3. April 2011

Syrien: Verhaftungswelle. Forderungen der Revolutionäre

Nach den Protesten am Freitag hat gestern der syrische Staat zahlreiche Verhaftungen vorgenommen. Schwerpunkt der Verhaftungen waren scheinbar Duma, Daraa und Homs. Zumindest in Homs haben Anwohner, als sie merkten, was vorging, versucht Straßen mit Barrikaden zu sperren und so weitere Verhaftungen zu verhindern.

Forderungen der syrischen Revolutionäre

Sofortige Schritte:
  1. Freilassung aller politischen Gefangenen und Festgenommen. Bedingungslose Erlaubnis für die Rückkehr aller Syrer aus dem Exil.
  2. Unwiderrufliche Aufhebung des Ausnahmezustandes und des Standrechtes auf Dauer, einschließlich der Auflösung aller Sondergerichte.
  3. Abzug aller bewaffneter Geheimdienstler aus den Städten. Rückkehr der normalen Polizei. Aufhebung der Absperrungen der Städte. Entschädigungen für Opfer der Zerstörungen und der Angehörigen der Getöteten. Unabhängige Untersuchung der Vorfälle zur Feststellung und Anklage der Verantwortlichen unter Beteiligung arabischer Menschenrechtsgruppen.
  4. Erlass eines Dekrets, das das Recht auf friedliche Demonstrationen gewährt und Bedrohungen und Angriffe auf die Demonstrationsfreiheit unter Strafe stellt.
  5. Ende der politischen Einflussnahme auf Schüler seitens der Schulkräfte und Geheimdienstler, insbesondere ein Ende des Teilnahmezwanges an Demonstrationen für das Regime.
  6. Allen Geheimdiensten* soll es verboten werden, Verhaftungen nur aufgrund von politischen oder religiösen Überzeugungen durchzuführen. Umorganisierung der diversen Geheimdienste zu einem Nationalen Sicherheitsdienst unter Aufsicht des Innenministeriums und unter Beachtung der Menschen- und Bürgerrechte.
Weitere Schritte mit einem klaren Zeitrahmen:
  1. Änderung der Verfassung, insbesondere Artikel 8**, Einführung einer Mehrparteiendemokratie, garantierte Menschen- und Bürgerrechte und einen friedlichen Machtübergang.
  2. Einführung eines wahrhaft unabhängigen Justizwesens unter Einbeziehung der betroffenen Berufsgruppen und Menschenrechtsorganisationen.
  3. Informations- und Meinungsfreiheit.
  4. Schaffung einer modernen rechtlichen Grundlage für die Gründung von Parteien und Organisationen, die für eine funktionierende Zivilgesellschaft notwendig sind.
  5. Einführung eines modernen Mehrparteien-Wahlrechtes, das freie und faire Wahlen auf lokaler und nationaler Ebene garantiert, damit alle Bereiche der syrischen Gesellschaft repräsentiert sind. Bildung einer parlamentarischen Regierung, die Korruption und Armut bekämpft und echte Entwicklung fördert.
  6. Lösung der kurdischen Frage***, Zubilligung ihrer Staatsbürgerschaft, Rückgabe ihres gestohlenen Landes und Verbesserung ihres Lebensstandards.
  7. Untersuchung aller Netzwerke, die der Korruption dienen. Anklage gegen alle Nutznießer der Korruption und Beschlagnahme aller unrechtmäßig erworbenen Vermögenswerte. Überprüfung aller Verträge zum Nachteil des syrischen Staates und der Gesellschaft, insbesondere aller Mobilfunkverträge.****
  8. Ein nationaler Plan zu Bekämpfung von Armut und Arbeitslosigkeit, der halbjährlich vom Parlament überprüft wird.
  9. Einberufung einer Nationalen Generalsversammlung unter Berücksichtung aller gesellschaftlichen Gruppen um weitere notwendige Aufgaben in einen Reformplan für Syrien aufzunehmen.
* Experten schätzen die Anzahl der Geheimdienste in Syrien auf mehr als ein Dutzend!
** Artikel 8 schreibt die führende Rolle der Baath-Partei in Staat und Gesellschaft fest.
*** Etwa 300.000 Kurden besitzen nicht die syrische Staatsbürgerschaft, obwohl sie in Syrien geboren sind. Viele sind im Zuge der Bekämpfung von separatistischen Bestrebungen von ihrem Land in den Dörfern vertrieben worden und fristen ein kümmerliches Dasein am Rande der Städte.
**** Das Mobilfunknetz Syriatel gehört Rami Makhlouf, einem Cousin Bashar Al-Assads. Er gilt als Banker des Assad-Clans und soll einer der reichsten Männer der Welt sein.

Nachbemerkung: Diese Forderungen stammen aus einem Text, der nicht von einer Gruppe unterschrieben wurde. Ich habe sie sinngemäß und zusammenfassend übersetzt. Inwieweit sie repräsentativ sind für die, die auf die Straße gehen, lässt sich nicht sagen. Aber unter den jetzigen politischen Bedingungen, die in Syrien herrschen, ist das sowieso ein Ding der Unmöglichkeit.

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