16. Februar 2011

Drei Stimmen des Islams

Die Muslimbruderschaft (MB) hat mitgeteilt, dass, sollte ihr Verbot aufgehoben werden und ein neues Parteienrecht geschaffen sein, sie eine Partei gründen werde. Allerdings würde man nicht die parlamentarische Mehrheit anstreben. Zudem hat die MB erneut betont, keinen Präsidentschaftskandiaten bei den kommenden Wahlen aufzustellen. "Dies ist eine Zeit für Konsens und Einheit", sagte ein Sprecher, da wäre ein Kandidat der MB eine Provokation. Doch bei vielen Ägyptern bleibt das Misstrauen gegenüber der MB trotz ihrer konstruktiven Rolle, die sie im Aufstand gespielt hat.

Zum ersten Mal seit 20 Jahren ist die Gamaa Islamiya ("Islamische Partie") (GI) wieder an die Öffentlichkeit getreten. GI war in den 1990er Jahren für zahlreiche Terroranschläge verantwortlich, darunter das Massaker an Touristen und Ägypter in Luxor am 17. Novermeber 1997, bei dem 62 Menschen ermordet wurden. Bei einem Treffen in einer Moschee in Assiut erklärte die Gruppe, sie sei von Anfang an am Aufstand beteiligt gewesen. Sie würde nun ihre Tätigkeit wieder aufnehmen. GI habe mit niemanden eine Rechnung zu begleichen, warnte aber gleichzeitig, wer immer Mubarak nachfolge, sollte nicht das Recht der GI, zu predigen und die Sharia anzuwenden, bestreiten. Zudem betonte die GI, der Islam schütze die Kopten und garantiere deren Rechte und fügte hinzu: "Die Kopten müssen unsere Religion respektieren." (In fundamentalistischen Kreisen - zu denen GI zweifellos gehört - ist die Forderung nach "Respekt für den Islam" häufig eine verharmlosende Umschreibung für die Forderung, den Islam in seiner fundamentalistischen Ausprägung als dominierend anzuerkennen und jede Kritik an ihm zu verbieten.) Koptische Einrichtungen waren Ziele der früheren terroristischen Aktivitäten der GI. Im Jahre 2003 hat sich die GI offiziell vom Terrorismus losgesagt. Einzelnen Gruppierungen in der GI wird aber nachgesagt, noch heute ein Teil von Al-Qaida zu sein.

Ahmed al-Tayyeb, Leiter ("Großer Sheih") der Al-Azhar, hat die Regierung aufgefordert, den Posten des "Großen Sheih" zukünftig nicht per Ernennung, sondern durch Wahl zu besetzen. Auch solle die gewählte Person das Amt nicht bis zu ihrem Lebensende ausüben, sondern für einen begrenzten Zeitraum. Die Al-Azhar gilt als die angesehenste islamische Lehreinrichtung der sunnistischen Moslems. Ihr Einfluss reicht weit über Ägypten hinaus. Tausende Ausländer studieren hier, weil die Lehrmeinung der Al-Azhar den meisten Sunniten als Richtschnur oder gar verbindlich gilt. Bis zum Jahr 1961 wurde der Leiter der Al-Azhar von einem Wissenschaftsrat gewählt, danach wurde er vom Religionsministerium ernannt.