sind nicht erlaubt. Da ist "Regime" noch ein harmloser Ausdruck für.

Zudem hat der Mensch da etwas nicht begriffen. Von freier Berichterstattung kann nicht die Rede sein, wenn ich nur mir gefällige oder zumindest nicht unbequeme Journalisten ins Land lasse. Übrigens hat die syrische Regierung schon im März einen Journalisten von Reuters ausgewiesen. Und einen anderen für sechs Tage festgenommen: http://www.rawstory.com/rs/2011/04/03/syria-frees-reuters-photographer-after-6-days/ In dem Artikel wird auch von den Festnahmen dreier weiterer Reuters-Journalisten u. a. berichtet. Das erwähne ich, weil die Präsenz von Reuters als Beleg angeführt wird, es gäbe in Syrien freie Berichterstattung.

"Dass die Mörderbanden, die die syrischen Sicherheitskräfte ermordet haben, den Ort ihrer Verbrechen gefilmt, dabei selbst die Toten noch geschlagen und das dann stolz ins Internet gestellt haben, berichtet Ulrich Leidholdt hingegen genausowenig wie dass dieselben Behauptungen von Seiten der von der NATO unterstützten Mörder in Libyen bereits als Lüge aufgeflogen sind." Verwackelte Amateurbilder sind also kein Beweis. Und was führt der Mensch als "Beweis" für die die "Grausamkeit" der syrischen Oppositionellen an? Richtig, verwackelte Amateurbilder! Übrigens, und das kann man auch in einem Kommentar zu dem Video lesen, trage einige der Opfer Vollbart. Das ist in den syrischen Streitkräften verboten, weil es als ein Ausweis sunnitisch-islamistischer Gesinnung gilt. Also bestehen ernsthafte Zweifel daran, dass es sich um Angehörige der syrischen Armee handelt, die da zu sehen sind. Es gibt Berichte, dass Kämpfer der Hizbollah an der Unterdrückung der Proteste mitwirken. Darüber hinaus gibt es mittlerweile hunderte Videos, die belegen, dass auf friedliche Demonstranten geschossen werden und in der Mehrheit der Fälle ist auch klar, wer da schießt: die syrische Armee und Sicherheitskräfte. Sicher, da sind viele "verwackelt", aber den möchte ich sehen, der da eine ruhige Hand hat, während auf ihn geschossen wird. Das ist die Perfidie, die hinter solchen Ausdrücken wie "verwackelte Amateurbilder" steckt.

"Und dann verbreitet Ulrich Leidholdt in der Tagesschau Gerüchte von Ammar Kurabi, den er als „renommierten syrischen Menschenrechtler“ vorstellt. Ausführlich verbreitet die Tagesschau die von diesem Mann behaupteten faktenfreien Horrormärchen von gefolterten Demonstranten, einschließlich der politischen Einschätzung des Mannes, die syrische Regierung sei selbst Schuld, wenn friedliche Demonstranten Sicherheitskräfte ermorden und Syrien deshalb international sanktioniert werde. Dass Ammar Kurabi Chef der sogenannten „Syrian Human Rights Association“ ist, deren führende Mitglieder bereits in der Vergangenheit durch das vorsätzliche Verbreiten von übelsten Falschinformationen zum Schüren von Gewalt aufgefallen sind, verschweigt Ulrich Leidholdt hingegen." Wer den Artikel, der da angegeben wird, um zu "beweisen", dass dieser Menschenrechtler ein Lügner sei, stellt fest, dass er vom syrischen Regime wegen "Veröffentlichung von Falschinformationen" verurteilt wurde. Eine typische Anklage von diktatorischen Regimes gegen Menschenrechtler. Und nicht umsonst wird Syrien in Berichten von Amnesty International und anderen Menschenrechtsorganisationen stets besonders erwähnt, und das nicht erst seit gestern, sondern seit Jahrzehnten. Die systematische Anwendung von Folter ist in Syrien mit unzähligen Fakten dokumentiert. Als es die ersten Berichte über Demonstrationen in Syrien gab, reagierten viele Araber mit den Worten: "Syrien? Hast du gesagt, es gibt in Syrien Demonstrationen?" Sie konnten es kaum glauben, weil die Brutalität des Regimes selbst für arabische Verhältnisse als extrem gilt.

"Und natürlich sagt er auch nichts dazu, dass der von Zionisten dominierte Kriegsverbrecherstaat USA den verlogenen Versuch, einnen Regime Change in Syrien durchzuführen, eingestandenermaßen konspirativ und mit viel Geld vorbereitet hat." Ja, die USA haben für die demokratische Opposition in Syrien Geld gegeben. Na, und? Da haben die USA schon schlechtere Ausgaben gemacht. Aber so etwas ist bei diesen "Antiimperialisten" immer gleich der Beweis, dass das Ganze von den USA gesteuert ist. Nur noch eins dazu: Die, die jetzt die Proteste in Syrien tragen, sind lokale, spontan gebildete Gruppen, die mit den traditionellen syrischen Oppositionsgruppen wahrlich nicht identisch sind. Das macht einen Teil ihres Erfolges aus. – Und die "Zionisten" dominieren die USA? Na, wer da jetzt an die jüdische Weltverschwörung denkt, ist aber ein ganz Böser.

