30. April 2011

Syrien: Solidaritätsdemonstrationen mit Daraa und weiteres Blutvergießen am Freitag. Lage in Daraa dramatisch.

Am Freitag sah Syrien erneut Demonstrationen mit bis zu Tausenden an Teilnehmern, allen Aufmärschen der gar nicht mehr so geheim agierenden Geheimdienste und der Armee zu Trotz. Und wieder waren Städte dabei, aus denen man vorher nichts gehört hatte. In Damaskus konzentrierten sich die Sicherheitskräfte darauf, größere Demonstrationen dadurch zu verhindern, in dem sie die einzelne Stadtteile und die Vorstädte von einander abriegelten. Das gelang zwar, aber so gab es mehr Demonstrationen als zuvor in und bei der Hauptstadt, auch in den Altstadtbezirken. Die Proteste standen ganz im Zeichen der Solidarität mit der besetzten Stadt Daraa. Es gab keine Demonstration, auf der nicht Bezug auf den Ausgangsort der Proteste genommen wurde.

Und das Regime schoss wieder. 62 Tote sind bekannt. In Rastan, einer Stadt mit 60.000 Einwohnern in Gouvernement Homs, sind die Schergen des Regimes wohl völlig durchgedreht. Berichten zufolge wurde hier auf die Demonstranten mit schwerem Maschinengewehren geschossen. Ergebnis: über zwei Dutzend Tote. Um Daraa versammelten sich Menschen, um die besetzte Stadt zu erreichen, und so die Belagerung zu durchbrechen. Auch sie wurden mit Waffengewalt daran gehindert.

Die wenigen Nachrichten, die uns aus Daraa erreichen, sind dramatisch. Alle Kommunikationskanäle sind vom Regime gekappt, ja auch die Mobilfunknetze des nahen Jordanien werden gestört, damit keine Berichte aus Daraa dringen. Einzig Satellitentelefone funktionieren noch. Strom und Wasser sind nun seit 6 Tagen abgestellt. Seitdem kommen auch keine Lebensmittel in die Stadt. Das Krankenhaus ist von der Armee besetzt und nur für Angehörige der Sicherheitskräfte zugänglich. Täglich gibt es Schießereien. Auch die Panzer sollen dabei zum Einsatz kommen. Einige Häuser sollen schwer beschädigt sein. Es gab Berichte von einem Ort, an dem Dutzende tote Zivilisten entdeckt worden sein sollen. Gestern ist dann ein Video aufgetaucht, das diesen Ort wohl zeigen soll. Leichen, aufbewahrt in einem Container. 300 Soldaten sollen desertiert sein und sich den Aufständischen angeschlossen haben. Etwa jeden zweiten Tag schickt das Regime Verstärkungen nach Daraa, auch in Form weiterer Panzer.

Seit Tagen präsentiert das staatliche Fernsehen die "Geständnisse" von Leuten, die angeblich Terroristen sind und "bezeugen" aus Daraa mit Waffen versorgt worden zu sein. Dabei wurde der Imam der Omari-Moschee in Daraa als einer der Lieferanten benannt. Die Moschee war ein zentraler Treffpunkt der Demonstranten. Heute soll die Omari-Moschee von Panzern beschossen und gestürmt worden sein. Die Schergen des Regimes sollen bei ihrer Suche nach dem Imam dessen Sohn erschossen haben, weil er sich weigerte, den Aufenthaltsort seines Vaters zu nennen. Und das ist nur einer von vielen Berichten, die von der Anwendung von Sippenhaft bei der Niederschlagung der Oppositionsbewegung erzählen.