Dann geht es endlich um den Vorfall in Yarmouk: "Um der deutschen Öffentlichkeit nicht stattfindende Antiregierungs-Demonstrationen in Syrien vorzugaukeln, benutzt die Tagesschau Bilder von der Beerdigungsprozession von Enas. Danach zeigt die Tagesschau Bilder von Menschen, die vor mordenden Terroristen in Deckung gehen, und suggeriert dabei fälschlicherweise, es wären syrische Sicherheitskräfte, die da auf Menschen schießen würden. (…)Mit keinem Wort erwähnt die Tagesschau, dass die Bilder der Beerdigung von Enas nicht Bilder einer Anti-Regierungsdemonstration sind, sondern Bilder von einer sehr regierungsfreundlichen Beerdigung eines Opfers der zionistischen Freunde Deutschlands. Enas wurde von Israel ermordet, weil sie auf das zionistische Unrecht der Verweigerung des Rückkehrrechtes für palästinensische Flüchtlinge aufmerksam machen wollte und die Tagesschau lügt ihre Beerdigung zu einer Demonstration gegen die syrische Regierung um."

Der Reihe nach. Alljährlich gedenken die Palästinenser und Araber der Niederlage im Sechstagekrieg, dem Naksa-Tag. Diesen Krieg als " räuberischen Angrifffskrieg" zu bezeichnen, ist schon eine sehr einseitige Darstellung der Geschichte. Denn sie verschweigt den öffentlich erklärten Vernichtungswillen der arabischen Staaten gegenüber Israel und die arabischen Truppenaufmärsche im Vorfeld dieses Krieges. Aber das nur nebenbei.

Seit 1974 gab es keinen ernsten Vorfall an der syrisch-israelischen Waffenstillstandlinie. Syrien hat seitdem jede Konfrontation mit Israel gemieden. Im Libanonkrieg 1982, als noch syrische Truppen im dem Land standen, haben diese syrischen Truppen sich beim Einmarsch der Israelis zurückgezogen und die Kämpfer der PLO allen pro-palästinensischen Parolen zum Trotz im Stich gelassen. Ich habe persönlich mit einem Palästinenser geredet, der damals dabei war. Auch andere Palästinenser, mit denen ich zu tun hatte, waren auf das syrische Regime nicht sonderlich gut zu sprechen. Stets waren sie der Meinung, dass sie nur Spielball der syrischen Interessen waren. Die pro-syrischen "Palästinenser"gruppen, allen voran die PFLP-GC, seien mit Vorsicht zu genießen, da sie von syrischem Militär und Geheimdiensten durchsetzt seien. Gegen Israel zu kämpfen überlässt das syrische Regime anderen, erst der PLO, später der Hizbollah. Soweit zu dem "Widerstand gegen Israel", den das syrische Regime angeblich führt.

Also, seit 1974 hat Syrien jeden Konflikt mit Israel gemieden. Und plötzlich, als es durch den Aufstand unter Druck gerät, zieht es die "israelische" Karte. Konnte sich sonst kein Mensch der Waffenstillstandlinie nähern, wurden am 5. Juni diesen Jahres mithilfe der PFLP-GC Palästinenser aus Damaskus zur Grenze gefahren und ihnen erlaubt, die israelischen Linien zu überschreiten. Man kann und muss das israelische Grenzregime nicht verteidigen, in der Tat ist es mehr als kritikwürdig. Aber, wer Leute dahin bringt, weiß, was passiert. Es gab es zudem Lautsprecherdruchsagen seitens der israelischen Kräfte, sie würden schießen, wenn es zu Grenzübertretungen kommt. Hier wurden junge Menschen, die sicher für Palästina nur das Beste wollten, von der PFLP-GC und dem mit ihr verbundenen syrischen Regime kalkuliert geopfert, um die Palästinenser im "Widerstand gegen Israel" an das Regime in Damaskus zu binden. Zudem war es ein Signal an alle ausländischen Regierungen, dass das syrische Regime auch die Region destabilisieren könne.

Bei dem Trauerzug für die Opfer kam es dann zum Ausbruch des Zornes der Angehörigen. Diese hatten nämlich das billige Manöver der PFLP-GC und des syrischen Regimes durchschaut. Sie sahen die Jugendlichen in einem Machtspiel geopfert. Deren Tod war vorhersehbar und völlig sinnlos. Dieser Zorn entlud sich erst in Parolen gegen die PFLP-GC und dann in Gewalt gegen das Hauptquartier der PFLP-GC in Yarmouk. Angehörige der PFLP-GC schossen daraufhin auf die Protestierenden. Später trieben syrische Sicherheitskräfte die erzürnten Palästinenser mit Waffengewalt auseinander.

Der Beitrag der Tagesschau war mir unbekannt. Aber es gibt andere Quellen:
Al Jazeera: http://www.youtube.com/watch?v=wYtNFJh4Cjc Allerdings wird Al Jazeera, das in den USA so gut  wie gar nicht empfangen werden kann, weil es immer noch bei vielen als "Terroristensender" gilt, bei den "Antiimperialisten" nicht mehr als seriöse Quelle angesehen, seit dem der Sender nach den Protesten in Tunesien und Ägypten dann auch über die in Libyen und Syrien berichtet.
Gänzlich unverdächtig einer "pro-zionistischen" Berichterstattung sollte auch die Meldung der führenden chinesischen Agentur sein: http://news.xinhuanet.com/english2010/world/2011-06/07/c_13915744.htm

Also, man kann den Tagesschau-Beitrag als ungenau bezeichnen, weil die Proteste sich hauptsächlich gegen die PFLP-GC richteten. Aber über den Beitrag zu sagen: "Auf solch ein dreckiges und verlogenes Stück Propaganda, wie es die Tagesschau hier abliefert, hätte Joseph Goebbels erst mal kommen müssen" ist eine beleidigende Wertung des Berichts angesichts der Tatsachen. Denn diese Palästinenserorganisation, die von einem ehemaligen Offizier der syrischen Armee geleitet wird, ist aufs engste mit dem syrischen Regime verbunden. Folglich ist es schon eher eine Lüge von "einer sehr regierungsfreundlichen Beerdigung" zu sprechen, wie es der Mensch von "Mein Parteibuch Zweitblog" tut.

Im übrigen, wer meinen Beitrag liest, wird feststellen, dass ich keineswegs behauptet habe, dass sich die Demonstranten gegen das syrische Regime gestellt haben, sondern "nur" gegen die pro-syrischen Palästinenserorganisationen. Aber mittlerweile hat sich die Stimmungslage bei den Palästinensern komplett gegen das syrische Regime gewandt. Spätestens seitdem die syrische Armee in Latakia mit Panzern auf ein palästinensisches Flüchtlingslager geschossen hat: http://www.reuters.com/article/2011/08/16/us-syria-idUSTRE77D0LP20110816

Ich kann nur hoffen, dass die Palästinenser von Yarmouk und anderswo den Weg weitergehen und alle Organisationen, denen es nur um Macht geht und die keinen Beitrag zu Verbesserung der Lage der Palästinenser leisten, auf den Müllhaufen der Geschichte werfen. Die PFLP-GC gehört dabei mit ganz oben auf die Liste. Und das syrische Regime steht dabei nur im Wege. Auch einer der Gründe, warum es weg gehört.

Mike, 18. September 2011

5. Juni 2011

Syrien: Mehr denn je für die "Kinder der Freiheit" auf der Straße

Wieder mal hat das Regime unter der Woche vieles versucht, um den Protest nach den Freitagsgebeten einzudämmen. Eine Amnestie, die von Syrern u. a. so kommentiert wurde: "Oh, wie nett, der Verbrecher verzeiht seinen Opfern." Und ein "Dialog"-Angebot an ausgesuchte "Oppositionelle". Nur, all das hilft nicht mehr. So fordert die Opposition, ein Dialog könne erst dann beginnen, wenn der Verantwortliche für die 1.200 Todesopfer seit Beginn der Proteste, also der Präsident, zurücktritt. Das Regime muss geahnt haben, dass die Proteste wieder groß werden würden. Denn es zog diesmal den Stecker, der Internettraffic brach in den frühen Morgenstunden abrupt ein.
Einbruch des syrischen Internetraffics am frühen Freitagmorgen
Und die Proteste wurden groß, die größten seit Beginn des Aufstandes. Die Lokalen Koordinationskommitees hatten zum Tag für die "Kinder der Freiheit" aufgerufen. Anlass dazu war sicher der Tod des 13-Jährigen Hamza Al-Khatib, der vom Geheimdienst gefoltert und ermordet wurde. Aber auch Vorfälle wie am Sonntag in Talbiseh, wo ein Schulbus von einer Granate des Militärs getroffen wurde und ein elfjähriges Mädchen umkam. Insgesamt sind 72 Minderjährigen namentlich bekannt, die durch die mörderische Repression des Regimes bislang getötet wurden.

Protestaktion in Latakia am Tag für die "Kinder der Freiheit"

Die Demonstrationen erfassten wieder das ganze Land. Allein in Homs gingen an die 100.000 Menschen auf die Straße. In Hama soll der Demonstrationszug 1,5 Kilometer lang gewesen sein. Hier kam es auch zu den schlimmsten Vorfällen am Freitag. Die Schergen des Regimes eröffneten das Feuer auf die Menschenmenge. Mindestens 40 starben allein in dieser Stadt, landesweit insgesamt mindestens 70. In Hama muss es zu erschütternden Szenen gekommen sein. Vielfach wird berichtet, dass Leichen, die auf den Straßen lagen, nicht geborgen werden konnten, weil Scharfschützen die Menschen ins Visier nahmen. Auch aus den Krankenhäusern sollen Verletzte verschleppt und hingerichtet worden sein. Vielerorts gingen die Menschen deshalb am Freitag zweimal auf die Straße. Das zweite Mal in Solidarität mit den Menschen von Hama.

31. Mai 2011

Syrien: Offene Folter als Einschüchterungsmethode

Es ist unbegreiflich, dass ein Staat einen 13-Jährigen zu Tode foltert. Aber man wundert sich auch, warum ein so skrupelloses Regime dann den Leichnam mit den eindeutigen Folterspuren nicht verschwinden lässt, um dieses unglaubliche Verbrechen zu vertuschen, sondern stattdessen den entstellten Körper den Eltern übergibt. Nun, das hat in Syrien Methode.

Die Büros der Geheimdienste sind zum Teil nicht irgendwo am Stadtrand, sondern mitten in den Wohnvierteln. Die Folterkeller direkt darunter. Jeder in Syrien weiß das. Man versucht gar nicht, sein brutales Vorgehen zu verheimlichen. Im Gegenteil, die quasi offene Folter soll abschrecken. Und seit dem Beginn der Proteste sind Tausende festgenommen und tagelang gefoltert worden, um danach ohne Anklage freigelassen zu werden. Dies sollte die Menschen von weiteren Protesten abhalten. Auch die Übergabe der misshandelten Toten soll signalisieren: "Seht her, wir können euch unsägliche Leiden zufügen und letztlich werdet ihr sterben!" Die Abteilung für "Terrorismusbekämpfung" des Geheimdienstes der Luftwaffe, in deren Händen Hamza war, gilt selbst für syrische Verhältnisse als besonders grausam. Entsprechend geht ihr auch jedes Unrechtsbewusstsein ab. Sie hat im Falle von Hamza El-Khatib so gehandelt, wie sie immer handelt: absolut gnadenlos im Dienste des Regimes.

29. Mai 2011

Syrien: Es werden nicht weniger. 13-Jähriger in Haft bestialisch getötet.

Auch diesen Freitag sind wieder Zehntausende auf die Straße gegangen. Neben dem Hauptslogan "Das Volk will den Sturz des Regimes!" gab es viele Parolen, die die Armee aufforderten das Volk zu schützen, wie es ihr Auftrag ist. Denn dieser Freitag war der "Freitag der Armee". Als Reaktion auf eine Rede des Hozbollah-Führers Nasrallah, in der er das syrisch Regime unterstütze, war auch zu hören: "Nein zum Iran! Nein zu Hizbollah!" Insgesamt gingen wieder mindestens so viele Menschen auf die Straße wie den Freitag zuvor.

Aber die Nachricht, die Syrien zurzeit erschüttert, ist die vom Tod des 13-jährigen Hamza El-Khatib. Er wurde am 29. April in Nähe von Daraa festgenommen, als er seine Familie auf einer Demonstration gegen die Besetzung Daraas durch Geheimdienste und Militär begleitete. Nun wurde sein Leichnam der Familie übergeben. Der Körper zeigt Schusswunden und ist übersäht mit Spuren von Folter, das Gesicht ist geschwollen und blau unterlaufen, auch der Rest des Körpers ist mit blauen und schwarzen Stellen übersäht. Als Gipfel der Bestialität sind seine Genitalien verstümmelt worden. Und zwar bevor er erschossen wurde, wie ein Autopsie ergab. In letzter Zeit sind die Menschen abends und nachts auf die Dächer gegangen und haben nach iranischen Vorbild "Allahu Akhbar!" als Zeichen des Widerstandes gerufen. Gestern wurde vielerorts einfach nur ein Name gerufen: Hamza El-Khatib


Eintrag in einem ägyptischen Blog zu dem Tod von Hamza El-Khatibs (Vorsicht, die Bilder sind grauenvoll):
We are all Hamza Ali El-Khatib und eine Facebookseite zu seinem Gedenken

22. Mai 2011

Bahrain: Zwei Todesurteile bestätigt. Militärgerichtsmaschine läuft auf Hochtouren.

Am heutigen Sonntag hat die Berufungsinstanz der Militärgerichte zwei der vier Todesurteile wegen angeblichen Polizistenmordes bestätigt, zwei Todesurteile wurden in lebenslängliche Haft umgewandelt. Die drei lebenslänglichen Strafen dieses Prozesses wurden bestätigt. Gründe wurden keine angegeben. Die Vollstreckung der Todesurteile wurde an die zivile Justiz übergeben. Todesurteile müssen in Bahrain vor der Exekution vom König bestätigt werden.

Aber nicht nur in diesem Fall läuft die Militärgerichtsmaschine auf Hochtouren. Meist dauern die Verfahren vier Tage. Am ersten Tag wird die Anklage verlesen (häufig genug hört hier der Angeklagte zum ersten Mal, welche Anschuldigung man gegen ihn erhebt) und die Verteidigung bestellt (meist dem Angeklagten zugewiesene Verteidiger, also kein Anwalt seines Vertrauens). Am zweiten Tag erfolgt die Beweisaufnahme. Am dritten Tag folgen die Plädoyers von Anklage und Verteidigung. Und am vierten Tag erfolgt das Urteil. Alle Verfahren finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

Und die Strafen sind drastisch. So werden Menschen wegen "Teilnahme an einer illegalen Versammlung" zu ein bis drei Jahren verurteilt. Wohlgemerkt nur wegen Teilnahme, nicht wegen irgendwelcher Gewalttaten, und die Strafen sind keine Bewährungsstrafen.

Auch werden zweifelhafte Massenprozesse durchgezogen. So wurden am 19. Mai neun Angeklagte wegen "Entführung eines Polizeibeamten" zu 20(!) Jahren Haft verurteilt. Nähere Einzelheiten wurden nicht bekannt gegeben. Zwei der Angeklagten waren am 23. März festgenommen worden. Sie sind Brüder. Die Polizei suchte bei ihnen zuhause angeblich ihren Vater. Der ist aber im libanesischen Exil, was in Bahrain allgemein bekannt ist, u. a. weil er regelmäßig in TV-Sendungen arabischer Satellitensender auftritt, in denen er aus dem Libanon zugeschaltet wird.

Syrien: Azadî, der Ruf nach Freiheit bleibt

Am Freitag hatte die Opposition zum Azadî-Tag aufgerufen. Azadî ist kurdisch und bedeutet Freiheit. Damit hat der arabische Teil der Opposition seine Verbundenheit mit den Kurden zum Ausdruck gebracht und gleichzeitig verdeutlicht, worum es ihr geht.

Und wieder sind Tausende dem Ruf gefolgt. Und erneut schossen die Schergen des Regimes. Dutzende Tote sind zu vermelden. Aus Homs gibt es ein Video das zeigt, wie völlig unbewaffnete Menschen einem Schützenpanzer trotzen.


Für Idlib war ein Sternmarsch geplant, um den Hauptplatz der Stadt zu besetzen. Davon haben die Sicherheitskräfte Wind bekommen. Ihre Taktik, den Zusammenschluss von Demonstrationen zu einer großen zu verhindern, haben sie hier auch wieder mit aller Brutalität durchgesetzt. In der Nähe von Al-Mastoumeh, einem Ort in der Umgebung Idlibs sollen allein an einer Straßensperre etwa 30 Menschen umgekommen sein. Auch davon gibt es ein Video.


Unterdessen haben mehrere Menschenrechtsorganisationen darauf hingewiesen, dass die bisherigen Opferzahlen nur das ihnen bekannte Minimum sind. Viele Leichen werden von den Sicherheitskräften beseitigt und teilweise in Massengräbern verscharrt. Solche Massengräber sind in der Nähe von Daraa entdeckt worden. Teilweise waren die Toten noch gefesselt und offensichtlich hingerichtet worden. Andererseits sterben viele Verletzte an ihren Schusswunden zuhause, weil man sich zu Recht nicht traut, die Krankenhäuser aufzusuchen.

18. Mai 2011

Syrien: Ein Hilferuf aus Banyas

Uns erreicht ein Hilferuf aus Banyas. Die Schilderung der Lage dürfte auch auf die Situation in Daraa und Duma sowie den anderen von Geheimdienst und Armee besetzten Städte Syriens zutreffen. Dazu passt der Bericht eines britischen Journalisten, der incognito in Syrien unterwegs war, er habe allein vor den Toren Homs 100 Panzer gesehen. Aus mehreren Städten wird berichtet, dass Fußballstadien als Haft- und Folterstätten missbraucht werden. In der Umgebung Daraas wurden zwei Massengräber gefunden mit insgesamt 26 Leichen, die dort verscharrt worden waren. Einige hatten noch die Hände auf dem Rücken gefesselt und waren offensichtlich hingerichtet worden.


Ein Hilferuf aus Banyas - Banyas unter der Besatzung, 17. Mai 2011

Nach der Abriegelung Banyas und seiner Dörfer für viele Tage, der darauf folgenden brutalen Besetzung der Stadt, der Verhaftung hunderter Einwohner, dem Tod derer, die von den Kugeln der Geheimdienstler getötet wurden, setzt sich die Politik des Aushungerns und der Besetzung der Stadt und ihrer Umgebung fort, wie auch in anderen syrischen Städten.

Die Armee hat Banyas für lange Zeit belagert, was zu einem Mangel an Lebensmitteln und medizinischen Versorgungsgütern führte, trotz der wenigen Hilfe, die anfangs aus Jableh und Tartous kam. Allerdings wurde die Belagerung härter und wirklich niemand durfte hinein oder hinaus; bis zu dem Punkt, an dem sogar Lastwagenfahrer, die Lebensmittel anliefern wollten, festgenommen wurden und die Fracht von den Geheimdienstlern, die an der Belagerung teilnahmen, gestohlen wurde.

Dann geschah der Einmarsch am 7. Mai 2011 durch geschätzte 20.000 Soldaten, und das bei einer kleinen Stadt wie Banyas, deren Bevölkerung 40.000 nicht überschreitet; angeführt wurden sie von Agenten der Geheimdienste, die ebenfalls eindrangen.

Der Angriff wurde mit 500 Maschinengewehren und zahlreichen Schützenpanzern durchgeführt, Häuser und Geschäfte wurden wahllos beschossen. Die Armee verteilte sich auf alle Zugänge zur Stadt, alle Viertel und Straßen; Häuser wurden besetzt und in Kasernen umgewandelt. Auch die Häuser von Sheikh Anas Ayrout und Ahmad Moussa und anderen. Viele Gebäude wurden zerstört, Häuser gestürmt und geplündert, und als Gipfel wurde eine Ausgangssperre verhängt, die das gesamte Leben der Stadt zum Erliegen brachte.

Schlägertruppen und Geheimdienstler griffen das Krankenhaus der Barr-Gesellschaft an, die meisten Ärzte, Schwestern und Patienten wurden verhaftet, die Apparate und Medizin (inklusive Blutbeutel und Impfstoffe) wurden gestohlen. Ahmad Karkour starb, weil es im Krankenhaus keine Blutkonserven mit seiner Blutgruppe mehr gab.

Diese Schläger griffen auch das Dr. Abdulmajeed Bakkur-Krankenhaus an und steckten es in Brand, weil dort angeblich "Terroristen" behandelt worden waren.

Eine Verhaftungswelle traf 5.000 Menschen, die ins Stadion der Stadt verschleppt und dort brutal geschlagen und gefoltert wurden. Die meisten sind immer noch in Haft.

Niemand war von diesen Verhaftungen ausgenommen. Zum Beispiel wurde der 70 Jahre alte Vater von Dr. Bassam Suhyooni (ein Universitätsprofessor) festgenommen. Er hat schwere gesundheitliche Leiden, trotzdem wurde er gefoltert und geschlagen, bis er freigelassen wurde, weil sich sein Gesundheitszustand verschlechterte. Er suchte das Barr-Krankenhaus auf, wo nun Soldaten einquartiert waren. Dort wurde er erneut von den Geheimdienstlern verhaftet und niemand kennt bis jetzt seinen Aufenthaltsort.

Nach mehreren Tagen seit dem Einmarsch und fünf Toten im Dorf Al-Marqab und sechs Toten in Banyas, leidet die Stadt nun unter einer ernsten Lebensmittelkrise wegen der andauernden Besetzung und Abriegelung, in der nur die Bäckereien die Produktion wieder aufgenommen haben. Alle Apotheken sind geschlossen und es gibt keine Medikamente, das öffentliche und das private Krankenhaus sind geschlossen und sind in Kasernen für die Soldaten umgewandelt worden, nachdem sie geplündert und demoliert wurden.

Allen verbleibenden Ärzten ist es verboten, Verwundete zu behandeln, sonst droht ihnen die Anklage, "Terroristen" behandelt zu haben.

Die öffentlichen Dienste stehen still, niemand geht aufgrund der starken Präsenz der Sicherheitskräfte und dem Maschinengewehrfeuer seitens der Armee zur Arbeit. Es gab mehrere Aufrufe über Lautsprecher, die Geschäfte wieder zu eröffnen, aber niemand wagt dies angesichts der Verhaftungs- und Folterwelle.

Die Menschen der Stadt Banyas rufen die ihnen gleichgesinnten syrischen Bürger und die Menschen mit Gewissen in der freien Welt auf, die Besetzung der Stadt und die Folterung ihrer Bewohner zu beenden, und unsere Kinder und Jugendlichen und Männer, die verhaftet wurden, umgehend zu befreien, sowie für Nahrung und medizinische Hilfe zu sorgen.

Die freien Menschen von Banyas
17. Mai 2011 

14. Mai 2011

Syrien: Mehr Freitagsdemonstrationen. Talkalakh besetzt.

Allen Maßnahmen des Regimes zum Trotz gingen am Freitag wieder Tausende auf die Straßen Syriens. Die Aktivisten hatten nicht allzu große Erwartungen. Kein Wunder: Daraa, und Duma sind weiterhin vollständig von den Bewaffneten des Regimes besetzt. Dazu noch teilweise die Städte Homs, Hama, Banyas, Latakia, Idlib, Jasim, Darayya, Al Tal und weitere. Moscheen wurden überwacht, teilweise abgesperrt. Und es wurde regelrecht Jagd auf Internetaktivisten gemacht, um den Nachrichtenstrom aus dem Land zu unterbinden. Gerüchte besagen, dass hier iranischen "Spezialisten" helfen, die 2009 bei den Protesten nach der Präsidentenwahl im eigenen Land Erfahrungen in der Unterdrückung von Onlineaktivitäten sammelten.

Aber wieder sah Syrien Demonstrationen über das ganze Land verteilt: in Damaskus mit seinen Vorstädten, an der Küste mit Banyas und Latakia, in den kurdischen Regionen im Norden und erst recht im rebellischen Süden der Hauran-Ebene. Selbst im am längsten besetzten Daraa soll es zu Protesten gekommen sein. In vielen Städten sammelten sich mehrere Demonstrationen, weil die Stadtteile durch Straßensperren von einander abgeschnitten waren. Eine Taktik, die das Regime in Damaskus schon vor Wochen praktiziert hat. So kam es allein in Homs zu fünf Demonstrationen. Und insgesamt waren wohl mindestens so viele auf den Straßen wie letzten Freitag. Und diesmal hielt sich das Regime zurück, "nur" sechs Tote. Man kann darüber spekulieren, warum. Vielleicht, weil es weiß, dass die (arabische) Welt am Freitag besonders genau hinsieht. Aber unter der Woche sind allein in Daraa und Homs fünfzig Menschen getötet worden.

Und das Regime setzt weiter auf brutale Repression. In der Nacht zum heutigen Sonnabend marschierte die Armee und die Geheimdienste in die Stadt Talkalakh ein. Talkalakh hat etwa 32.000 Einwohner und liegt 5 km nördlich der libanesischen Grenze. Dort hatten am Freitag 30 Mitglieder der Baath-Partei ihren Austritt erklärt und auf einer Kundgebung das Regime für die Hunderten an Toten der letzten Wochen verantwortlich gemacht. Die Schüsse, die beim Einmarsch und der Besetzung der Stadt fielen, waren von der libanesischen Grenze zu hören, wie Sicherheitskräfte des Nachbarlandes berichteten. Zudem sind etwa 500 Menschen in den Libanon geflohen. Darunter viele mit Schusswunden. Ein 26-jähriger Mann ist in einem libanesischen Krankenhaus gestorben. Mindestens drei weitere Tote soll es in Talkalakh selbst gegeben haben.

Die Medien des Regimes geben als Grund für die Militäraktion in Talkalakh an, in der Stadt sei von "Salafisten" ein "islamisches Emirat" gegründet worden, dagegen habe man vorgehen müssen. Und der TV-Sender der Hizbollah "Al Manar" plappert das nach. Hizbollah ist gegen einen Gottesstaat, man könnte man fast lachen, ginge es nicht um das Leben freiheitsliebender Menschen.

Libyen: Fortschritte im Westen. Lage in Nafusa-Region kritisch.

Am Mittwoch ist es den Aufständischen in Misratah gelungen, den Flughafen der Satdt zu erobern. Dieser liegt etwa 6 km südlich des Stadtzentrums und dort war die letzte größere Ansammlung von Regimetruppen am Rande der Stadt. Von hier aus wurden das Stadtzentrum und der Hafen von Misratah beschossen. Auf dem Gelände liegt auch eine Militärakademie. Reporter berichteten, der ganze Komplex ist nun in den Händen der Aufständischen. Mit der Eroberung wurden auch etwa 60 Familien befreit, die von den Gaddafi-Truppen über zwei Monate als Geiseln gehalten wurden. Zudem fielen den Aufständischen viele Waffen und sehr viel Munition in die Hände. In den letzten Tagen ist es den Kämpfern dann gelungen Misratah vollständig unter ihre Kontrolle zu bringen. Zurzeit stoßen sie weiter Richtung Westen vor und stehen vor den Toren Zlitens.

Zwar ist die Misratah immer noch in Reichweite der Artillerie des Regimes, trotzdem nimmt dieser Sieg Druck von der Stadt und damit auch von der Zivilbevölkerung. Die humanitäre Situation bleibt aber dramatisch. Zur Erinnerung: Die Stadt ist seit 2 Monaten von der regulären Strom- und Wasserversorgung abgeschnitten.
Wie man einen Panzer außer Gefecht setzt.
Wichtig ist auch die psychologische Seite des Sieges, den die Aufständischen davongetragen haben. Zeigen die Erfolge der letzten Tage doch, dass sie nicht nur Misratah halten können, sondern auch ihre Fähigkeit, Fortschritte zu machen. Das wird u. a. in Tripolis sehr genau wahrgenommen und stärkt den Willen der Opposition dort.

In Tripolis selber kommt es jede Nacht zu Schießereien, die sich mittlerweile auch mal über Stunden hinziehen. Die Benzinkrise verschärft sich. Es gibt Tage, an denen es nirgends mehr Benzin gibt. Die Spannungen nehmen zu. Auch zwischen der regulären Polizei und den Gaddafi-Milizen, insbesondere der Khamis-Brigade. So soll es bei der Beerdigung des Gaddafi-Sohnes Saif Al-Arab zu einer Schlägerei zwischen einem Polizisten und einem Angehörigen der Khamis-Brigade gekommen sein. Zudem muss die Polizei immer häufiger einschreiten, wenn Angehörige der Gaddafi-Milizen sich an den Tankstellen vordrängeln und sofort Benzin verlangen. Bei solchen Auseinandersetzungen soll es auch schon zu Toten gekommen sein. Auch in Az Zawiyah sind die Aufständischen weiterhin aktiv. Und auch hier gibt es Fortschritte, die Operationen werden umfangreicher.

In der Nafusa-Region stellt sich die Lage unterschiedlich dar. Von Westen nach Osten ist die Situation für die Aufständischen zunehmend schlechter. Während der Grenzübergang zu Tunesien und Nalut trotz Attacken relativ gesichert sind, sieht sich Az Zintan immer wieder ernsthaften Angriffen ausgesetzt. Am schlimmsten ist es in Yefren, Al Qala und Kikla. Hier sind die oppositionellen Kämpfer seit einem Monat umzingelt und von jeglichem Nachschub, auch an Nahrungsmitteln, abgeschnitten. Die Kämpfer und die Zivilbevölkerung drohen buchstäblich zu verhungern.

9. Mai 2011

Bahrain: Abdulhadi Alkhawaja schwer gefoltert. Massenprozess gegen Oppositionelle wegen "Terrorismus".

Gestern, am 8. Mai, wurde vor einem militärischen Sondergericht das Verfahren gegen 21 prominente Oppositionelle eröffnet. Der Prozess wurde auf den 12. Mai vertagt. Bis dahin haben die vom Gericht bestellten Anwälte der Angeklagten Zeit, sich in die Akten einzuarbeiten. Was angesichts der Schwere der Vorwürfe ein lächerlicher Zeitraum ist. Gegen sieben der Angeklagten wurde in Abwesenheit verhandelt. Von diesen halten sich die meisten in Großbritannien auf und haben teilweise Asyl wegen Folter und politischer Verfolgung beantragt. Die Angeklagten sind Schiiten, Sunniten und Säkulare. Sie waren in verschiedenen politischen und sozialen Zusammenhängen aktiv: in Parteien, Menschenrechtsorganisationen, religiösen Gruppen, sozialen Initiativen, auch ein Blogger ist dabei. Diese heterogene Gruppe soll laut Anklage eine "terroristische Organisation" gegründet haben, mit dem Ziel, die Regierung gewaltsam zu stürzen. Dabei soll die Organisation auch mit ausländischen Terroristen, die für ein fremdes Land arbeiten, kooperiert haben.

"Terrorismus" ist in den Gesetzen Bahrains sehr weitgehend definiert. So umfasst die Anklage auch folgende Punkte: "Aufruf zum Umsturz der Regierung", "Beleidigung(!) der Armee", "Verbreitung falscher Nachrichten und Gerüchte, die geeignet sind, die öffentliche Sicherheit und das öffentliche Interesse zu gefährden". Alle diese Anklagpunkte basieren auf einem Gesetz zum "Schutz der Gesellschaft vor Terrorismus" aus dem Jahre 2001.

Alle Verhafteten war während ihrer Haft nur ein einminütiges Telefonat mit einem Angehörigen erlaubt. Weder durften sie Besuch empfangen noch hatten sie Zugang zu rechtlichem Beistand. Zudem waren und sind alle an unbekannten Orten eingesperrt. Diese Haftbedingungen, die jeder Rechtsstaatlichkeit spotten, begünstigen Folter. Im Falle der 14 Inhaftierten ist diese offensichtlich bei allen angewendet worden. Die Gefangenen wurden in langer Kleidung, die auch die Arme vollständig bedeckte, vorgeführt; und das bei Temperaturen von 33° C. Als der Richter die Verhandlung schließen wollte, erhoben alle Angeklagten Protest und verlangten Garantien, nicht weiter gefoltert zu werden. Sie wurden daraufhin von den Wachen angeschrieen und gewaltsam aus dem Saal entfernt.

Zwei Fälle stechen dabei besonders hervor. Mohammed Hassan Jawad Parweez, ein Menschenrechtsaktivist, ist in der Haft vollständig taub geworden. Vorher war er schwerhörig, nun nützt ihm auch sein Hörgerät nichts mehr. Am schlimmsten ist Abdulhadi Alkhawaja gefoltert worden. Er hat eine Wunde unter dem linken Auge, die genäht werden musste, und vier Gesichtsbrüche(!), davon ein Kieferbruch. Er kann kaum sprechen und essen. Vor einigen Tagen war er in einem Militärkrankenhaus operiert worden. Die Operation dauerte vier Stunden und ihm wurden dabei Knochenteile seines Schädels entnommen, um sie in seinem Gesicht zu reimplantieren. Der Zustand Alkhawajas hat die schlimmsten Erwartungen noch übertroffen.

Stellungnahme von Front Line: http://www.frontlinedefenders.org/node/15067
Aufruf von Amnesty International:
http://amnesty.org/en/library/asset/MDE11/024/2011/en/a3f4bc4d-2f1d-4495-8add-624942c92920/mde110242011en.html